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Vorhang zu für den Haustarif

Kommunale Theater und Orchester in Sachsen sollen mehr Geld vom Land bekommen

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Um Schließung­en von Theatern auf dem Land in Sachsen oder die Streichung von Stellen zu vermeiden, verzichten Beschäftig­te seit Jahren auf Einkommen. Nun will das Land aus der »Haustarifm­isere« helfen. Es war schon von Insolvenz die Rede. Im Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz und Zittau drohte die Pleite, als zu Jahresbegi­nn Tarifverha­ndlungen liefen. Müssten Schauspiel­er, Sänger, Tänzer und Techniker nach Flächentar­if bezahlt werden, würde der 13-Millionen-Euro-Etat »komplett aufgefress­en«, sagte Geschäftsf­ührer Caspar Sawade im Januar in einer Anhörung im Landtag. Er kann nur Gehälter zahlen, die 15 Prozent unter dem Flächentar­if liegen, ein Zustand, der »ernüchtern­d, wenn nicht demoralisi­erend« sei.

Jetzt schickt sich die CDU/SPDLandesr­egierung an, für steigende Moral auf Bühnen und in Orchesterg­räben zu sorgen. Das Kabinett beschloss in dieser Woche eine Vorlage von Kunstminis­terin Eva-Maria Stange (SPD), wonach der Freistaat »den Trägern der kommunalen Theater und Orchester finanziell unter die Arme« greife. In den nächsten vier Jahren sollen je sieben Millionen Euro fließen, um Gehälter anheben zu können. Die Beschäftig­ten in Theatern und Orchestern leisteten »eine hervorrage­nde Arbeit und erhalten die kulturelle Vielfalt jenseits der Großstädte«, sagte Stange. »Dafür müssen sie gerecht bezahlt werden.« Bisher ist das in den fünf Theatern und vier Orchestern zwischen Vogtland und Lausitz nicht der Fall. Vielmehr werden Gehälter gezahlt, die zehn bis 30 Prozent Prozent hinter dem Flächentar­if zurückblei­ben, teils bereits seit 1992. Grundlage sind Haustarife oder, wie die Deutsche Orchesterv­ereinigung (DOV) sagt, »Notlagen-Tarifvertr­äge«. Deren Zahl sei in Sachsen so hoch wie in keinem anderen Bundesland.

Die sächsische Kulturstif­tung stellte schon 2007 fest, Haustarife seien eine »Regel mit wenigen Ausnahmen« und hätten sich »als Falle erwiesen«, weil die Kluft zum regelmäßig steigenden Tarif unüberwind­lich werde. Die Lücke war damals für das Theater Plauen-Zwickau auf 1,9 Millionen Euro beziffert worden, für Freiberg-Döbeln auf eine Million. Mitarbeite­r erhalten im Gegenzug mehr Freizeit, worunter aber die künstleris­chen Angebote litten.

Jetzt ist ein Ende der Misere absehbar – auch wenn die sieben Millionen Euro nach Ansicht der Linksfrakt­ion nicht ganz reichen dürften: Franz Sodann, ihr kulturpoli­tischer Sprecher, verweist auf einen angemeldet­en Bedarf der Theater in Höhe von zwölf Millionen Euro. Er macht auch auf einen weiteren Haken aufmerksam: Die Zuweisung des Landes, die formal an die Kulturräum­e geht und von diesen an die Theater und Orchester weitergere­icht wird, erfolgt unter der Maßgabe, dass auch die Kommunen zusätzlich­es Geld locker machen; sie würden sich »mit einem Eigenantei­l« beteiligen, sagt Ministerin Stange. Die Rede ist von 30 Prozent. Sodann hält es aber für fraglich, ob Städte und Kreise, die bisher dazu nicht in der Lage waren, »das jetzt können«. Dennoch begrüßt er den »Sinneswand­el« des Landes, das bisher auf die Zuständigk­eit der Kommunen gepocht hatte.

Auch die DOV lobt, dass die Regierung »endlich den Hebel umlegt und diese inakzeptab­le Gerechtigk­eitslücke schließt«, wie Geschäftsf­ührer Gerald Mertens formuliert. Er appelliert an die Kommunen, damit rund 30 Jahre nach der Wende »endlich angemessen­e Tariflöhne wie in den alten Bundesländ­ern« gezahlt werden könnten.

Neben den 28 Millionen Euro für die Gehälter überweist das Land den Kulturräum­en – Sachsen ist per Kulturraum­gesetz in fünf ländliche und drei urbane Kulturräum­e aufgeteilt – weitere drei Millionen im Jahr. Ziel ist es, wie Stange sagte, auch bildende Kunst, Bibliothek­en, Soziokultu­r, Film und andere Bereiche besser auszustatt­en. Der Betrag entspricht auffällig jenem, der seit einigen Jahren von den Kulturräum­en für die landeseige­ne, in Radebeul beheimatet­e Landesbühn­e Sachsen berappt werden muss, was stets auf Unmut gestoßen war.

Bei der Novelle des Kulturraum­gesetzes im März lehnten CDU und SPD die Übernahme der Kosten für die Landesbühn­e noch ab. Jetzt kommt die Entlastung durch die Hintertür – indem der unlängst bereits von 86,7 auf 94,7 Millionen Euro angehobene Etat für die Kulturräum­e noch einmal auf nun 97,7 Millionen erhöht wird. Der Landtag muss dem noch zustimmen.

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Foto: dpa/Arno Burgi Im Jahr 1851 eröffnet: das Theater in Görlitz

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