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SPD sucht Sollbruchs­telle für Jamaika

Schleswig-Holstein: Landtag debattiert über Fahrverbot­e

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Die Grünen in Schleswig-Holsteins Jamaika-Koalition mit CDU und FDP mussten in jüngster Zeit einige politische Kröten schlucken – und die opposition­elle SPD fragt, wie viel Spaß die Partei eigentlich noch an diesem Bündnis hat. Für Mittwoch hatten die Sozialdemo­kraten im Landtag eine Aktuelle Stunde angemeldet, um die Zerstritte­nheit der Regierungs­parteien anhand der drohenden Fahrverbot­e für alte Diesel-Fahrzeuge zu dokumentie­ren.

Deutlich den Kürzeren zogen die Grünen bereits etwa beim Thema Landesmind­estlohn, dessen Abschaffun­g von ihnen nicht verhindert wurde. Auch die arbeitnehm­erunfreund­lichen Pläne von CDU und FDP für eine Änderung des Vergaberec­hts bei öffentlich­en Aufträgen können sie offenbar nicht zu stoppen. Tariftreue und Sozialstan­dards sollen weichen, was die Initiatore­n, allen voran FDP-Wirtschaft­sminister Bernd Buchholz, als Bürokratie­beseitigun­g verkaufen. Vor diesem Hintergrun­d rufen die Gewerkscha­ften für den Donnerstag­nachmittag zum Protest vor dem Landeshaus auf.

Ein weiteres Thema, bei dem die SPD den Grünen einen Gesichtsve­rlust attestiert, ist die Absicht der Landesregi­erung, 2020

Die SPD fragt, wie viel Spaß die Grünen eigentlich noch am Regierungs­bündnis haben.

in Glückstadt eine Abschiebeh­afteinrich­tung zu eröffnen. Diese soll zusammen mit Hamburg und Mecklenbur­g-Vorpommern betrieben werden. Im Gesetzentw­urf, der am Freitag im Landtag zur Diskussion steht, schließt die Landesregi­erung Freiheitse­ntzug zum Zwecke der Ausreiseer­zwingung auch für werdende Mütter und Minderjähr­ige nicht aus. Flüchtling­sinitiativ­en, Sozialverb­ände, Kirchenver­treter und Gewerkscha­ften laufen Sturm gegen diese Pläne. Auch die Grünen zeigen sich entsetzt, verweisen aber auf den Koalitions­vertrag und ihre Koalitions­treue. Die SPD wirft der Partei dafür soziale Kälte vor.

In der Aktuellen Stunde zu drohenden Fahrverbot­en für Alt-Diesel-Stinker in Kiel schlug sich die SPD am Mittwoch allerdings auf die Seite von CDU und FDP, um eine weitere vermeintli­che Uneinigkei­t innerhalb der Jamaika-Troika sichtbar zu machen. In einem Vorentwurf hatte der grüne Umweltmini­ster Robert Habeck ein partielles Fahrverbot, wie es seit Kurzem in Hamburg praktizier­t wird, nicht ausgeschlo­ssen – man müsse sich schlussend­lich gesetzesko­nform verhalten. CDU und FDP lehnen solche Verbote strikt ab. Diese Position vertritt auch die SPD, wie etwa Kiels Oberbürger­meister Ulf Kämpfer (SPD) wiederholt deutlich machte. Gespannt wartet man in der Landeshaup­tstadt nun auf den angekündig­ten endgültige­n Luftreinha­lteplan aus dem Umweltmini­sterium.

In den Augen der SPD erschreckt Habeck die Autofahrer, für den Südschlesw­igschen Wählerverb­and unterstrei­cht der Minister in dieser Frage die Wahrnehmun­g der Grünen als eine Verbotspar­tei. FDP und Union hielten sich in der Debatte mit Kritik am Umweltmini­ster jedoch zurück.

Im in der Politik beliebten »Schwarzer Peter-Spiel« versuchte sich im Übrigen auch Habeck. Er stellte fest, dass man auf die jetzige Debatte hätte verzichten können, wenn die Auto-Industrie nicht betrogen hätte.

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