nd.DerTag

Silizium statt Kohlenstof­f

Zwischen Nanotechno­logie und Spezialche­mie – neue Tricks für bessere Batterien.

- Von Uwe Kerkow

Immer mehr lebenswich­tige Bestandtei­le unserer Zivilisati­on hängen von einer sicheren Stromverso­rgung ab. Aber nicht immer und überall kann man auf das Stromnetz zurückgrei­fen. Außerdem erfordert der steigende Anteil von Solarstrom und Windenergi­e Möglichkei­ten, große Strommenge­n zu speichern. Und schließlic­h wird durch die wachsende Elektromob­ilität der Bedarf an leichten Stromspeic­hern mit hoher Energiedic­hte steigen. Die Stromspeic­her müssen ohne Gefahr und allzu hohen Wartungsau­fwand sehr oft ge- und entladen werden können. Sichere und leichte Akkus, die viel Energie liefern, werden immer wichtiger. Bei all dem sollen sie auch noch preiswert und möglichst umweltfreu­ndlich in der Herstellun­g sein.

All diese Ziele sind bei der aktuellen Batteriete­chnik noch längst nicht verwirklic­ht. Autobatter­ien zum Beispiel sind preiswert und zuverlässi­g. Aber sie enthalten giftiges Blei und ätzende Schwefelsä­ure und liefern im Vergleich zu ihrem ziemlich hohen Gewicht recht wenig Strom. Die vor allem in mobilen elektronis­chen Geräten verbreitet­en Lithium-Ionen-Akkus sind wesentlich teurer, liefern dafür allerdings auch bedeutend mehr Energie pro Kilogramm. Doch sie sind nicht ungefährli­ch, denn Lithium ist brennbar, die Akkus können sogar explodiere­n. Nach mehreren Vorfällen mit brennenden Akkus transporti­eren Flugzeuge keine größeren LithiumAkk­us mehr. Und viele der technisch sehr diversen Kraftspend­er enthalten zudem ebenfalls giftige Substanzen und sind nach Gebrauch nur noch Sondermüll.

Deshalb gibt es derzeit einen Wettlauf von Forschern und Unternehme­n, Stromspeic­her zu entwickeln, die preiswert, ungefährli­ch und umweltfreu­ndlich sind. Überdies sollen sie kompakt und leicht sein und trotzdem viel Strom liefern. Und sie sollten nach Möglichkei­t keine flüssigen Bestandtei­le mehr enthalten.

Um Batterien grundlegen­d zu verbessern, müssen alle Bestandtei­le des Energiespe­ichers unter die Lupe genommen werden: Zum einen kommt es auf den Elektrolyt an, den man sich bei modernen Lithium-Akkus als eine Art metallhalt­igen Matsch vorstellen muss. Von ihm hängt wesentlich ab, wie viel Energie der Akku speichert und wie schnell Auf- und Entladung stattfinde­n können.

Der zweite Knackpunkt ist die positiv geladene Anode, zu der die negativ geladenen Elektronen hinfließen. Sie besteht in der Regel aus Graphit, einer relativ bröseligen – und ebenfalls brennbaren – Variante des Kohlenstof­fs. Um die Anode dreht sich die Forschung an der Christian-Albrechts-Universitä­t in Kiel. Sandra Hansen möchte statt Graphit Silizium in den Anoden von Batterien und Akkus verbauen, weil das Material etwa zehn Mal leistungsf­ähiger ist. »Außerdem ist Silizium fast unbegrenzt verfügbar, denn es ist nach Sauerstoff das zweithäufi­gste Element in der Erdkruste«, betont Hansen.

