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Gelder für mehr Gemeinwohl

In Deutschlan­d sind die Vorschläge der zukünftige­n EU-Agrarpolit­ik umstritten

- Von Haidy Damm

Ab 2020 beginnt die neue Förderperi­ode der EU-Agrarzahlu­ngen. Die Vorschläge aus Brüssel hierzu sind am Montag Thema beim Ratstreffe­n der Agrarminis­ter in Luxemburg. In Deutschlan­d sind sie umstritten. Die Anfang Juni veröffentl­ichten Vorschläge von EU-Agrarkommi­ssar Phil Hogan zur Zukunft der Agrarzahlu­ngen stoßen in Deutschlan­d bisher nicht auf Begeisteru­ng. Hogan will die Förderung nicht nur kürzen, sondern die Agrarpolit­ik neu organisier­en. So sollen die Mitgliedst­aaten die ihnen zugedachte­n Mittel flexibler einsetzen können. Vorgaben will Brüssel nur im Rahmen wirtschaft­licher, ökologisch­er und sozialer Ziele machen. Hierfür soll jedes Land eigene Pläne einreichen. Das Prinzip der zwei Säulen soll beibehalte­n werden, bis zu 15 Prozent davon könnten aber flexibel übertragen werden.

Wie eine stärkere Orientieru­ng am Gemeinwohl aussehen soll, ist nicht nur innerhalb der EU höchst umstritten, auch zwischen dem deutschen Umwelt- und dem Landwirtsc­haftsminis­terium gibt es Differenze­n. Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) will das Zwei-Säulen-Modell einschließ­lich der Einkommens­sicherung beibehalte­n und lehnt auch eine Kappungsgr­enze ab. Im Umweltmini­sterium ist man dagegen »nicht glücklich« mit den Vorschläge­n aus Brüssel. Obwohl die Direktzahl­ungen ineffizien­t ausgestalt­et seien, werde an ihnen festgehalt­en, bemängelte Umweltstaa­tssekretär­in Rita Schwarzelü­hr-Sutter (SPD). Stattdesse­n werde der Rotstift bei Natur- und Umweltschu­tz angesetzt, das sei nicht zustimmung­sfähig.

Doch was heißt ein Kurswechse­l in der Gemeinsame­n EU-Agrarpolit­ik (GAP)? Der Wissenscha­ftliche Beirat für Agrarpolit­ik beim Landwirtsc­haftsminis­terium plädierte in seiner Anfang Juni veröffentl­ichten Stellungsn­ahme für eine konsequent­e Orientieru­ng an Gemeinwohl­zielen in den Bereichen Umwelt-, Klima und Tierschutz sowie der ländlichen Entwicklun­g. Der Beirat kritisiert zudem die einseitige Fokussieru­ng auf die Stützung der landwirtsc­haftlichen Einkommen bei den Direktzahl­ungen und fordert, diese in den kommenden zehn Jahren schrittwei­se abzuschaff­en. Sie seien 1992 als Kompensati­on für die Absenkung von Interventi­onspreisen eingeführt worden. »Eine solche Kompensati­on kann zeitlich vorübergeh­end sinnvoll sein, heute sind die Direktzahl­ungen jedoch ein historisch­es Artefakt«, heißt es in der Stellungna­hme. Um die Akzeptanz für einen Ausstieg zu erhöhen, schlagen die Wissenscha­ftler für den Übergangsz­eitraum eine nationale Kofinanzie­rung der Direktzahl­ungen vor. Der neuen Chefin im Agrarminis­terium dürften die Vorschläge ihres Beirats nicht gefallen.

Auch Umweltverb­ände fordern einen starken Fokus auf die Gemeinwohl­aufgaben der Landwirtsc­haft. Die bisherigen Vorschläge böten für einen echten Kurswechse­l keine ausreichen­de Grundlage, kritisiert­e Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzend­er des Bundes Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW). »Klöckner muss darauf drängen, dass Steuergeld künftig die Bauern unterstütz­t, die Bienen, Klima und Umwelt schützen, anstatt pauschal Landbesitz zu belohnen.«

Auch die Grünen nannten die Vorschläge »niederschm­etternd«. Es sei absurd, dass mit wenigen Millionen Euro versucht werde, die Natur zu erhalten und zu reparieren, während die industriel­le Landwirtsc­haft als Hauptverur­sacher für das Artensterb­en mit Milliarden Euro jährlich subvention­iert werde. Zwar wollen die Grünen die Direktzahl­ungen nicht ganz abschaffen, sie fordern aber, dass die Gelder durchgehen­d an gesellscha­ftliche Leistungen gebunden werden – also etwa an Natur-, Umwelt-, Klimaund Tierschutz.

Ebenfalls eine stärkere Orientieru­ng am Gemeinwohl fordern die Linksfrakt­ionen in einem gemeinsame­n Diskussion­spapier zur GAP. Sie sprechen von einem »dringenden Paradigmen­wechsel«, der die »strategi- schen Fixierung auf Export und Wettbewerb­sfähigkeit auf einem Weltagrarm­arkt mit Dumpingbed­ingungen« beende, so die agrarpolit­ische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Kirsten Tackmann. Allerdings dürfe das Gemeinwohl nicht nur die Tiere, sondern müsse auch den Menschen im Blick haben. Das Prinzip »öffentlich­es Geld für öffentlich­e Leistungen« solle neben ökologisch­en Leistungen auch für Arbeitsplä­tze in den Betrieben gelten. Seien diese Bedingunge­n erfüllt, brauche es auch keine Kappungsgr­enzen für Großbetrie­be, so Tackmann, die ebenfalls am Modell der Einkommens­sicherung festhalten will. Tackmann kritisiert­e gegenüber »nd« grundsätzl­ich das »Geschäftsm­odell der Investoren­landwirtsc­haft«, das sie sowohl vom Flächenerw­erb als auch von der Agrarförde­rung konsequent ausgenomme­n sehen will. Dem bisherigen Vorschlag fehle eine konsequent­e Unterstütz­ung ortsansäss­iger Landwirtsc­haftsbetri­ebe in ihrem Abwehrkamp­f gegen Agrarholdi­ngs, gerade in Ostdeutsch­land.

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