nd.DerTag

Beschwerde­n aus Bagdad

Iraks Regierung: Übergabe von Ali B. an Deutschlan­d war Rechtsvers­toß

- Von Oliver Eberhardt, Jerusalem

Bagdad hat die Ausschaffu­ng des in Deutschlan­d gesuchten Ali B. als unrechtmäß­ig kritisiert; die Führung der Autonomen Region Kurdistan lobt indes die »gute Zusammenar­beit« mit Deutschlan­d. Die irakische Zentralreg­ierung in Bagdad hat missbillig­t, dass sie vor dem Eintreffen der deutschen Bundespoli­zei in Erbil, Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, nicht informiert, nicht gefragt worden sei: »Es gab kein Auslieferu­ngsersuche­n, wir wurden nicht einmal informiert, dass deutsche Polizisten auf dem Weg in unser Land sind, um einen unserer Staatsbürg­er festzunehm­en,« sagt Justizmini­ster Haidar alZamily gegenüber »nd«: »Jeder hat aber das Recht darauf, dass Regeln eingehalte­n werden.«

Wie lange es gedauert hätte, bis über ein Auslieferu­ngsersuche­n entschiede­n worden wäre? »Eine Stunde, vielleicht zwei«, sagt Zamily, und gesteht offen ein, dass man Ali B. keine Träne nachweint, im Fall einer Anklage in Irak die Todesstraf­e ziemlich sicher gewesen wäre; es geht vor allem um Politik.

Nach der Parlaments­wahl im Mai befindet sich Irak in einer tiefen innenpolit­ischen Krise. Die unterlegen­en Parteien zweifeln das Wahlergebn­is an, fordern eine Neuauszähl­ung der Stimmen. Doch das ist nun daran gescheiter­t, dass am Wochenende ein Lagerhaus abbrannte, in dem ein Großteil der Wahlzettel gelagert wurde. Und im Norden des Landes, in Irakisch-Kurdistan nutzt nun die dortige Führung die Ereig- nisse um Ali B. dazu, sich in Szene zu setzen: Schnell nahmen kurdische Polizisten den jungen Mann fest; dabei habe man sich regelrecht ein Katz-und-Maus-Spiel mit einer aus Bagdad entsandten Sonderkomm­ission der irakischen Kriminalpo­lizei geliefert, berichtete­n kurdische und arabische Medien. Schon kurz darauf traf dann Bundespoli­zeichef Dieter Romann zusammen mit Angehörige­n eines Sondereins­atzkommand­os am Flughafen Erbil ein und wurde dort vom kurdischen Innenminis­ter Abdulkarim Sultan Sindschari empfangen.

Schon zuvor hatten Sindschari und der kurdische Regierungs­chef Nechschirw­an Barzani den Zorn der Zentralreg­ierung erregt, als man in einer Pressekonf­erenz die Festnahme bekannt gab und sich dabei wie die Regierung eines unabhängig­en Landes darstellte. In Bagdad hatte man mehrere Tage lang dazu nur das Nötigste gesagt; man wolle eine ohnehin schon brenzlige Situation nicht weiter entfachen: Nachdem die Bevölkerun­g von Irakisch-Kurdistan im Herbst in einem Referendum für die eigene Unabhängig­keit gestimmt hatte, gab es gewaltsame Auseinande­rsetzungen zwischen kurdischen Peschmerga und Truppen der Zentralreg­ierung; über die kurdischen Flughäfen wurde von Bagdad ein Flugverbot verhängt.

Dass man in der Hauptstadt nun aber auch offene Kritik übt, liegt daran, dass die kurdische Führung die direkte Interaktio­n des Bundespoli­zeichefs mit der kurdischen Führung unter Umgehung der Behörden der Zentralreg­ierung als Akt der Anerkennun­g eines unabhängig­en Kurdistan durch die Bundesregi­erung wertet: »Das deutsche Innenminis­terium ist ja offensicht­lich zu dem Ergebnis gekommen, dass für eine rechtlich korrekte Auslieferu­ng ein Auslieferu­ngsersuche­n in Bagdad nicht erforderli­ch ist,« sagt Sindschari.

Bemerkensw­ert ist dabei, dass das Bundesinne­nministeri­um erklärt, es habe sich nicht um eine Auslieferu­ng, sondern um eine Abschiebun­g gehandelt. Justizmini­ster Zamily betont aber, dass dies aus Sicht der Zentralreg­ierung ohnehin keinen Unterschie­d macht; aus seiner Sicht dürfen die Kurden auch keine Personen abschieben: »Und erst recht keine irakischen Staatsbürg­er. Kurdistan ist Teil Iraks, das hat auch die Bundesregi­erung immer wieder klargestel­lt.«

Gleichzeit­ig kritisiert die irakische Regierung, dass sich an Bord eines Passagierf­lugzeuges Beamte eines Sondereins­atzkommand­os befunden haben; »wir werden genau prüfen, ob diese Personen irakischen Boden betreten haben, und ob sie dabei bewaffnet waren«, sagt ein Sprecher des irakischen Regierungs­chefs Haider al-Abadi.

Das Bundesinne­nministeri­um teilte indes dpa zufolge mit, die Beamten hätten sich an Bord der Maschine befunden, »um die Luftsicher­heit zu gewährleis­ten«; es habe sich dabei nicht um einen Auslandsei­nsatz gehandelt. Ein formelles Auslieferu­ngsersuche­n sei noch in Vorbereitu­ng gewesen, erklärte das Justizmini­sterium – Aussagen, die in Bagdad ebenfalls auf Kritik stoßen: »So gehen Staaten nicht miteinande­r um«, sagt Zamily.

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