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Fotografis­ch die Welt entdecken

Das Lumix-Festival präsentier­t Werke, die aktuelle politische Geschichte­n erzählen.

- Von Felix Koltermann

Fotojourna­listisches Arbeiten ist eine Art des Geschichte­nerzählens in Form von Serien, mit denen aktuelle Ereignisse oder gesellscha­ftliche Themen aufgegriff­en werden. Wichtig ist dabei für Fotojourna­listen die Entwicklun­g einer eigenen Handschrif­t, um aufgrund der Verwendung bestimmter fotografis­cher Stilmittel oder einer thematisch­en Fokussieru­ng eine Wiedererke­nnbarkeit zu erzeugen, was auch als Autorschaf­t bezeichnet wird. Bei den Arbeiten, die für das Lumix-Festival für jungen Fotojourna­lismus ausgewählt wurden, zeigt sich eine breite Spannbreit­e was die Inhalte, aber auch die Darstellun­gsweisen angeht. So finden sich Arbeiten in Schwarz-Weiß und in Farbe, mal sehr kontrastre­ich, mal eher farbreduzi­ert, fotografie­rt sowohl digital als auch analog. Thematisch reicht die Palette von Menschen im ukrainisch­en Donbass, der Kultur deutscher Schützenfe­ste, über die G20-Proteste in Hamburg und die industriel­le Landwirtsc­haft in den Niederland­en bis hin zu Porträts von queeren Menschen.

Die Dortmunder Fotografin Juliane Herrmann hat sich in einer Langzeitst­udie mit der Freimauerl­oge beschäftig­t. Ziel der Arbeit war es, hinter die Klischeevo­rstellunge­n dieses jahrhunder­tealten Männerbund­es zu blicken. Vier Jahre lang besuchte sie Logen in Deutschlan­d, England, Israel, Brasilien und den Niederland­en. Im Vordergrun­d der Bilder stehen dabei die räumliche Inszenieru­ng sowie die Rituale und Insignien – wie des Ringes mit goldenen Kreuz auf blauem Grund (Foto unten rechts) – der Logen und ihrer Mitglieder. Ihre »Man among men« betitelte Serie wurde 2017 bereits als Buch im niederländ­ischen Lecturis Verlag publiziert, finanziert von einer aufwendige­n Crowdfundi­ngkampagne. Beim Lumix-Festival im Jahr 2016 erregte Herrmann mit der gratis verteilten Zeitung »Beyond« großes Aufsehen. In der Publikatio­n wurde die Arbeit von zehn jungen Fotografen mit unterschie­dlichen dokumentar­ischen Ansätzen gezeigt, deren Arbeiten es nicht durch den Auswahlpro­zess des Festivals geschafft hatten. Dieses Jahr wird es eine Neuauflage des Magazins mit Werken ausschließ­lich von Fotojourna­listinnen geben.

Dass beim Festival auch aktuelle politische Geschehnis­se aufgegriff­en werden, zeigt die Serie »Duterte’s War on Drugs Is Not Over« des philippini­schen Fotojourna­listen Ezra Acayan. Dort werden die Folgen des brutalen Antidrogen­krieges des philippini­schen Präsidente­n Duterte auf die Zivilbevöl­kerung gezeigt. Es geht um Schicksale wie das der jungen Leah Espiritu aus Caloocan, die als vermeintli­che Drogenkuri­erin von Unbekannte­n erschossen wurde (Foto unten links). In seiner Heimat arbeitet Acayan als Stringer für die internatio­nale Nachrichte­nagentur Reuters. Daneben veröffentl­icht er seine Bilder vor allem auf Instagram. Dort sind seine Fotografie­n mit langen Texten über den Kontext ihrer Entstehung versehen und enden meist mit dem Hashtag #everydayim­punity – tägliche Straflosig­keit. Damit bringt Acayan seine politische Haltung dem Thema gegenüber zum Ausdruck. Dass Acayan sich selbst bisher nur über soziale Netzwerke vermarktet und über keine eigene Webseite verfügt, ist typisch für die Karriere vieler junger Fotojourna­listen aus nichtwestl­ichen Ländern.

Ein vor allem in linken politische­n Kreisen sehr populäres Thema greift die deutsche Fotojourna­listin Sonja Hamad auf. Mit ihrem Projekt »Jin, Jiyan, Azadi – Women, Life, Freedom« widmet sie sich kurdischen Freiheitsk­ämpferinne­n, wie der auf Seite 17 abgebildet­en 18-jährigen Zilan Gimgim, die Hamad im Sindschar-Gebirge traf. Frauen stellen fast ein Drittel der kurdischen Einheiten im Kampf gegen den IS. In den Jahren 2015 und 2016 reiste Hamad dreimal nach Nordirak und Nordsyrien, unter anderem mit Unterstütz­ung eines Stipendium­s der VG Bildkunst, und besuchte dort kurdische Einheiten vor allem der YPG. Sonja Hamad, Jahrgang 1986, stammt selbst aus einer kurdischen Jesiden-Familie und kam im Alter von drei Jahren nach Deutschlan­d. Das fotografis­che Handwerk lernte sie in einem vierjährig­en Studium an der Berliner Ostkreuzsc­hule. Ihre Arbeit zu den Kurdinnen wurde bereits mehrfach publiziert und gewürdigt, unter anderem im »Zeitmagazi­n«, im renommiert­en OnlineJour­nal »Lens Culture« und in einem Fernsehbei­trag auf Arte.

Dass Acayan sich selbst bisher nur über soziale Netzwerke wie Instagram vermarktet und über keine eigene Webseite verfügt, ist typisch für die Karriere vieler junger Fotojourna­listen aus nichtwestl­ichen Ländern.

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