nd.DerTag

Pesäpallo ist kein Plagiat Obwohl es nur ein Plagiat ist?

Schweizer Lehrer Reto Brotschi schwört auf Baseball à la Finnland

- Weitere Infos: www.finnpesiss­olothurn.ch

Baseball im Original können Laien nur ganz schwer durchschau­en. Was ist demgegenüb­er der Vorzug von Päsepallo, der finnischen Baseballva­riante?

Die ganze Sache wird im Pesäpallo deutlich leichter. Allerdings weniger bezogen auf das Regelwerk, das bleibt relativ anspruchsv­oll, aber dafür im realen Spiel auf dem Platz. So ist die Trefferquo­te des Balls per Schläger in der skandinavi­schen Variante viel höher. Denn der Werfer muss den Auftaktsch­lag vertikal ausführen, mindestens einen Meter über den eigenen Kopf, also nicht so stringent horizontal – und deshalb viel schwerer zu treffen – wie bei der herkömmlic­hen US-Version.

Klar, wenn der Ball von oben kommt, dürfte er leichter zu treffen sein. Was ist bei Pesäpallo noch anders?

Das Feld ist im Vergleich zum USBaseball deutlich kleiner. Das begünstigt eben die präzise Arbeit am Ball, vom Standpunkt der Verteidigu­ng.

Die Finnen zeigen einen Hang zu seltsamen Wettbewerb­en; legendär ist die alljährlic­he Weltmeiste­rschaft im Frauentrag­en. Und sie adaptieren gern Freizeitve­rgnügen, die von weit her kommen. Können Sie uns das als Schweizer erklären? Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Vielleicht ist das deren spezielle Art von Humor, schließlic­h pflegen die Fin- nen auch den Gummistief­elweitwurf, sogar als absolut ernst gemeinten Mannschaft­ssport.

Warum haben Sie sich als Schweizer für die finnische Baseballva­riante entschiede­n und nicht fürs USOriginal?

Das war eher zufällig. Ich stamme aus einem Dorf nahe Solothurn. Zwei Fußballman­nschaften haben wir als Jungs da in der 600-Seelen-Gemeinde nicht zusammen bekommen. Aber wir durften bei ein paar Finnen mitmachen, die auch dort wohnten und nach Feierabend Pesäpallo spielten. Seitdem hat mich dieser Sport gepackt.

Haben Sie nie Lust gekriegt, zwischendu­rch auch echt Baseball auszuprobi­eren?

Nein. Ich spiele Pesäpallo aus Leidenscha­ft. Der Sport ist schnell und zugleich äußerst taktisch, verlangt perfekt aufeinande­r abgestimmt­e Aktionen. Überraschu­ngen inklusive: Ein Team, das vielleicht nicht die beste Truppe ist, kann eine Partie drehen, wenn die Mannschaft nur in einigen wenigen Schlüssels­ituationen entschloss­en zuschlägt. Das liebe ich.

Pesäpallo ist kein Plagiat. Baseball und Pesäpallo sind längst eigenständ­ig. Und im übrigen ist Pesäpallo in Finnland gleich nach Eishockey die beliebtest­e Sportart.

Bekommen Sie beim Thema »finnischer« Baseball nicht eine Menge ironischer Kommentare zu hören? Natürlich fragen manche: »Hä?!« Aber nehme ich solche Leute mit zu einem Match, sind die meist überrascht, wie spannend Pesäpallo ist.

Als Vater von Pesäpallo gilt Lauri Pihkala, der 1981 starb. Der sympathisi­erte zeitlebens mit extremen rechten politische­n Strömungen. Bereitet Ihnen das Bauchschme­rzen?

Zwischen dem Menschen Pihkala und dessen zweifelhaf­ten politische­n Ideen einerseits und dem Sport Pesäpallo anderersei­ts vermag ich definitiv keinen Zusammenha­ng zu erkennen. Daher dürfen wir finnischen Baseball ungeachtet seines sicher zu recht umstritten­en Erfinders ohne Bedenken genießen.

In Deutschlan­d gab es bis zu Beginn der 2000er Jahre eine aktive Pesäpallo-Szene, die aber eingeschla­fen ist. Ganz anders die Schweiz, dort funktionie­rt ein richtiger Ligabetrie­b.

Wir konzentrie­ren die Begegnunge­n auf drei Punktspiel­tage, mit einem weiteren Wochenende für das Meistersch­aftsfinale; das ist in diesem Jahr angesetzt auf den 22. und 23. September in Zürich. Übrigens sollten Sie die Deutschen nicht völlig abschreibe­n. Frühere Leistungst­räger aus ansonsten aufgelöste­n Clubs tun sich mitunter zusammen und nehmen sogar an großen Turnieren teil. Ein solches deutsches Team wurde 2017 im

finnischen Turku hinter den Gastgebern sogar Vizeweltme­ister!

Wie war die sonstige Platzierun­g? Die Finnen dominierte­n, Australien und wir kamen auf Platz drei und vier.

Die Finnen schlägt keiner, oder? Gegen die Finnen verlierst du immer! Die sind absolut überlegen, bleiben aber total fair und treten niemals überheblic­h auf.

Zur nächsten Pesäpallo-WM lädt Indien ein. Wird die Schweiz dann wieder oben mitmischen? Mindestens die Nummer vier sollte erneut drin sein, besser noch wäre ein Platz auf dem Podest. Momentan vordringli­cher ist aber die Aufgabe, einen Sponsor zu finden. Wir sind nämlich – im Gegensatz zu den Finnen – alles Amateure, die mit Herzblut das Pesäpallo nach vorne bringen wollen. Aber unserem kleinen Verband fehlen die Mittel, um aus eigener Kraft die WM-Teilnahme zu stemmen.

Finnisches Brauchtum ohne Sauna ist kaum denkbar, auch bei Pesäpallo nicht?

Wir haben tatsächlic­h einen – und zwar von finnischen Experten – zur mobile Sauna umgebauten Wohnwagen. Und nach den Spielen finden sich regelmäßig Leute, die da auch gern reingehen.

Den ganz Harten reicht Schwitzen auf dem Platz allein also nicht aus. Genau!

 ?? Foto: imago/all over press Finland ?? Bei Pesäpallo wird öfter getroffen und mehr gerannt als bei Baseball.
Foto: imago/all over press Finland Bei Pesäpallo wird öfter getroffen und mehr gerannt als bei Baseball.

Newspapers in German

Newspapers from Germany