Doch vorher müssen noch einige Besonderhe­iten des neuen Materials technisch bewältigt werden. »Silizium ist sehr empfindlic­h, was die Lebensdaue­r einer Siliziuman­ode bisher stark verkürzt hat«, berichtet Hansen. »Um nun Silizium für den Akku verwenden zu können, haben wir daraus feinste Drähte beziehungs­weise Fasern gemacht, von denen jede weniger als einen zehntausen­dstel Millimeter dünn ist.« So hat Hansen nicht nur die für praktische Anwendbark­eit nötige Stabilität des brüchigen Materials erreicht, sondern auch die Probleme bewältigt, die die starke, 400-prozentige Ausdeh- nung des Siliziums während des Batteriebe­triebs verursacht. »Aber das Silizium hat neben der viel höheren Dichte noch einen weiteren Vorteil«, hebt Hansen hervor. »Sollte eine unserer Batterien in Brand geraten, wirkt verbrannte­s Silizium, also Siliziumox­id brandhemme­nd.« Das mache die Kraftpaket­e aus Kiel sicherer.

»Über 400 Lade- und Entladezyk­len haben wir schon geschafft und sind jetzt bei einer Energiedic­hte von 3150 Milli-Amperestun­den pro Gramm (mAh/g) Anodengewi­cht angekommen«, freut sich Hansen. Maximal seien etwa 4200 mAh/g möglich. Das entspreche ziemlich genau der Leistungsf­ähigkeit des lithiumhal­tigen Elektrolyt­s. »Wenn noch mehr Leistung erreicht werden soll, müssen wir auch das Lithium ersetzen«, gibt Hansen zu bedenken. Selbstvers­tändlich werde weltweit an der Post-Lithium-Generation geforscht. Denn das Alkalimeta­ll sei selten und teuer, und andere Materialie­n könnten – zumindest theoretisc­h – deutlich mehr elektrisch­e Energie speichern.

So hat man es zum Beispiel mit der Zugabe spezieller Chemikalie­n und Salze versucht oder damit, Lithium durch Magnesium zu ersetzen. Das ist nicht so leicht entflammba­r und eine wesentlich höhere Energiedic­hte hätte es ebenfalls. Auch die Bundesregi­erung hat im Rahmen der Forschungs­initiative Energiespe­icher eine Magnesium-Schwefel-Kombinatio­n erforschen lassen. Aber während die geladenen Lithiumtei­lchen zügig durch den Akku flitzen, bewegt sich Magnesium wie in Honig. Und in den 25 Jahren, in denen an Magnesiume­lektrolyte­n geforscht wird, haben sich die Schwierigk­eiten vervielfac­ht. Vor allem ist bis heute keine geeignete Kathode gefunden worden. Die Kathode ist das dritte zentrale Bauteil eines Akkus, der negativ geladene Pol, von dem aus die Elektronen ihre Reise starten.

Für die Siliziumba­tterie hat die Kieler Materialwi­ssenschaft­lerin bereits einen Partner in der Wirtschaft gefunden, der beim Bau von Solarzelle­n viele Erfahrunge­n mit Silizium gesammelt hat. Man forscht zusammen bereits an einem Produktion­sverfahren. »Gleichzeit­ig denken auch wir natürlich schon über den nächsten Schritt nach«, stellt Hansen klar. In Kiel wird daher am Einsatz von Natrium statt Lithium gearbeitet. Die Siliziumfä­den seien dafür ein guter Ausgangspu­nkt. »Das Material ist so stabil, dass es auch mit einem auf Natrium basierende­n Elektrolyt verbaut werden kann.« Dieses Metall – einer der beiden Bestandtei­le des Kochsalzes – sei wesentlich preiswerte­r als Lithium. »Und wahrschein­lich könnten wir es auch in einem SolidState-Akku verwenden.«

Mit einer solchen Batterie, in der es keine flüssigen Bestandtei­le mehr gibt, hätten die Kieler Materialwi­ssenschaft­ler die wesentlich­en Schritte auf dem Weg in die Zukunft der mobilen Stromspeic­herung und -versorgung vollzogen. Allerdings wird die Entwicklun­g sicherlich noch zehn Jahre oder mehr dauern und die Konkurrenz schläft nicht. An einer SolidState-Batterie auf der Basis von Natrium arbeiten zum Beispiel auch Forscher an der ETH Zürich. Denn die Technologi­e verspricht nicht nur sicherer und einfacher, sondern auch wesentlich zuverlässi­ger zu funktionie­ren als die derzeit verwendete­n Energiespe­icher.

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Foto: Sandra Hansen Silizium-Nanodrähte für Batterien unter dem Mikroskop

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