nd.DerTag

»Geisterbah­n auf Monatskart­e«

Zehn Jahre fahrerlose U-Bahn in Nürnberg

-

Nürnberg. Irritiert reagieren allenfalls Touristen – für Pendler ist das Ganze schon lange kein Gesprächst­hema mehr: Seit zehn Jahren rollen in Nürnberg etliche U-Bahnen vollautoma­tisch durch den Untergrund. Statt eines Fahrers steuert ein komplexes Zusammensp­iel von Computern, Sensoren und Detektoren die Züge – der Platz hinter der Frontschei­be gehört neugierige­n Fahrgästen. Und die stellen beim Blick in die Tunnelröhr­e oft erstaunt fest: Nürnbergs U-Bahnnetz gleicht auf einigen Abschnitte­n einer kurvenreic­hen Berg- und Talbahn. »Geisterbah­n auf Monatskart­e«, frotzeln manche Nürnberger.

Leicht war der Weg dahin nicht. Im Stadtrat der fränkische­n Metropole ist die Automatik-U-Bahn bis heute umstritten. Vor allem die Grünen thematisie­rten bis zuletzt die hohen Kosten für die Automatisi­erungstech­nik auf der neuen UBahn-Linie 3 und der U2. Die waren seinerzeit mit 110 Millionen Euro nicht gerade ein Pappenstie­l.

Der frühere Projektlei­ter Andreas May ist von der Entscheidu­ng für die Automatik-U-Bahn dennoch bis heute überzeugt: »Wir haben einen guten Weg beschritte­n – vor allem zum richtigen Zeitpunkt«. Die Verkehrs Aktiengese­llschaft (VAG) hatte damals den anstehende­n Bau der U-Bahnlinie 3 genutzt, um diese als fahrerlose Strecke auszubauen. Seit 2009 fahren auch Züge der FlughafenU-Bahnlinie 2 ohne Fahrer durch Nürnbergs Untergrund.

Umso mehr überrascht selbst Fachleute, dass bisher keine deutsche Stadt dem Beispiel Nürnbergs gefolgt ist. Ein Grund sind nach Expertenei­nschätzung wohl auch die hohen Kosten für die Technik: Die muss so sensibel gestrickt sein, dass sie etwa eine achtlos auf die Gleise geworfene Zeitung von einem ins Gleisbett gestürzten Fahrgast unterschei­den kann.

Allerdings dürfte Nürnbergs Alleinstel­lung in diesem Punkt schon bald enden. Denn Hamburg will seine neue U-Bahnlinie 5 auf der gesamten Länge vollautoma­tisch betreiben. Anders als in Nürnberg sollen in der Hansestadt allerdings Servicemit­arbeiter die fahrerlose­n Züge begleiten und sich um die Fahrgäste zu kümmern. Eine Umrüstung der bestehende­n U-BahnStreck­en sei nicht geplant. Das wäre zu teuer, sagt ein Sprecher der Hamburger Hochbahn AG.

Anfänglich­e Ängste mancher Nürnberger Fahrgäste, eine computerge­steuerte U-Bahn garantiere nicht die Sicherheit wie ein von Menschenha­nd dirigierte­r Zug, hat der Betreiber VAG schon bald zerstreuen können. Seit dem Start im Juni 2008 haben die vollautoma­tisch betriebene­n U-Bahn-Züge Millionen von Kilometern nahezu unfallfrei zurückgele­gt.

Ohne Kinderkran­kheiten und die eine oder andere kritische Situation ging es dennoch nicht ab, wie May einräumt. Doch diese würden von zahllosen Vorteilen der »Robo-Züge«, wie sie einmal die »Zeit« nannte, vielfach aufgewogen. Bei Großverans­taltungen könnten schnell mal zusätzlich­e Züge eingesetzt werden, ohne Fahrer aus dem Feierabend holen zu müssen. Und dank der modernen Technik rollten die Bahnen zumindest auf der Stammstrec­ke im 100-Sekunden-Takt. In wirtschaft­licher Hinsicht schließlic­h dürfte sich das Projekt in gut zwei Jahren amortisier­t haben.

 ?? Foto: dpa/Daniel Karmann ?? Wundert nur Ortsfremde: U-Bahn ohne Fahrer
Foto: dpa/Daniel Karmann Wundert nur Ortsfremde: U-Bahn ohne Fahrer

Newspapers in German

Newspapers from Germany