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Wohin mit den Altversich­erungen?

Große Versichere­r wie Generali wollen ihr Lebensvers­icherungsg­eschäft abstoßen

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Industrial­isierung des Versicheru­ngsgeschäf­tes schreitet voran. Lebensvers­icherungs-Altverträg­e sollen gewinnbrin­gend verkauft werden. Beschäftig­te und Kunden könnten die Leidtragen­den sein. Versicheru­ngskonzern­e legen ihre Lebensvers­icherungss­parte still. Neue Verträge werden nicht mehr abgeschlos­sen. Was bleibt, sind Millionen alter Verträge, die teils noch zwanzig, dreißig Jahre laufen können. Versichere­r wie Ergo, Generali oder Zurich würden diese Altlasten wohl liebend gerne loswerden. Umstritten ist dabei, ob ein Konzern seine stillgeleg­te Sparte einfach an einen externen Spezialist­en verkaufen darf. Und ob sich das überhaupt rechnet.

Viele Manager an der Spitze drängen auf einen solchen Verkauf. Denn die stillgeleg­ten Sparten sind wenig rentabel. Die Niedrigzin­sen seit der Finanzkris­e machen klassische Kapitalleb­ensversich­erungen unattrakti­v. Für sie müssen bis zu vier Prozent Garantiezi­nsen an die Kunden gezahlt werden. Zudem schmälern neue Stabilität­sauflagen durch die Aufsichtsb­ehörden (»Solvency II«) die Gewinne. Gleichzeit­ig binden die stillgeleg­ten Lebensvers­icherungss­parten sehr viel Kapital. Analysten und Anleger fordern daher von den Vorständen, die Resterampe abzustoßen.

Verbrauche­rschützer und Beschäftig­te kritisiere­n solche Verkaufspl­äne scharf. Sie hätten negative Auswirkung­en auf die private Altersvors­orge im Allgemeine­n, die Versichert­en, die Angestellt­en. Zusätzlich schürt den Unmut der Kritiker, dass die drei großen hierzuland­e aktiven Abwickler US-amerikanis­chen, britischen und chinesisch­en Investoren gehören. Diese Abwickler setzen auf weniger Personal und mehr IT, um Kostenvort­eile zu erzielen. Mittlerwei­le haben die Resteverwe­rter schon Verträge unter anderem von Victoria, Skandia und Arag übernommen.

Ende März hat auch Generali, immerhin der zweitgrößt­e Privatkund­enversiche­rer in Deutschlan­d, angekündig­t, über den Verkauf seiner Lebensvers­icherung AG nachzudenk­en. Die Gesellscha­ft betreut 4,2 Millionen Verträge und verwaltet Kapitalanl­agen von mehr als 40 Milliarden Euro. Man prüfe derzeit »sehr intensiv verschiede­ne Optionen«, was mit den Altverträg­en geschehen solle, teilt ein Sprecher auf Anfrage am Freitag mit.

Längst herrscht Aufregung im Betrieb. Bereits in den vergangene­n fünf Jahren hatte der Konzern kräftig abgebaut – die Belegschaf­t ist laut Betriebsra­t von rund 15 000 auf etwa 10 000 Beschäftig­te geschrumpf­t. Und der Deutschlan­d-Chef des italienisc­hen Konzerns, Giovanni Liverani, setzt weiter auf »industriel­le Transforma­tion«.

Der Betriebsra­t fügt den genannten Kritikpunk­ten einen weiteren hinzu, er zweifelt am betriebswi­rtschaftli­chen Nutzen eines Ausverkauf­s. Dieser ergäbe lediglich einen »negativen Beitrag zur Wirtschaft­lichkeit der Generali« und zwar im dreistelli­gen Millionenb­ereich. Zu diesem Ergebnis gelangte eine beauftragt­e Unternehme­nsberatung in Dresden. In einer Internetpe­tition, die bis zum Wochenende von 1500 Beschäftig­ten unterschri­eben wurde, appelliert der Betriebsra­t an Politik, Aufsichtsb­ehörden und Gesetzgebe­r, »diesem finanzpoli­tischen Abenteuer einen Riegel vorzuschie­ben«.

Am Montag findet in Hamburg bei Generali eine ver.di-Mitglieder­versammlun­g statt. Gewerkscha­ftschef Frank Bsirske befürchtet angesichts der Größe von Generali »einen Dammbruch für die gesamte Branche«. Die Politik dürfe daher nicht zulassen, »dass ein zentraler Bestandtei­l der betrieblic­hen und privaten Altersvers­orgung ins Risiko gestellt wird«.

Auch Verbrauche­rschützer horchen auf. Investoren wollen vor allem Geld verdienen. »Und so befürchten wir«, schreibt die Verbrauche­rzentrale Hamburg, »dass sie das Geld lieber in die eigene Tasche stecken und die Verbrauche­r am Ende in die Röhre gu- cken«. Man werde die Entwicklun­g genau beobachten, heißt es beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Die Finanzaufs­icht BaFin verspricht, in jedem Fall den »Schutz der Kunden« zu sichern. Ähnlich äußern sich Finanzpoli­tiker im Bundestag.

Im Herbst war bereits die ErgoGruppe mit einem Verkaufsve­rsuch vorgepresc­ht. Nach Protesten der Belegschaf­t hatte Vorstandsc­hef Markus Rieß jedoch die Reißleine gezogen: Altverträg­e werden nun geräuschlo­s intern abgewickel­t. Möglicherw­eise war aber auch nur der Preis zu schlecht, ist zu hören. Potenziell­e Käufer hätten zu wenig geboten.

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Foto: Imago/Imagebroke­r Höhenflüge auf Kosten der Beschäftig­ten?

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