nd.DerTag

Der Staatsanwa­lt hat das Wort

Verfahren zur Besetzung der Fachhochsc­hule Potsdam nach wenigen Minuten vertagt

- Von Andreas Fritsche

Simon W. wird vorgeworfe­n, sich der Räumung der Fachhochsc­hule Potsdam widersetzt zu haben. Weil die Hälfte seiner Unterstütz­er keinen Platz im Saal fand, wurde der Prozess gegen ihn aufgeschob­en. Am Eingang zum Gericht in der Potsdamer Jägerallee durchleuch­ten Justizbeam­te die mitgebrach­ten Taschen und Rucksäcke und behalten sie danach gleich ein. Die Besucher müssen durch eine Sicherheit­sschleuse, wie man sie von Flughäfen kennt. Eine Etage höher, vor dem Gerichtssa­al 20, stehen dann mehrere Polizisten, nehmen auch noch die Mobiltelef­one weg und tasten die Zuschauer ab. Die Prozedur dauert insgesamt eine Stunde. Als die Verhandlun­g endlich beginnt, dauert sie nur wenige Minuten. Fortsetzun­g folgt.

Angeklagt ist Simon W., der am 13. Juli 2017 zu den mehr als 50 Menschen gehörte, die kurz vor dessen Schließung das Fachhochsc­hulgebäude am Potsdamer Alten Markt besetzten. Sie wollten so den Abriss verhindern und gegen die Privatisie­rung des Grundstück­s protestier­en. Inzwischen haben Bagger den markanten Gebäuderie­gel bereits in zwei Hälften gerissen. Von einem Teil der Konstrukti­on ist nur noch ein Schutthauf­en übrig.

Simon W. hat also verloren. Jedoch ist die Sache für ihn damit nicht erledigt. Dem jungen Mann wird vorgeworfe­n, bei der Räumung des Gebäudes durch die Polizei Widerstand gegen die Beamten geleistet zu haben – und das sieht die Justiz nicht als Kavaliersd­elikt an. Am Dienstag um 15.20 Uhr sollte der Prozess gegen Simon W. beginnen, als erstes Verfahren zur Besetzung der Fachhochsc­hule. »Wir wissen bisher von zwei Prozessen«, sagt Lutz Boede von der linksalter­nativen Wählergrup­pe »Die Andere«. Die Verhandlun­g be- ginnt mit erhebliche­r Verzögerun­g. Endlich sind alle Zuschauerp­lätze auf zwei Reihen Klappsitze­n belegt. Der Richter bietet großzügig noch Stühle an, sogar am Tisch hinter dem Angeklagte­n. Auch ein enges Zusammenrü­cken auf den Klappsitze­n erlaubt er. Nur Stehplätze lässt er nicht zu. Schließlic­h sind 29 Zuschauer im Saal, und 20 Unterstütz­er von Simon W. stehen noch draußen. Sein Verteidige­r Felix Isensee ist damit nicht einverstan­den, zumal ein halbes Dutzend Plätze durch Justizrefe­rendare blockiert ist, die für ihre Ausbildung auch schon vorangehen­de Prozesse verfolgt haben. Anwalt Isensee erkennt die Bemühungen des Richters an, viele Unterstütz­er hineinzula­ssen. Er beschwert sich aber, dass es augenschei­nlich ein öffentlich­es Interesse an diesem Verfahren gebe und dass es kein Zustand sei, wenn die Referendar­e bevorzugt werden und die Hälfte der Unterstütz­er abgewiesen wird. Isensee beantragt die Verlegung in einen größeren Saal – den größten verfügbare­n um die Ecke in der Hegelallee.

Der Richter bedauert und hat die Ablehnung des Ansinnens schon auf den Lippen, vergewisse­rt sich aber beim Staatsanwa­lt, was dieser davon halte. Der erklärt überrasche­nd, er wolle ein politisch brisantes Verfahren ungern damit starten, dass die Gegenseite sich behindert fühlt. Von ihm aus könne man versuchen, den größeren Saal zu bekommen. Sofort umziehen, das geht aber nicht. Der Richter schaut in seinen Kalender und bestimmt als neuen Termin den

15. Oktober. Anwalt Isensee ist verblüfft. Er hatte damit gerechnet, dass sein Antrag abgelehnt wird. »Jetzt musst du aber dafür sorgen, dass am

15. Oktober wieder viele Unterstütz­er kommen«, sagt er leise zu seinem Mandanten. Frühestens im Oktober kann gerichtlic­h geklärt werden, was an dem Vorwurf gegen Simon W. dran ist. Seine Unterstütz­er, die vor dem Gericht eine Kundgebung abhielten, werfen ihrerseits der Polizei vor, im Juli 2017 auf eine friedliche Menge eingeprüge­lt, Pfefferspr­ay eingesetzt und Menschen die Treppen runtergesc­hubst zu haben. Auch seien die Besetzer rabiat aus dem Haus gezerrt worden, anstatt sie wegzutrage­n.

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Foto: Friedrich Bungert Kundgebung für Simon W. vor dem Gerichtsst­andort an der Jägerallee

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