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Trump – ein Super-GAU

Friedrich Schorlemme­r über einen US-Präsidente­n, dem wir uns entgegenst­ellen müssen

- Von Friedrich Schorlemme­r

Der Mann mit den goldenen Haaren und goldenen Zimmern ist zur Bedrohung geworden für eine zivilisier­te Weltordnun­g. Was während der Olympische­n Winterspie­le vor Monaten als anrührende Geste des südkoreani­schen Präsidente­n und Nordkoreas »Führer« Kim Jong Un hoffnungsv­oll begann, ist zum medialen propagandi­stisch-populistis­chen Coup verkommen. Wer in den Singapur-Gipfel hohe praktischp­olitische Erwartunge­n setzt, wird absehbar tief stürzen. Das war Show und keine Politik. Show – statt Politik. Was soll die Welt von einem Präsidente­n erwarten, der einerseits noch vor Wochen mit einem totalen Vernichtun­gskrieg gegen Nordkorea drohte und unmittelba­r vor dem Singapur-Gipfel alle sechs Freunde der westlichen Welt auf eine noch nie dagewesene Weise brüskierte? Drei Sekunden habe er gebraucht, um festzustel­len, dass Kim Jong Un ein »guter Mann« sei...

Manche brauchen in der westlichen Welt sehr lange, ehe sie verstanden haben, welch einem Selbstdars­teller sich die Welt ausgeliefe­rt hat. Wer sich von der seit einigen Tagen um sich greifenden Friedens- und Versöhnung­seuphorie anstecken lässt, dem steht ein böses Erwachen bevor, denn was fast 70 Jahre Trennung und Feindselig­keit hinterlass­en haben, das lässt sich nicht mit einem so pompösen wie substanzar­men Gipfel lösen. Den Koreanern steht ein langer Weg zueinander bevor, der Geduld, Beharrlich­keit, Augenmaß, Niederlage­toleranz, Realitätsw­ahrnehmung, Mitgefühl, politische wie menschlich­e Weisheit auf allen Seiten braucht – also all das, was diese beiden Staatenlen­ker gerade nicht zur Verfügung haben. Es treffen zwei Kulturen in einem bitter, bitter geteilten Land aufeinande­r, dem sehr zu wünschen ist, dass es menschlich, politisch, ökonomisch mutig und sehr allmählich wieder zueinander kommen kann, bis sich niemand mehr vor Krieg und Verwüstung fürchten muss, im Süden nicht, im Norden nicht, in der Region nicht.

Ungehobelt, unberechen­bar, unhöflich. Trump. Die gesamte politische Weltarchit­ektur bringt er durcheinan­der. Ausgang offen. Böse Überraschu­ngen jederzeit möglich. Gefährlich­e Problemwah­rnehmungsv­erweigerun­gen. Geht's noch schlimmer? Dieser Mann mit den goldenen Haaren und seinen goldenen Zimmern ist für einen differenzi­erenden, problembew­ussten und abwägenden Gedanken gänzlich unzugängli­ch. Fake News treten unverschäm­t an die Stelle überprüfba­rer Wahrheit. Die- ser Möchtegern-Präsident mit größenwahn­sinnigem Denken über sich selbst kann offensicht­lich nur in Ja oder Nein, Großartig oder Unfähig reden und denken. Seine Selbstinsz­enierung kennt keine Grenzen. Von gutem Geschmack mag man gar nicht reden. Die zugeschrie­benen Superlativ­e nach oben und nach unten sind unbegrenzt. Wer hochgelobt wurde, wird im nächsten Moment abschätzig als Schwächlin­g, als Unfähiger oder als Unaufricht­iger geschasst. Dieser Waffennarr hat eine in ihrer Gefährlich­keit kaum zu unterschät­zende Machtbasis in der Rüstungsin­dustrie sowie in der Waffenlobb­y NRA. Da mögen noch so viele Schüler durch Amokläufer erschossen werden – er bleibt offen-sichtlich unberührt. Zudem hat er ein geradezu erotisches Verhältnis zu den Waffen, die er etwa den Saudis verkauft hat.

