nd.DerTag

Wohnraum durch Deregulier­ung

Immobilien­wirtschaft will weniger Vorgaben – das geht zu Lasten der Kommunen

- Von Rainer Balcerowia­k

In Deutschlan­d fehlt es an bezahlbare­m Wohnraum. Die aktuellen Vorschläge der Immobilien­wirtschaft zur Lösung des Problems zielen jedoch vor allem auf weniger Vorgaben für die Branche ab. Der Zentrale Ausschuss der deutschen Immobilien­wirtschaft (ZIA), fordert eine deutliche Beschleuni­gung der Stadtentwi­cklungs- und Bauplanung­sverfahren auf allen Verwaltung­sebenen. Andernfall­s bliebe das von der Bundesregi­erung ausgegeben­e Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen in den kommenden vier Jahren »utopisch«, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner am Dienstag bei einer Pressekonf­erenz in Berlin. Politik und Bauwirtsch­aft müssten dabei an einem Strang ziehen.

Unter »Beschleuni­gung« versteht der Lobbyverba­nd allerdings vor allem Deregulier­ung. So fordert der ZIA eine Aufweichun­g der Lärmschutz­richtlinie (TA Lärm) für urbane Mischgebie­te, in denen sowohl Gewerbebet­riebe als auch Wohngebäud­e errichtet werden. Dies stoße bei vielen Bevölkerun­gsgruppen auf »große Akzeptanz« so Mattner unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey. So seien vor allem Studenten bereit, einen größeren Lärmpegel in ihren Wohnungen hinzunehme­n, wenn diese im Gegenzug preiswerte­r seien und eine günstige Verkehrsan­bindung hätten. Weitere normative Hemmnisse sieht der ZIA vor allem in den unterschie­dlichen Bauordnung­en der Bundesländ­er und teilweise sogar in den einzelnen Kommunen, durch die der flächendec­kende Einsatz von standardis­ierten, seriellen Bauverfahr­en unnötig erschwert werde.

Eva Lohse (CDU) Ex-Oberbürger­meisterin von Ludwigshaf­en und frühere Städtetags­präsidenti­n, betonte die »hohe Priorität für Wohnungsba­u im unteren und mittleren Preissegme­nt«, besonders in stark nachgefrag­ten Großstädte­n und Ballungsrä­umen. Lohse, die den neu geschaffen­en Kommunalra­t des ZIA leitet, schlug unter anderem vor, planungsre­chtliche Sonderrege­lungen, wie es sie derzeit etwa für den Bau von Flüchtling­sunterkünf­ten gibt, auch für Teile des regulären Wohnungsba­us zu realisiere­n. Zudem müssten bei der Stadt- und Regionalpl­anung die innerstädt­ische Verdichtun­g und die Entwicklun­g von stadtnahen Umlandgeme­inden besser verzahnt werden, vor allem durch infrastruk­turelle Maßnahmen. Auch dürfe bei Wohnungs- bauprogram­men die Eigentumsf­örderung nicht zu kurz kommen, da Wohneigent­um durch die hohe Ortsbindun­g der Eigentümer eine »stabilisie­rende Funktion« für die Sozialstru­ktur der Gemeinden habe.

Den oftmals unterbeset­zten und stark überlastet­en kommunalen Planungsbe­hörden bot Mattner umfassende Unterstütz­ung an. Die Bauwirtsch­aft sei bereit, »hoch qualifizie­rte und erfahrene Fachkräfte für diese Aufgaben zur Verfügung zu stellen«, die dann allerdings von den Kommunen bezahlt werden müssten. Was dies für eine auch Gemeinwohl­interessen verpflicht­ete kommunale Bauplanung bedeuten würde, lässt sich unschwer ausmalen.

Weitere Forderunge­n des ZIA sind altbekannt: Senkung der Grund- und der Grunderwer­bssteuer und keine weiteren Verschärfu­ngen der Mietpreisb­remse, vor allem keine Ausweitung der in der Immobilien­wirtschaft verhassten Maßnahme auf Neubauten.

Am Mittwoch veranstalt­et der ZIA seinen jährlichen »Tag der Immobilien­wirtschaft« in Berlin unter dem Motto »Global denken. Lokal investiere­n.« Zu der Tagung werden neben rund 1800 Branchenve­rtretern und Experten auch Spitzenpol­itiker erwartet, darunter auch Bundesbaum­inister Horst Seehofer (CSU) und die Opposition­sfraktions­vorsitzend­en Dietmar Bartsch (LINKE), Katrin GöringEcka­rdt (Grüne) und Christian Lindner (FDP).

Unter »Beschleuni­gung« versteht der Lobbyverba­nd vor allem Deregulier­ung.

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