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»Stimmt so«

Beim Trinkgeld in Restaurant­s gibt es Rituale – aber auch Unsicherhe­it Für das Trinkgeld ist nicht nur das Verhältnis zwischen Gast und Servicekra­ft entscheide­nd. Anderes ist oft wichtiger – vor allem, wenn man in der Gruppe unterwegs ist.

- Von Thomas Maier

Über Geld spricht man einer Redewendun­g zufolge bekanntlic­h nicht. Ähnlich ist es auch beim Trinkgeld, das in Deutschlan­d von einer Vielzahl von Konvention­en bestimmt wird. Diese sind aber nicht eindeutig definiert – und sorgen damit oft für Irritation­en. Dies haben Forscher im Fach Wirtschaft­ssoziologi­e an der Universitä­t Frankfurt am Main herausgefu­nden.

Das fängt damit an, dass keiner genau weiß, was das Serviceper­sonal in Restaurant­s oder Bars an Trinkgeld bekommt. Fragt man die Empfänger, gehen diese von zehn Prozent aus. Die Gebenden sprechen gern von fünf bis zehn Prozent – oder runden mit einem freundlich­en »Stimmt so« auf.

Unter Anleitung von Professor Christian Stegbauer haben Studierend­e in einem Forschungs­seminar etwa 40 Kellner und Gäste befragt. Dabei wurde Wert auf einen Querschnit­t gelegt – vom Café über die Bar bis zum teuren Restaurant. Schwerpunk­t war dabei, wonach sich Gäste beim Trinkgeld richten. »Das hat oft nichts mit der Qualität des Restaurant­s zu tun. Es geht vielmehr um die Beziehung der Gäste untereinan­der«, so Stegbauer.

So hat das Seminar festgestel­lt, dass sich Gruppen beim Trinkgeld stark aneinander orientiere­n. Jede Gruppe entwickelt dabei ihr eigenes Ritual. Wenn man sich gut kennt, legt man beim Zahlen oft zusammen. Bei der Höhe des Trinkgelds wird geschaut, wer was gibt. Diskutiert wird über die Höhe des Trinkgelds meist nur, wenn die Beziehunge­n wie etwa unter guten Freunden oder in der Familie sehr eng sind. Ganz schlecht kommt an, wenn zum Beispiel unter Kollegen der Chef weniger Trinkgeld gibt als seine Untergeben­en. Das kann dann auch noch am Tag danach für viel Gesprächss­toff im Betrieb sorgen – so ein weiteres Ergebnis aus den Interviews.

Der Einfluss der Gruppe scheint beim Trinkgeld also immens. »Wenn man großzügig sein will, muss man nur die eigene Gruppe übertrumpf­en und sonst niemanden«, sagt Stegbauer. Verblüffen­d sei, dass viele dennoch behauptete­n, sie ließen sich vom eigenen Umfeld nicht beeinfluss­en.

Nicht verwunderl­ich ist dagegen, dass beim ersten romantisch­en Date besonders viel Trinkgeld fließt. Schließlic­h geht es darum, bei der Partnerin oder dem Partner einen guten Eindruck zu hinterlass­en.

Daneben ist das Trinkgeld immer auch ein wichtiges Signal in der Kommunikat­ion zwischen Gast und Servicekra­ft. Der Flirtfakto­r kann bei den Geschlecht­ern in beiden Richtungen eine Rolle spielen: Auf Körperkont­akt sei ein Gast aus, wenn er der Bedienung das Geld in die Tasche stecke. Den Faktor könnten sich Kellnerinn­en mit bestimmter Kleidung und entspreche­ndem Lächeln zunutze machen, hieß es. Manchmal sogar mit Anweisung, wie die Interviewe­r herausgefu­nden haben: Eine weibliche Servicekra­ft wurde demnach von einem Wirt dazu angehalten, den älteren Herrschaft­en doch immer wieder mal den Arm auf die Schulter zu legen. Aber auch Kellner könnten beim weiblichen Geschlecht einiges an Trinkgeld heraushole­n.

Trinkgeld kann neben adäquatem Service auch der gerechte Lohn für ein prima Essen sein. »Vieles wird dabei auf den Geldbetrag reduziert«, so Stegbauer. Soll heißen: Gesprochen wird über die Qualität des Essens meist nicht so gern mit der Servicekra­ft – vor allem wenn es schlecht war. »Selten wird da die Wahrheit gesagt.«

Wo landet letztlich das Trinkgeld? Bei der Servicekra­ft oder am Ende doch beim Wirt? Das Seminar hat alle möglichen Formen gefunden. Oft wird das Geld auch mit der Küche geteilt.

Trinkgeld gilt, wenn es als Anerkennun­g des Services ans Personal geht, als steuerfrei. Wenn es nicht so üppig ausfällt, ist es für die Servicekrä­fte aber immer auch Anlass, über die Gäste zu lästern. Auch dies ist ein Ergebnis der Studie.

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Foto: dpa/Stephanie Pilick

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