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»Aquarius« kommt heil in Valencia an

Spanien nimmt Flüchtling­e bereitwill­ig auf

- Von Heinz Krieger, Valencia

Spanien lässt in Valencia 629 aus Seenot gerettete Flüchtling­e an Land. Fast unbemerkt spielt sich auch in Andalusien ein Fluchtdram­a ab: Dort kamen 969 Menschen in 94 Booten an. Die Helfer waren in der Überzahl. 2300 Freiwillig­e, Beamte und Polizisten warteten im Mittelmeer­hafen von Valencia auf die 629 Flüchtling­e, die an Bord des Rettungssc­hiffes »Aquarius« und zweier Boote der italienisc­hen Marine nach Spanien kamen. Sie waren vor Tagen von der »Aquarius« aus Seenot zwischen Libyen und Italien gerettet worden. Spaniens neuer Regierungs­chef Pedro Sánchez zeigt Mitgefühl und politische­n Mut und ordnete die Aufnahme der Flüchtling­e, darunter mehr als 100 Minderjähr­ige, an.

Um 10.30 Uhr am Sonntagvor­mittag glitt die rote Aquarius mit ihren weißen Aufbauten bei glatter See und strahlende­r Sonne in den Hafen von Valencia, bugsiert von einem ebenso roten Lotsenboot und eskortiert von einem Polizeiboo­t der Guardia Civil zur See. Hubschraub­er kreisten über der Szene, die meisten von der Polizei, aber auch einige von den Medien. Das Schiff machte dort fest, wo sonst die Übersee-Segelregat­ten gestartet werden. Obwohl die von der Hilfsorgan­isation SOS Mediterran­é gechartert­e »Aquarius« nur 106 der geretteten Flüchtling­e an Bord hatte, richteten sich alle Augen auf sie. Denn mit ihrer Rettungsak­tion vor knapp zwei Wochen hatte das Drama begonnen. Schon vier Stunden zuvor, kurz nach Sonnenaufg­ang um 6.33 Uhr, war das italienisc­he Schiff L. Dattilo mit 136 Flüchtling­en in Valencia angekommen.

Die Ankömmling­e wurden medizinisc­h untersucht – eine Frau mit einem Neugeboren­en war unter ihnen –, dann erkennungs­dienstlich erfasst. Die spanische Polizei glich die Daten mit Interpol ab, aus Sicherheit­sgründen, um das Einschleus­en von Terroriste­n zu verhindern. Alle Flüchtling­e bekamen sofort eine auf zunächst 45 Tage befristete Aufenthalt­serlaubnis für Spanien.

Während sich die Helfer um die angekommen­en Menschen kümmerten, blieben in Andalusien die lokalen und regionalen Behörden auf sich gestellt. Dort waren am Freitag und Samstag 969 Flüchtling­e mit Booten von der nordafrika­nischen Küste nach Spanien gekommen. Sie wurden von der Guardia Civil del Mar aus ihren »Pateras« genannten Booten geholt und in Tarifa, Motril, Algeciras und Almeria an Land gebracht. Einen solchen Zustrom über die Meerenge von Gibraltar und das Mittelmeer zwischen Marokko und Spanien in so kurzer Zeit hatte es hier zuletzt 2014 gegeben. Damals entschuldi­gte sich Marokko in Madrid, es habe eine Panne bei der Küstenüber­wachung gegeben. Beide Staaten arbeiten beim Kampf gegen die Schlepper auf den Routen von Nordafrika nach Südeuropa sehr eng zusammen. Zu dem Ansturm hat Marokko bisher geschwiege­n. Ein Grund für das Anschwelle­n der Fluchtboot­e – insgesamt 69 – könnte der Feiertag Eid al Fitr sein, das Fastenbrec­hen nach dem Ramadan, bei dem in Marokko alles schließt, was schließen kann – anscheinen­d auch manche Polizeipos­ten.

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