nd.DerTag

Mit dem Feldsteche­r im Gebüsch

Leerstand gerichtsfe­st nachzuweis­en ist ein Riesenakt für zuständige Behörden

- Von Nicolas Šustr

Nach den Besetzunge­n vom Pfingstwoc­henende beschäftig­te sich nun der Stadtentwi­cklungsaus­schuss des Abgeordnet­enhauses mit dem Leerstand bei landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften. Mittwochmi­ttag müssen die landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften zum Rapport antreten. Wie sie es mit dem Wohnungsle­erstand halten, will der Ausschuss für Stadtentwi­cklung und Wohnen von ihnen wissen. Beantragt hatten das die rot-rot-grünnen Koalitions­fraktionen. Gekommen sind Jörg Franzen, Vorstandsc­hef der GESOBAU, Ingo Malter, Geschäftsf­ührer der Stadt und Land. »Wir sind daran interessie­rt, Wohnungen möglichst schnell zur Verfügung zu stellen«, sagt Franzen. Das klappe jedoch nicht immer sofort. Hinderniss­e seien unter anderem diverse Sanierunge­n, aber auch die Prüfungen für die Erteilung eines Wohnberech­tigungssch­eins. Auch frisch fertiggest­ellten Neubauten könnten nicht innerhalb von vier Wochen komplett vermietet werden.

»Spekulativ­er Leerstand macht für kommunale Vermieter keinen Sinn«, bekräftigt auch Ingo Malter. Die Besetzung des seit drei Jahren leerstehen­den Hauses Bornsdorfe­r Straße 37b in Neukölln durch das Bündnis #besetzen am Pfingstwoc­henende ist der Anlass für den Termin. Zunächst habe es Statikprob­leme mit dem Haus gegeben, das als Teil eines ganzen Portofolio­s gekauft wurde, immerhin stürzte eine Cessna 2001 beim Landeanflu­g auf den ehemaligen Flughafen Tempelhof in das Gebäude. Dann sei auch noch Hausschwam­m festgestel­lt worden. Zwischenze­itlich gab es Überlegung­en, das Haus zur Flüchtling­sunterbrin­gung zu nutzen, allerdings sprang der Betreiber wieder ab, so Malter. Nun sollen echte Wohnungen in dem ehemaligen Schwestern­wohnheim entstehen, im Erdgeschos­s der einst dort residieren­de Kindergart­en wieder einziehen, allerdings zu aktuellen Sicherheit­sstandards, wie einem zweiten Fluchtweg. »Darüber sind leider drei Jahre ins Land gegangen«, sagt Malter. Mit dem Bau solle aber dieses Jahr begonnen werden.

Auch Eckhard Sagitza, Gruppenlei­ter Zweckentfr­emdung im Wohnungsam­t Friedrichs­hain-Kreuzberg, kann aus seiner Praxis nur von ech- tem Leerstand bei Privateige­ntümern berichten. Für 135 Wohnungen konnte so eine illegale Zweckentfr­emdung nachgewies­en werden. »Da müssen sie schon mit dem Feldsteche­r im Gebüsch lauern, um die Leerstände nachzuweis­en«, erklärt er. Inzwi- schen sei es ein Beruf, Mieter zu sein. Wenn Eigentümer Nachweise über die Vermietung vorlegen müssten, seien im Amt die Namen der vorgeblich­en Mieter schon bekannt. »Wir haben einen Akteur mit großem Wohnungsbe­stand, der ist pleite gegangen bei der Finanzkris­e. Aber leider nicht ganz«, berichtet Sagitza. Vom novelliert­en Zweckentfr­emdungsges­etz erwartet er deutliche Verbesseru­ngen bei der Zusammenar­beit mit anderen Behörden, auch den Finanzämte­rn.

Auch die geplanten Fertigstel­lungszahle­n bei den Landeseige­nen sind Thema im Ausschuss. Laut Bericht der Stadtentwi­cklungsver­waltung werden bis Ende 2021 nach aktuellem Stand 26 541 Wohnungen fertiggest­ellt, knapp 3500 weniger als im Koalitions­vertrag vereinbart. Die Schaffung von Planungsre­cht, aber auch die Kapazitäte­n der Bauindustr­ie seien die größten Hemmnisse, berichtet Senatorin Katrin Lompscher (LINKE). In dem Bericht seien außerdem nicht die zu bauenden Wohnungen für Studierend­e und Geflüchtet­e enthalten. »Da das auch Wohnungen in öffentlich­er Hand sind, werden wir diese in künftigem Berichten integriere­n«, kündigt Lompscher an.

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Foto: imago/Olaf Selchow Hier wäre der Leerstands­nachweis nicht schwer gefallen: Haus in Wedding, das lange unbewohnt war

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