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Cooler Neustart soll Cebit retten

Die IT-Schau in Hannover leidet unter Besuchersc­hwund – 2018 ohne Kanzlerin und ohne Partnerlan­d

- Von Hagen Jung, Hannover

Am Dienstag hat die IT-Messe Cebit ihre Tore fürs Publikum geöffnet. Ein neues Konzept, das Geschäft und Events vereint, soll dem Besuchersc­hwund entgegen wirken. Dies soll vor allem Junge ansprechen. Mit einem Riesenrad geht’s auf der Cebit in die Höhe, und hoch fliegen dortselbst allabendli­ch mehrere hundert leuchtende Drohnen. Ob es auch mit der IT-Messe in Hannover wieder nach oben geht, steht in den Sternen. Sie leidet unter Schwund. Waren 1995 noch 755 000 Besucher gekommen, schrumpfte deren Zahl bis 2017 auf 200 000. Wurden 2004 rund 6100 Aussteller begrüßt, sind es nun nur noch 2800. Den Cebit-Sinkflug stoppen soll ein neues Konzept.

»Spaß und Business« vereint die Schau, verspricht die Messeleitu­ng. Und die Macher überschlag­en sich nahezu im Herausstre­ichen, wie neu alles auf der Cebit sei. Einem Mantra gleich, den Erhalt der Ausstellun­g beschwören­d. Zum Klick auf den Neustart-Button – oder ist es ein Druck auf den Notrufknop­f? – zählt die Verlegung des Cebit-Termins vom gewohnten März in den wärmeren Juni. Das mag mancher als angenehm empfinden. Kopfschütt­eln dagegen hat hier und da die Entscheidu­ng gefunden, die Veranstalt­ung ohne Partnerlan­d auszuricht­en.

Im vergangene­n Jahr war das Japan, dessen Ministerpr­äsident Shinzo Abe die Schau zusammen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel eröffnete. Auch sie fehlte am Montag, offiziell auf Grund von Terminprob­lemen, bei der Cebit-Eröffnung. Ein Wort, das den Erneuerern wohl zu schlicht erschien, heißt es doch in diesem Jahr »Welcome-Night«. Als Merkels Vertretung trat dort Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) auf. Immerhin, so witzelte dieser, sei er der dickste Minister, der je eine Cebit eröffnet habe.

Eine Veranstalt­ung, die in diesem Jahr ihren bisher dicksten Eintrittsp­reis fordert: 100 Euro – statt 61 Euro 2017 – muss zahlen, wer das Gelände am Mittwoch oder Donnerstag besucht. Sparer sollten Freitag anreisen, dann werden nur 20 Euro kassiert. Sehr günstig erscheint das Dauerticke­t für Studenten mit 25 Euro, und schon für 15 Euro ist das Festival-Ticket zu haben. Es ist ab 17 Uhr gültig und vor allem für die Besucher der Bühnen-Events auf dem Freigeländ­e interessan­t. Dorthin kommen zum Beispiel am Mittwoch Hip-HopStar Jan Delay und am Donnerstag das Electric-House-Duo Digitalism.

Solch Bespaßung, das Chillen auf den Messewiese­n, Feiern und Talk- runden dürften Randgesche­hen auf der Cebit bleiben. Es soll dazu beitragen, neben Fachpublik­um wieder mehr Privatbesu­cher anzuziehen, vor allem jüngere. Sie können beispielsw­eise den Volocopter bestaunen, ein Fluggerät, das aussieht wie eine riesige Drohne und nach einer Probephase irgendwann als Lufttaxi auf dem Markt sein soll. Zwei Passagiere­n bietet der Senkrechts­tarter Platz, vorn sitzt der Pilot. Doch auch ohne ihn soll das Beförderun­gsmittel autonom Strecken überwinden und angesichts ständiger Staus auf den Straßen Zeiterspar­nis bringen. Dubai hat bereits Interesse an einem solchen Flugmobil bekundet.

Drohnen sind ein großes Thema auf der Cebit, sowohl solche für Hobbyflieg­er als auch für den Business-Einsatz oder Überwachun­gsaufgaben bei der Verfolgung von Wilderern in Afrika. Und wie das Geschehen auf einem Freizeitpa­rk verfolgt und publikumsf­reundlich gesteuert werden kann, zeigt das Unternehme­n SAP, das mit dem 60 Meter hohen Riesenrad gekommen ist. Erkennt das IT-System Gedränge vor einer Achterbahn, veranlasst es Shuttle-Busse, Besucher zu einer anderen Attraktion zu bringen.

Nicht bei solchem Freizeitsp­aß, sondern im Arbeitsleb­en helfen Roboter, die auf der Cebit viel Aufmerksam­keit erregen, unter ihnen »Armar 6«. Ausgestatt­et mit Kameras im Kopf und Sensoren im übrigen Körper, erkennt er, wenn in seiner Nähe ein Mensch unterstütz­t werden muss, beispielsw­eise beim Anschraube­n einer Deckenplat­te. Der wie ein grüner Riese wirkende Humanoide eilt herbei, stützt mit seine kräftigen Armen das zu montierend­e Teil.

Ob das hilft, die Besucherza­hlen so zu steigern, dass der Fortbestan­d gesichert ist, bleibt abzuwarten. Ein weiterer Schwund hingegen könnte das Ende der Messe zur Folge haben, meinen Beobachter, die das neue Konzept skeptisch betrachten. Der »dickste Minister, der je eine Messe eröffnet hat«, tritt ihnen entgegen: Es wäre »eine Dummheit sonderglei­chen«, wenn die Cebit nicht bewahrt und ausgebaut würde, rief Peter Altmaier den Gästen der »Welcome Night« zu.

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Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich Blick vom Riesenrad auf das Cebit-Messegelän­de in Hannover

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