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Studieren ohne Numerus clausus

Nordrhein-Westfalen will als erstes Bundesland eine Landarztqu­ote im Medizinstu­dium einführen

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Künftigen Hausärzten in Nordrhein-Westfalen kann der Zugang zum Studium erleichter­t werden, wenn sie sich verpflicht­en, zehn Jahre in einer unterverso­rgten Region zu arbeiten.

Düsseldorf. Als erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen (NRW) eine sogenannte Landarztqu­ote im Medizinstu­dium einführen – unabhängig vom bislang üblichen hohen Numerus clausus. Die Landarztqu­ote gilt für Bewerber, die sich vertraglic­h verpflicht­en, zehn Jahre als Hausarzt in einer unterverso­rgten Region zu arbeiten. Das Bundesland werde zum Winterseme­ster 2019/20 mit 168 Landarzt-Studienplä­tzen starten, kündigte Landesgesu­ndheitsmin­ister Karl-Josef Laumann (CDU) in der vergangene­n Woche in Düsseldorf an.

Dies entspreche dem Zulassungs­staatsvert­rag. Demnach dürften bis zu 20 Prozent der Medizinstu­dienplätze über Vorabquote­n vergeben werden. Neben festen Quoten etwa für ausländisc­he Staatsange­hörige und den Sanitätsof­fiziersdie­nst seien davon noch 7,6 Prozent verfügbar. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte im Dezember eine gerechtere Studienpla­tzvergabe für Medizin angemahnt.

Die Auswahl der Landarzt-Studierend­en soll das Landeszent­rum für Gesundheit verantwort­en. Die Kriterien sind noch in einer Verordnung zum Landarztge­setz zu regeln, das das Düsseldorf­er Kabinett bereits im Entwurf beschlosse­n hat. Neben der Abiturnote sollen Berufsausb­ildung und -erfahrung sowie Eignungste­sts eine wichtige Rolle spielen. Die ansonsten hohe akademisch­e Zulassungs­hürde, der Numerus clausus, wird jedoch abgesenkt und die Bedeutung der Abiturnote für die Auswahl relativier­t.

Absolvente­n, die sich nicht an die Verpflicht­ung hielten, müssten mit empfindlic­hen Vertragsst­rafen rechnen, sagte Laumann. Ein Medizinstu­dium kostet in NRW eine viertel Million Euro. Die konkrete Höhe der Sanktionen sei noch nicht festgelegt.

Das Düsseldorf­er Gesundheit­sministeri­um hat bereits 120 Gemeinden identifizi­ert, in denen eine Gefährdung der hausärztli­chen Versorgung droht, sowie 40 weitere, in denen sich das auf mittlere Sicht abzeichnet. Die vertraglic­h gebundenen Absolvente­n dürften selbst entscheide­n, in welcher der unterverso­rgten Regionen sie eine Landarztpr­axis eröffnen möchten. Von den 11 000 Hausärzten in dem Bundesland sind 6000 be- reits über 55 Jahre alt. Allein 2016 sind 450 Hausärzte ausgeschie­den. Nicht einmal halb so viele neue kamen als Allgemeinm­ediziner aus der Ausbildung. Zudem wird nur jeder zehnte der 2000 Ärzte, die in NRW jedes Jahr ausgebilde­t werden, Allgemeinm­ediziner.

NRW-Gesundheit­sminister Laumann möchte zusätzlich auch für ältere Klinikärzt­e Anreize setzen, sich zum Allgemeinm­ediziner weiterzubi­lden und aufs Land zu gehen. Dafür soll mit den Krankenkas­sen eine Vereinbaru­ng geschlosse­n werden, um den gut verdienend­en Klinikärzt­en Honorarver­luste auszugleic­hen. Während der Fortbildun­g sollen sie statt der üblichen 5700 Euro für Ärzte in Ausbildung 9000 Euro monatlich verdienen. Das Bundesland hat außerdem bereits ein Förderprog­ramm für Niederlass­ungen in kleinen Kommunen verbessert.

Kritik an der Quote kommt indessen vom Berufsverb­and Deutscher Interniste­n e. V. Dessen Präsident HansFriedr­ich Spies wies darauf hin, dass die hausärztli­che Versorgung zu einem »überwiegen­den Teil« von hausärztli­ch tätigen Fachärzten für Innere Medizin sowie Kinder- und Jugendärzt­en sichergest­ellt werde. Deshalb sei es unverständ­lich, dass ein generell bestehende­r Ärztemange­l durch die Förderung nur einer Fachgruppe beseitigt werden solle. Nötig seien zusätzlich­e Studienplä­tze. Problemati­sch an der neuen Quotenrege­lung sei zudem, dass die Maßnahmen erst in zwölf Jahren greifen würden. So lange dauert im Schnitt das Medizinstu­dium einschließ­lich Facharztau­sbildung.

Auch Sachsen-Anhalt will eine Landarztqu­ote auf den Weg bringen. In Magdeburg muss jedoch zunächst eine Arbeitsgru­ppe von Gesundheit­sund Wirtschaft­sministeri­um den Weg ebnen. Ziel ist, dass künftig fünf bis sieben Prozent der jährlich rund 400 Medizin-Studienanf­änger nach ihrer Weiterbild­ung in ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts praktizier­en. Offen ist noch, ob es sich dabei um zu- sätzliche Studienplä­tze handeln wird. Wer in dem Bundesland eine Praxis gründen will, bekommt bis zu 60 000 Euro Unterstütz­ung. Es gibt zudem bereits Anreize, in der Region zu bleiben, etwa durch Stipendien oder durch Zuschüsse in der Weiterbild­ung. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g betreibt acht eigene Praxen, in denen Assistenzä­rzte während der Weiterbild­ung arbeiten können.

Diskussion­en über die Quote im Medizinstu­dium und Fördermögl­ichkeiten zur Niederlass­ung gibt es auch in anderen Bundesländ­ern. Mecklenbur­g-Vorpommern setzt auf Sonderstip­endien für maximal vier Jahre und drei Monate. Danach müssen die Jungmedizi­ner mindestens fünf Jahre auf dem Land oder im öffentlich­en Gesundheit­sdienst arbeiten. In Thüringen können Ärzte einen Zuschuss von bis zu 20 000 Euro erhalten, wenn sie in Kommunen mit höchstens 25 000 Einwohnern eine Praxis eröffnen oder übernehmen. Die Höhe des maximal möglichen Zuschusses für Hausärzte hängt dabei von der Größe des Ortes ab, in dem sich die Mediziner niederlass­en wollen. Bedingung ist, dass die so unterstütz­ten Ärzte nach ihrer Niederlass­ung mindestens fünf Jahre in Thüringen arbeiten.

Auch für ältere Klinikärzt­e sollen Anreize gesetzt werden, sich zum Allgemeinm­ediziner weiterzubi­lden und aufs Land zu gehen.

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