Frei und prekär
Junge Fotografen profitieren von den Innovationen des Internets, stoßen aber auch auf wirtschaftliche und rechtliche Hürden.
Die Geschichte der Verbindung von Fotografie und Journalismus ist fast so alt wie die Geschichte der Fotografie selbst. Ab dem Moment, wo Kameras egal welcher Größe mobil genug waren, um mit ihnen überall arbeiten zu können, wurden sie zur Dokumentation politischer Ereignisse genutzt. Heute ist kaum ein Ereignis ohne die Präsenz von Fotojournalisten denkbar. Die besten Bilder der Branche werden dabei Jahr für Jahr mit dem World Press Photo Award prämiert, dessen Ausstellung im Juni im Berliner Willy-Brandt-Haus gastiert. Der Preis hat ähnlich wie die Titelseiten international renommierter Zeitungen wie der »New York Times« eine Art Leuchtturmfunktion für die Branche und ist vor allem für viele junge Fotojournalisten ein – oft leider unerreichbares – Ziel, von dem sie sich Erfolg und eine Beschleunigung ihrer Karrieren versprechen.
Der Fotojournalismus ist dabei ein Berufsfeld, das stark von Strukturen freiberuflicher Arbeit dominiert wird. Anders als im Textjournalismus gibt es im Fotojournalismus so gut wie keine Festangestellten. Eine Ausnahme sind die Bilderdienste von internationalen Nachrichtenagenturen wie AP oder Reuters, die auf der ganzen Welt fest angestellte Fotografen beschäftigen.
Eine Anfang 2018 durchgeführte Umfrage unter Mitgliedsagenturen des Bundesverbandes professioneller Bildanbieter ergab, dass journalistische Medien immer noch die wichtigsten Kunden deutscher Fotoagenturen sind. Die Umfrage zeigte jedoch ebenfalls, dass die Branche mit sinkenden Honoraren zu kämpfen hat. Viele Fotojournalisten begegnen den Herausforderungen des Berufsfeldes durch eine Diversifizierung ihres Angebotes. Oft verdienen sie ihr täglich Brot mit Aufträgen aus der Wirtschaft und lassen dokumentarische Langzeitprojekte nebenher laufen. Darüber hinaus stellen Preise, Stipendien und Crowdfunding wichtige Finanzierungsquellen dar.
Eine andere Möglichkeit, um im zeitgenössischen Fotojournalismus bestehen zu können, sehen junge Fotojournalisten in der Gründung von Kollektiven. Erst im Mai dieses Jahres gründete sich in Dortmund das Kollektiv Docks. Ziel ist die gegenseitige Unterstützung bei der Akquise von Aufträgen durch das Schaffen einer gemeinsamen Marke. Die fünf Fotojournalisten Tim Brederecke, Fabian Ritter, Ingmar Nolting, Arne Piepke und Maximilian Mann sind zwischen 23 und 27 Jahre alt und haben sich der Tradition einer humanistischen Dokumentarfotografie verschrieben. Als Fotografiestuden- ten an der Fachhochschule Dortmund stehen sie kurz vor ihrem Bachelorabschluss. Mit der Gründung ihres Kollektivs publizierten sie auch eine 48-seitige Zeitung, mit der sie in diesem Sommer die großen Fotofestivals in Europa bereisen, um so auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Unterstützt wurden sie dabei von ihren Lehrern Dirk Gebhardt und Christoph Bangert. Den Druck der Zeitung sponserte ein Kamerahersteller.
Besonders schwer in der Branche haben es junge Frauen. Obwohl sie in den fotografischen Studiengängen in Deutschland oft die Mehrheit der Studierenden stellen, sind sie im Berufsfeld weiterhin stark unterrepräsentiert. Eine internationale Studie der Amsterdamer World Press Photo Foundation aus dem Jahr 2015 ergab, dass Frauen im Fotojournalismus im Vergleich zu Männern die prekäreren Arbeitsverhältnisse haben. Sie arbeiten eher freiberuflich und werden schlechter bezahlt, obwohl sie in der Regel besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen. Die internationale Initiative »Women Photograph« der vietnamesisch-amerikanischen Fotojournalistin Daniella Zalcman hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern. Die Projektwebseite fungiert dabei als eine Art Datenbank für Fotojournalistinnen auf der ganzen Welt.
Darüber hinaus bietet das Projekt Stipendien und ein Mentoring an. Kooperiert wird mit anderen Initiativen wie der International Women’s Media Foundation und dem World Press Photo Award.
In jüngster Vergangenheit wurde die deutsche Branche vom Inkrafttreten der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) durchgeschüttelt. Zum ersten Mal wird darin schon das Fotografieren zum Akt der personenbezogenen Datenerhebung erklärt. Verbände wie Freelens, in dem sich freischaffende deutsche Fotojournalisten zusammengeschlossen haben, beklagen, dass der Gesetzgeber in Deutschland es versäumt habe, ein Medienprivileg gesetzlich festzuschreiben.
Theoretisch müssen heute alle auf einer Fotografie Abgebildeten, auch wenn sie zufälligerweise auf dem Bild einer Straßenszene oder eines Fußballstadions auftauchen, um Erlaubnis gefragt werden, damit ihre Daten gespeichert werden dürfen. Vor allem im tagesaktuellen Fotojournalismus ist dies aber ein unmögliches Unterfangen.
Inwieweit die bisherigen Ausnahmen, die vom Kunsturheberrecht gedeckt waren, auch weiterhin Gültigkeit haben, ist unklar und wird vermutlich von Gerichten geklärt werden müssen.
Fragen wie die hier angerissenen zum Datenschutz verweisen auf den tiefgreifenden Wandel, den die Digitalisierung sowie die Etablierung des Internets dem Fotojournalismus wie so vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen gebracht haben. Die Welt ist – zumindest virtuell – zusammengerückt.
Die Smartphone-Fotografie ermöglicht es, schon im Moment des Fotografierens ein Bild auf sozialen Netzwerken hochzuladen. Viele junge Fotojournalisten nutzen die neuen Möglichkeiten virtuos, verdienen ihr Geld über Kampagnen auf Instagram und erreichen professionelle Verwerter über Portfolios auf Facebook, Flickr oder anderen Plattformen. Und multimediales Arbeiten, die Vermischung von Standbild und Bewegtbild mit Sound ist ebenfalls alltäglich geworden.
So zeigt sich der Fotojournalismus als ein Berufsfeld mit großem Innovationspotenzial und sehr flexiblen Strukturen, das sich trotz der vielen Herausforderungen weiterhin großer Beliebtheit erfreut. Gleichwohl wäre zu wünschen, dass sich Fotojournalisten und Fotojournalistinnen stärker organisieren, um den Prekaritäten des Feldes etwas entgegenzusetzen und um die politische Bedeutung des (foto-)journalistischen Arbeitens stärker hervorzuheben.