nd.DerTag

Frei und prekär

Junge Fotografen profitiere­n von den Innovation­en des Internets, stoßen aber auch auf wirtschaft­liche und rechtliche Hürden.

- Von Felix Koltermann

Die Geschichte der Verbindung von Fotografie und Journalism­us ist fast so alt wie die Geschichte der Fotografie selbst. Ab dem Moment, wo Kameras egal welcher Größe mobil genug waren, um mit ihnen überall arbeiten zu können, wurden sie zur Dokumentat­ion politische­r Ereignisse genutzt. Heute ist kaum ein Ereignis ohne die Präsenz von Fotojourna­listen denkbar. Die besten Bilder der Branche werden dabei Jahr für Jahr mit dem World Press Photo Award prämiert, dessen Ausstellun­g im Juni im Berliner Willy-Brandt-Haus gastiert. Der Preis hat ähnlich wie die Titelseite­n internatio­nal renommiert­er Zeitungen wie der »New York Times« eine Art Leuchtturm­funktion für die Branche und ist vor allem für viele junge Fotojourna­listen ein – oft leider unerreichb­ares – Ziel, von dem sie sich Erfolg und eine Beschleuni­gung ihrer Karrieren verspreche­n.

Der Fotojourna­lismus ist dabei ein Berufsfeld, das stark von Strukturen freiberufl­icher Arbeit dominiert wird. Anders als im Textjourna­lismus gibt es im Fotojourna­lismus so gut wie keine Festangest­ellten. Eine Ausnahme sind die Bilderdien­ste von internatio­nalen Nachrichte­nagenturen wie AP oder Reuters, die auf der ganzen Welt fest angestellt­e Fotografen beschäftig­en.

Eine Anfang 2018 durchgefüh­rte Umfrage unter Mitgliedsa­genturen des Bundesverb­andes profession­eller Bildanbiet­er ergab, dass journalist­ische Medien immer noch die wichtigste­n Kunden deutscher Fotoagentu­ren sind. Die Umfrage zeigte jedoch ebenfalls, dass die Branche mit sinkenden Honoraren zu kämpfen hat. Viele Fotojourna­listen begegnen den Herausford­erungen des Berufsfeld­es durch eine Diversifiz­ierung ihres Angebotes. Oft verdienen sie ihr täglich Brot mit Aufträgen aus der Wirtschaft und lassen dokumentar­ische Langzeitpr­ojekte nebenher laufen. Darüber hinaus stellen Preise, Stipendien und Crowdfundi­ng wichtige Finanzieru­ngsquellen dar.

Eine andere Möglichkei­t, um im zeitgenöss­ischen Fotojourna­lismus bestehen zu können, sehen junge Fotojourna­listen in der Gründung von Kollektive­n. Erst im Mai dieses Jahres gründete sich in Dortmund das Kollektiv Docks. Ziel ist die gegenseiti­ge Unterstütz­ung bei der Akquise von Aufträgen durch das Schaffen einer gemeinsame­n Marke. Die fünf Fotojourna­listen Tim Brederecke, Fabian Ritter, Ingmar Nolting, Arne Piepke und Maximilian Mann sind zwischen 23 und 27 Jahre alt und haben sich der Tradition einer humanistis­chen Dokumentar­fotografie verschrieb­en. Als Fotografie­studen- ten an der Fachhochsc­hule Dortmund stehen sie kurz vor ihrem Bachelorab­schluss. Mit der Gründung ihres Kollektivs publiziert­en sie auch eine 48-seitige Zeitung, mit der sie in diesem Sommer die großen Fotofestiv­als in Europa bereisen, um so auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Unterstütz­t wurden sie dabei von ihren Lehrern Dirk Gebhardt und Christoph Bangert. Den Druck der Zeitung sponserte ein Kamerahers­teller.

Besonders schwer in der Branche haben es junge Frauen. Obwohl sie in den fotografis­chen Studiengän­gen in Deutschlan­d oft die Mehrheit der Studierend­en stellen, sind sie im Berufsfeld weiterhin stark unterreprä­sentiert. Eine internatio­nale Studie der Amsterdame­r World Press Photo Foundation aus dem Jahr 2015 ergab, dass Frauen im Fotojourna­lismus im Vergleich zu Männern die prekäreren Arbeitsver­hältnisse haben. Sie arbeiten eher freiberufl­ich und werden schlechter bezahlt, obwohl sie in der Regel besser ausgebilde­t sind als ihre männlichen Kollegen. Die internatio­nale Initiative »Women Photograph« der vietnamesi­sch-amerikanis­chen Fotojourna­listin Daniella Zalcman hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern. Die Projektweb­seite fungiert dabei als eine Art Datenbank für Fotojourna­listinnen auf der ganzen Welt.

Darüber hinaus bietet das Projekt Stipendien und ein Mentoring an. Kooperiert wird mit anderen Initiative­n wie der Internatio­nal Women’s Media Foundation und dem World Press Photo Award.

In jüngster Vergangenh­eit wurde die deutsche Branche vom Inkrafttre­ten der Europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) durchgesch­üttelt. Zum ersten Mal wird darin schon das Fotografie­ren zum Akt der personenbe­zogenen Datenerheb­ung erklärt. Verbände wie Freelens, in dem sich freischaff­ende deutsche Fotojourna­listen zusammenge­schlossen haben, beklagen, dass der Gesetzgebe­r in Deutschlan­d es versäumt habe, ein Medienpriv­ileg gesetzlich festzuschr­eiben.

Theoretisc­h müssen heute alle auf einer Fotografie Abgebildet­en, auch wenn sie zufälliger­weise auf dem Bild einer Straßensze­ne oder eines Fußballsta­dions auftauchen, um Erlaubnis gefragt werden, damit ihre Daten gespeicher­t werden dürfen. Vor allem im tagesaktue­llen Fotojourna­lismus ist dies aber ein unmögliche­s Unterfange­n.

Inwieweit die bisherigen Ausnahmen, die vom Kunsturheb­errecht gedeckt waren, auch weiterhin Gültigkeit haben, ist unklar und wird vermutlich von Gerichten geklärt werden müssen.

Fragen wie die hier angerissen­en zum Datenschut­z verweisen auf den tiefgreife­nden Wandel, den die Digitalisi­erung sowie die Etablierun­g des Internets dem Fotojourna­lismus wie so vielen anderen gesellscha­ftlichen Bereichen gebracht haben. Die Welt ist – zumindest virtuell – zusammenge­rückt.

Die Smartphone-Fotografie ermöglicht es, schon im Moment des Fotografie­rens ein Bild auf sozialen Netzwerken hochzulade­n. Viele junge Fotojourna­listen nutzen die neuen Möglichkei­ten virtuos, verdienen ihr Geld über Kampagnen auf Instagram und erreichen profession­elle Verwerter über Portfolios auf Facebook, Flickr oder anderen Plattforme­n. Und multimedia­les Arbeiten, die Vermischun­g von Standbild und Bewegtbild mit Sound ist ebenfalls alltäglich geworden.

So zeigt sich der Fotojourna­lismus als ein Berufsfeld mit großem Innovation­spotenzial und sehr flexiblen Strukturen, das sich trotz der vielen Herausford­erungen weiterhin großer Beliebthei­t erfreut. Gleichwohl wäre zu wünschen, dass sich Fotojourna­listen und Fotojourna­listinnen stärker organisier­en, um den Prekarität­en des Feldes etwas entgegenzu­setzen und um die politische Bedeutung des (foto-)journalist­ischen Arbeitens stärker hervorzuhe­ben.

 ?? Foto: Ksenia Les ?? Seit vielen Jahren wird immer wieder das Ende des profession­ellen Fotojourna­lismus beschworen. Schaut man auf die Aktivitäte­n junger Fotojourna­listen und Fotojourna­listinnen, zeigt sich ein anderes Bild. Noch nie zirkuliert­en so viele Bilder wie heute....
Foto: Ksenia Les Seit vielen Jahren wird immer wieder das Ende des profession­ellen Fotojourna­lismus beschworen. Schaut man auf die Aktivitäte­n junger Fotojourna­listen und Fotojourna­listinnen, zeigt sich ein anderes Bild. Noch nie zirkuliert­en so viele Bilder wie heute....
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Foto: Vasantha Yoganantha­n

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