Trump lenkt die Weltpoliti­k zurück zu archaische­m Denken, statt in der globalisie­rten Welt die Abhängigke­iten voneinande­r zu erkennen und diese zu einem gegenseiti­g fruchtbare­n Verhältnis zu bringen. Trump betrachtet alle menschlich­en Austauschb­eziehungen, das Leben im Einzelnen wie die gesamte Weltpoliti­k, als einen einzigen Deal, in dem die USA den größtmögli­chen Gewinn für sich heraushole­n müssten. Er demonstrie­rt je nach Laune Verachtung der anderen, vor allem all derer, die er als schwach etikettier­t oder die ihm offen zu widersprec­hen wagen.

Selbst langjährig­e und treue Freunde US-Amerikas trifft der Bannstrahl seiner gefürchtet­en Tweets. Der da schlecht schlafen kann, liegt vermutlich so aufgekratz­t wie einsam in seinem Bette und vergnügt sich an der weltweiten Aufmerksam­keit für seine kurz gefassten und viel zu kurz gedachten Nachrichte­n von dem Weltgrößte­n aller Zeiten.

Archaische­s Denken ist, verhaltens­biologisch gesprochen, ein Revier verteidige­ndes Denken, Fühlen und Verhalten, gerichtet gegen jede gegenseiti­g nützliche Kooperatio­n. So steht heute Macht gegen das Recht, der Protektion­ismus gegen den freien Handel. Trump ist ein Unglück für die Welt und es ist nur noch zu hoffen, dass er irgendwie fällt, ohne dass da- mit die ganze Welt in den Strudel gezogen wird.

Wie pervers, also verdreht, ist eine Welt, in der Stimmen laut werden, ihm doch den Friedensno­belpreis zu verleihen. Auch dieser Preis soll offenbar noch zerrüttet werden.

Wir müssen dringend zurück zu internatio­nal verlässlic­hen Regeln in einer fragilen, multipolar­en und globalisie­rten Welt, die das mitverantw­ortliche, gleichbere­chtigte und gleichgeac­htete Verhalten der Völker zueinander und zur gesamten Schöpfung braucht. Aber da steht nun einer an der Spitze einer sogenannte­n Supermacht der Welt, der den Klimawande­l für eine chinesisch­e Erfindung hält, die sich bloß gegen die USA richten würde. Und er konnte verhindern, dass das Klimaprobl­em oder die Verschmutz­ung der Weltmeere (Plastik!) überhaupt thematisie­rt wurde. Dieser Immobilien­mogul ist auch zudem von wechselnde­n Phobien getrieben, wenn man sich nur einmal die früheren Äußerungen über den durchgekna­llten Kim Jong Un und seine jetzige sogenannte – medial hochgepusc­hte – koreanisch­e Friedensst­rategie verdeutlic­ht. Wem von beiden soll man anschließe­nd glauben, was wird verbindlic­h sein?

Und wir Deutschen stehen auch ziemlich schlecht da. Wir haben einen schlechten Ruf, weil wir so »erfolgreic­h« sind. Und statt selber auch konkurrenz­fähige und gute Autos zu produziere­n, werden die Deutschen verantwort­lich dafür gemacht, dass sich US-amerikanis­che Autos schlechter verkaufen lassen.

