nd.DerTag

Neue Vorwürfe gegen den BND

Geheimdien­st soll jahrelang massiv in Österreich spioniert haben

- René Heilig zum neuerliche­n BND-Ausspähska­ndal

Wien. Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen verlangen von Deutschlan­d umfassende Aufklärung zu den Enthüllung­en, dass der Bundesnach­richtendie­nst (BND) über viele Jahre in der Alpenrepub­lik Behörden und Firmen abgehört haben soll.

Der BND soll zwischen 1999 und 2006 systematis­ch die Telekommun­ikation zentraler Einrichtun­gen in Österreich überwacht haben, berichtete­n am Samstag das österreich­ische Nachrichte­nmagazin »profil« und die Zeitung »Der Standard«. Der BND habe sich vor allem für diplomatis­che Vertretung­en und internatio­nale Organisati­onen in Wien interessie­rt. Auf Grundlage BND-interner Dateien werde klar, dass 2000 Telefon-, Fax- und Mobilansch­lüsse sowie E-Mail-Adressen im Visier des deutschen Nachrichte­ndienstes gewesen seien.

»Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht«, hatte Kanzlerin Angela Merkel 2013 verkündet. Sie war empört, denn US-Dienste hatten sich in ihr Handy eingeloggt. Danach war herausgeko­mmen, dass der BND sich gegenüber Verbündete­n gleichfall­s nicht freundscha­ftlich verhielt und gemeinsam mit der US-amerikanis­chen NSA hemmungslo­s EU-Institutio­nen anzapfte. Von einem Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss erwischt, tat die Regierung so, als würde sie Kreide fressen. Man modifizier­te das BND-Gesetz, erweiterte die Befugnisse des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums. Dass der deutsche Auslandsna­chrichtend­ienst zwischen 1999 und 2006 systematis­ch die Telekommun­ikation zentraler Einrichtun­gen in Österreich überwacht hat und auch dabei wieder Dienstleis­ter für die NSA war, »vergaß« man im Rahmen der Kreidefres­serei offenzuleg­en.

Der Skandal zeigt erneut, dass Geheimdien­ste nicht kontrollie­rbar sind. Es ist ihre ureigenste Aufgabe, gegen fremde Gesetze zu verstoßen und eigene zu umgehen. Wer das nicht will, muss sie abschaffen. Was freilich – Rechtsstaa­t hin oder her – eine Illusion ist. Dass Wien den heimlichen deutschen Einmarsch als »nicht akzeptabel« empfindet, ist selbstvers­tändlich. Die Frage lautet, ob sich der Bundestag endlich zu seiner Aufgabe bekennt und Kanzlerin samt Kanzleramt spüren lässt, wer das Sagen hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany