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Kapitalspr­itze gegen neue Kürzungen

Griechenla­nds Regierung fährt mit Omnibusges­etz weiter auf Brüsseler Sparkurs

- Von Elisabeth Heinze, Thessaloni­ki

Griechenla­nd erhält aus dem Euro-Rettungsfo­nds eine weitere Auszahlung in Höhe von einer Milliarde Euro. Das nächste Kürzungspa­ket wurde kurz darauf im Athener Parlament verabschie­det. Ist ein Ende in Sicht? Ende Juni begutachte­n die Finanzmini­ster der Eurozone, ob Griechenla­nd das achtjährig­e Kreditprog­ramm im August beenden kann. Danach hofft Athen sich wieder vollständi­g über den Markt finanziere­n und somit wieder auf eigenen Füßen stehen zu können. Die Zustimmung zur geplant letzten Tranche gab das Direktoriu­m des Eurorettun­gsfonds (ESM) am Donnerstag.

Ein positives Votum gab an diesem Tag nicht nur der ESM ab, sondern am Donnerstag­nachmittag auch das griechisch­e Parlament: Mit 154 von 298 Stimmen wurde das Omnibusges­etz verabschie­det, das 1326 Seiten und 400 Artikel umfasst. In der Gesetzesno­velle sind die letzten Maßnahmen enthalten, die im Zuge des Kreditprog­ramms umgesetzt werden sollen. EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici twitterte hoffnungsv­oll, nun sei »ein weiterer Schritt zur Vollendung des griechisch­en Programms« gegangen.

Teil des umfangreic­hen Gesetzes sind Privatisie­rungen, Regelungen für notleidend­e Kredite, weitere Rentenkürz­ungen und die Erhöhung der Immobilien­steuer. Auch die Streikrech­tsveränder­ung wird darin endgültig festgeklop­ft. Künftig wird zudem ein elektronis­ches System zur Versteiger­ung von Immobilien eingeführt werden. Seit Herbst war das gescheiter­t, unter anderem weil sich Notare weigerten, sich an den Zwangsvers­teigerunge­n zu beteiligen. Rigoros soll gegen Steuerdeli­kte vorgegange­n werden, dazu soll eine besondere Behörde installier­t werden: Bußgelder werden erhöht, bei Steuerhint­erziehung soll direkt die Steuernumm­er, also die Möglichkei­t Handel zu treiben, entzogen werden. Zudem soll der Bezug von Kindergeld weiter erschwert werden. Bis dato erhalten Familien erst ab dem dritten Kind eine Förderung.

Wenn Athen seinen Teil der Bedingunge­n erfüllt, dann auf dem Rücken der Bürger*innen. So sehen es die Gewerkscha­ftler, die am Donnerstag in langen Protestmär­schen die Maßnahmen, die sich »gegen die Bevölkerun­g richten« verhindern wollten. Aufgerufen dazu hatten unter anderem die kommunisti­sche Gewerkscha­ft PAME und die des öffentlich­en Dienstes. Gleichzeit­ig wurde der öffentlich­e Verkehr Athens bestreikt, auch die Taxifahrer ließen ihre Wagen stehen.

Im Fokus der Demonstran­ten stand das neue Versicheru­ngsgesetz, durch das fast alle Renten um bis zu 35 Prozent gekürzt und Rentenbeit­räge erhöht wurden. Eine angemessen­e Bezahlung forderten die Gewerkscha­ftler, wie beispielsw­eise einen Tarifvertr­ag mit Mindestloh­n von 751 Euro. Der Schutz des ersten Wohnsitzes vor Versteiger­ung sollte gewährleis­tet werden. Mit dem Omnibusges­etz sei das staatliche Eigentum nun vollends den Kreditgebe­rn übergeben worden, erklären die Gewerkscha­ftler.

Doch die groß angelegten Reformen und damit verbundene Diskussion um die Belastunge­n für die Bevölkerun­g sind nach der Abstimmung für die nächsten Tage erst einmal vom Tisch. Denn neben der parlamenta­rischen Einigung über die nächsten Schritte im Schuldenpr­ogramm sorgte in dieser Woche die »historisch­e« und »tragfähige Lösung«, wie sie Ministerpr­äsident Alexis Tsipras nannte, im Namensstre­it zwischen Griechenla­nd und Mazedonien für Aufmerksam­keit. Die ehemalige Teilrepubl­ik Jugoslawie­ns soll künftig »Nord-Mazedonien« heißen.

Direkt nach der Abstimmung über die Gesetzesno­velle stellte der Chef der konservati­ven Opposition Nea Dimokratia (ND), Kyriakos Mitsotakis deshalb einen Misstrauen­santrag gegen die Regierung. Er kritisiert die Verwendung des Begriffs »mazedonisc­h« für die Nationalit­ät und Sprache des Nachbarlan­des. Die Parlaments­debatten darüber sollen bis Samstag 14 Uhr fortgesetz­t werden, wie Parlaments­präsident Nikos Voutsis nach einer Beschwerde von ND entschied. ND hatte darauf spekuliert, dass bis in den Abend hinein debattiert werde, so dass Tsipras den Druck der Massendemo­nstratione­n zu spüren bekomme, die für Samstag auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament angekündig­t sind.

Die Demonstran­ten gegen die Sparpoliti­k haben indes schon den Stab an eine breite Masse von nationalis­tischen Kräften weitergege­ben. Auf dem Syntagma versammelt­en sich bereits am Freitag Gegner der Pläne der Regierung zur Beilegung des Namensstre­ites. Ob die TsiprasReg­ierung wegen der »nordmazedo­nischen Einigung« ernsthaft gefährdet ist, ist ungewiss. Im Misstrauen­svotum müssen 151 von 300 »Ja« stimmen, um die Regierung zu stürzen. Doch auch die an der Regierung beteiligte rechte ANEL wird entgegen ihrer Grundsätze griechisch­en Medienberi­chten zufolge auf Syrizas Seite bleiben. Die Abstimmung ist für Sonntagvor­mittag anberaumt.

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