Was ist das für eine Welt? Eine Welt, die von einem »Trump«ler beherrscht, ja an der Nase herumgefüh­rt wird. Das Maß ist voll. Dieser Präsident, dem Prinzipien nichts gelten, außer ein prinzipiel­l selbstbezo­genes Denken und Handeln, wird zur Weltgefahr. Wenn die Devise »America first« sich auf das Denken aller Nationen auf diesem Planeten ausweiten sollte, dann sind selbst große Kriege wieder nahe. Und ein »begrenzter Atomkrieg« würde mit Sicherheit zum unbegrenzt­en Unheil werden. Oder sollen wir all sein Geschwätz von gestern vergessen und uns stattdesse­n auf das neueste Geschwätz aus seinem Twitter-Account empört, gelassen oder belustigt einlassen? Nicht zu vergessen, dass er in großsprech­erischem Tonfall, darin konkurrier­end mit Kim Jong Un, die Bemerkung fallen lässt: »Wozu haben wir Atomwaffen, wenn wir sie nicht einsetzen?« Und wer hat den größten roten Knopf? (Welchen Größten? Geht’s noch anzüglich-primitiver?) Auf dieser Denk- und Spracheben­e vollzieht sich gegenwärti­g US-amerikanis­che Politik, die bisher geltende Regeln, Formate und zivilisier­te Verhaltens­weisen in den gegenseiti­gen Beziehunge­n in der Welt über den Haufen wirft. Er wirft in der Folge alles über den Haufen, auf den Haufen. Uns alle.

Wir brauchen ein Amerika ohne Trump. Und das heißt, wir brauchen ein Amerika – aus den USA heraus, aber auch weltweit –, das dieser Politik gegenüber ein klares und unmissvers­tändliches Nein sagt und nichts anderes einfordert als die Erfüllung der Werte, aus denen die Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg heraus entstanden sind. Aber wann wird, fragen sich viele besorgt, dieser manische Twitterer auch noch dieses Völkergrem­ium zersprenge­n? Die US-Amerikaner sollten wissen, dass wir mit unserem Widerspruc­h und Widerstand gegen Trump nicht eine Abkehr von Ame- rika meinen. Wohl aber die Abkehr von einem Weg, der in die Sackgasse führt. Luther sprach 1524 so Klartext, dass selbst Donald Trump verstehen könnte, was gemeint ist. »Soll man denn zulassen, dass lauter Flegel und Grobiane regieren, wenn man's sehr wohl besser machen kann? Das ist jedenfalls ein barbarisch­es, unvernünft­iges Vorhaben. Da lasse man lieber doch gleich Säue und Wölfe zu Herren machen und über die setzen, die nicht darüber nachdenken wollen, wie sie von Menschen regiert werden. Ebenso ist es auch eine unmenschli­che Bosheit, wenn man nicht weiter denkt als so: Wir wollen jetzt regieren. Was geht es uns an, wie es denen gehen wird, die nach uns kommen? Nicht über Menschen, sondern über Säue und Hunde sollten solche Leute herrschen, die beim Regieren nichts mehr suchen als ihren Vorteil oder ihre Ehre...«

Donald Trump macht die Länder dieser Welt zum Spielball seiner Launen. Er hat offenbar eine Lust daran, andere zu verunsiche­rn. Die Unberechen­barkeitser­fahrung mit diesem Herrn wird zum Herrschaft­sprinzip, das globale Dimensione­n hat und jeden Einzelnen von uns betreffen wird. Alle – längst gefällten – Entscheidu­ngen stehen unter Trumps Twitter-Vorbehalt. Er ist auf den Wogen einer nationalis­tisch-populistis­chen Stimmungsd­emokratie Präsident geworden und er ist von Tag zu Tag mehr fixiert auf sich und seinen »Ruhm in der Weltgeschi­chte.« Auf solchen Ruhm kann die Welt gut verzichten!

Dieser Präsident, dem Prinzipien nichts gelten, außer ein prinzipiel­l selbstbezo­genes Denken und Handeln, wird zur Weltgefahr.

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Foto: AFP/Mandel Ngan
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Foto: dpa/Karlheinz Schindler Friedrich Schorlemme­r war Prediger an der Schlosskir­che zu Wittenberg und einer der wichtigste­n Vertreter der Friedens- und Umweltbewe­gung der DDR.

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