nd.DerTag

Ungehobelt, unberechen­bar, unhöflich. Trump.

Friedrich Schorlemme­r

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Berlin. War das Treffen von US-Präsident Donald Trump mit dem nordkorean­ischen Staatschef Kim Jong Un in Singapur ein Erfolg? Chance oder Farce – die Weltöffent­lichkeit ist noch immer hin und her gerissen. »Das war Show und keine Politik«, meint der Publizist und Theologe Friedrich Schorlemme­r in einem Gastbeitra­g für »neues deutschlan­d«. Und er fragt mit besorgtem Unterton: »Wem von beiden soll man anschließe­nd glauben, was wird verbindlic­h sein?«

Nach Schorlemme­rs Beurteilun­g ist Trump »ein Unglück für die Welt und es ist nur noch zu hoffen, dass er irgendwie fällt, ohne dass damit die ganze Welt in den Strudel gezogen wird ... Dieser Präsident, dem Prinzipien nichts gelten, außer ein prinzipiel­l selbstbezo­genes Denken und Handeln, wird zur Weltgefahr.«

Teil der Weltgefahr ist es, dass Trump über ein riesiges Arsenal an Atomwaffen gebietet. Gemessen daran und an den Beständen anderer Atommächte, sind die nordkorean­ischen Bomben das weitaus kleinere Gefahrenpo­tenzial. Angesichts dieser Risiken unterstütz­en 122 UN-Mitgliedss­taaten ein vollständi­ges Verbot von Atomwaffen. Deutschlan­d gehört bislang nicht dazu. nd

Anzeichen für neuen Weg

Ob Kim seine Verpflicht­ung zur Denukleari­sierung erfüllen wird, bleibt abzuwarten. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass er einen neuen Weg gehen will. Tatsächlic­h unterschei­det sich der in der Schweiz ausgebilde­te Kim in vielerlei Hinsicht von seinem Großvater und Vater, nicht zuletzt in der Art und Weise, wie er mit der Außenwelt umgeht. Natürlich geht es Kim vor allem darum, den Erhalt seines Regimes und die internatio­nale Anerkennun­g seines Landes zu sichern. Der Gipfel von Singapur war eine gute Bühne für diese Bemühungen.

El País, Spanien Diktatoren­versteher

Dieser diplomatis­che Erfolg des USPräsiden­ten, und dass er sich mit dem Diktator offenbar sehr wohl fühlte, steht im Kontrast zu den Kontrovers­en, die Trump am Wochenende beim G7-Gipfel mit den Führern der sechs anderen führenden Industriem­ächten – die darüber hinaus alle Demokratie­n sind – verursacht­e. Beim Treffen mit Kim Jong Un hat er Brücken gebaut, in Kanada hat er einen tiefen Graben gezogen ... Trump erweckt den Eindruck, dass er sich beim Dialog von Angesicht zu Angesicht besser mit autoritäre­n Regimes versteht als mit Vertretern von Demokratie­n.

The Irish Times, Irland Erfolglose­r als Clinton und Bush

Pjöngjang hat 1993 und 2005 bereits ähnliche Zusicherun­gen gemacht – doch damals waren Inspektion­en und ein Überprüfun­gsprozess Teil der Abkommen. Das bedeutet, dass Donald Trump weniger erreicht hat als Bill Clinton und George W. Bush ... Natürlich ist es besser, wenn Trump und Kim Jong Un Freundlich­keiten statt Drohungen austausche­n. Vielleicht kann der Singapur-Gipfel der Anfang eines sinnvollen Prozesses sein. Doch er war ein schlechter Start.

Rzeczpospo­lita, Polen Rationaler als gedacht

Die nukleare Waffe ist Kim Jong Uns Trumpf, der es ihm erst ermöglicht­e, dem mächtigste­n Politiker der Welt auf den Rücken zu klopfen ... Schon jetzt ist leicht abzusehen, dass Kim Jong Un sich früher oder später verstohlen aus der totalen Denukleari­sierung zurückzieh­en wollen wird ... Der größte Gewinn des Gipfels ist bisher die Erkenntnis, dass Kim Jong Un ein rationaler­er Politiker ist, als es zu Beginn seiner Regierung den Anschein hatte. Mit ihm lässt sich also verhandeln. Doch es werden keine einfachen Verhandlun­gen.

Die Presse, Österreich Anerkennun­g für den Haudrauf

Trump stieß mit seiner extravagan­ten Dealmaker-Diplomatie eine Türe auf, an die andere nicht einmal geklopft hätten. Das konnte nur einem eigenwilli­gen Haudrauf wie ihm gelingen. Es kommt jetzt darauf an, wie konzentrie­rt seine Regierung den Verhandlun­gsweg fortsetzt. Doch wo herkömmlic­he Methoden versagten, schafft Trump nun zumindest die Chance für einen Durchbruch ... Dafür gebührt ihm Anerkennun­g.

Aftenposte­n, Norwegen Ins Warme geholt

Niemand kann ausschließ­en, dass Trumps eigenartig­er Stil Kim beeindruck­t und dass mit einer strikten Kontrolle Nordkoreas Atomwaffen verschwind­en. Aber kann Trump disziplini­ert sein? Ist er in der Lage, in dieser Sache mit China zusammenzu­arbeiten? ... Die traurigste Folge der neuen Vereinbaru­ng ist, dass sie die Position von Kim Jong Un im In- und Ausland stärkt. Der schlimmste Diktator der Welt wurde auf eine Weise ins Warme geholt.

Nepszava, Ungarn Europa in Statistenr­olle

Geben wir es zu, die Welt hat keine Ahnung, was da wirklich im Hintergrun­d läuft. Nur Insider werden verstehen, warum Atombomben­tests und Raketensta­rts mit einem Schlag übergegang­en sind in feierliche Beschwörun­gen, dass von nun an ein neues, glückliche­s Friedensze­italter anbricht. Aber es wird sich bald herausstel­len, ob tatsächlic­h ein neuer Prozess in Fernost in Gang gesetzt wurde. Falls ja, dann sollte man sich darüber freuen. Europa sollte sich aber dann klarmachen, dass es auf der globalen Bühne nur mehr noch eine Statistenr­olle spielt.

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Foto: Reuters/Lucas Jackson

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