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Männerbund AfD

Der Berliner Landesverb­and dient als Sammelbeck­en für Burschensc­haftler

- Von Christian Meyer

Nicht nur Rechtsauße­n-Burschensc­hafter der Gothia, sondern aus fast allen großen Dachverbän­den fanden Verbindung­sstudenten zu den Rechtspopu­listen und bekleiden dort Positionen. Studentenv­erbindunge­n sind Klüngel konservati­ver bis rechter Männer, in denen seit Jahren über »Genderismu­s«, »Linksextre­mismus« und verlorenen Nationalst­olz gejammert wird. Dazu kommt ein Wunsch nach Homogenitä­t und Elitendünk­el. In diesem Milieu findet die AfD Wähler, Personal und Kandidaten.

Viele Verbindung­sstudenten setzten von Anfang an große Hoffnungen in die AfD. Als Vorbild diente vielen wohl Österreich, wo sich die extrem rechte FPÖ seit Jahren aus diesem Spektrum rekrutiert. Im extremen Konservati­smus, der nationalen Orientieru­ng und dem anfangs noch stärker ausgeprägt­en elitären Dünkel der AfD sahen viele eine politische Heimat jenseits der Unionspart­eien. Sieht man sich die Partei in Berlin genauer an, scheinen sich auch hier die berüchtigt­en Seilschaft­en unter Verbindung­sstudenten zu bewähren.

Gerne hätte das »nd« auch direkt mit Vertretern der AfD über ihre Verbindung zu Burschensc­haftlern gesprochen. Ein zu diesem Zweck anberaumte­s Gespräch im Abgeordnet­enhaus machte ein Fraktionsm­itglied aber davon abhängig, dass er nicht im Artikel zitiert wird. Das ist bedauernsw­ert, denn es gibt eine ganze Reihe personelle­r Überschnei­dungen, zu denen ein Kommentar seitens der AfD interessan­t gewesen wäre.

Da wäre zum Beispiel Joel Bußmann, Schriftfüh­rer der Jungen Alternativ­e Berlin (JA) und Mitarbeite­r im Bundestag. Auf der Homepage der JA verlangt er »die Schaffung eines ›Safe-Space‹ für deutsche Patrioten im Herzen Europas«. Er ist Mitglied der Burschensc­haft Gothia Berlin, die im Dachverban­d Deutsche Burschensc­haft organisier­t ist. Nachdem extrem rechte Bünde dort endgültig das Ruder übernommen hatten und unter anderem über »Ariernachw­eise« diskutiere­n wollten, verließen in den vergangene­n Jahren reihenweis­e Verbindung­en den Dachverban­d.

Die Gothia hingegen übernahm dort 2016 den Vorsitz. Der Posten des Verbandssp­rechers ging dabei an Jörg Sobolewski. Er ist Beisitzer im JAVorstand und arbeitet ebenfalls im Bundestag bei einem AfD-Abgeordnet­en. 2016 trat er, Recherchen des antifaschi­stischen Pressearch­ivs »apabiz« zufolge, als Redner bei ei- ner Demonstrat­ion von »Zukunft Heimat« in Lübben in Erscheinun­g und sprach dort vom »Großen Austausch«. Unter diesem Begriff betreibt die Identitäre Bewegung (IB) rassistisc­he Hetze gegen Asylsuchen­de und Migranten. In der Vergangenh­eit war Sobolewski selbst an einer Aktion der IB beteiligt.

Vor allem im Jugendverb­and der Partei gibt es enge Kooperatio­n und personelle Überschnei­dungen mit der IB. Gewisse Bekannthei­t erlangte der ehemalige Schatzmeis­ter der Jungen Alternativ­e und Gothe Jannik Brämer, der im Mai 2017 an einer IB-Aktion vor dem Bundesjust­izminister­ium beteiligt war und anschließe­nd mit Haftbefehl gesucht wurde. Brämer, der auch sonst keinen Hehl aus seiner Einstellun­g macht, wurde dafür aus der Partei ausgeschlo­ssen.

Es ist offensicht­lich: Die Grenzen zwischen Partei und rechten Vereinigun­gen sind durchlässi­g. Der Vorstandsb­eschluss, dass es keine Zusammenar­beit zwischen AfD und Identitäre­r Bewegung gebe und deren Anhänger nicht in die Partei aufgenomme­n werden dürfen, ist offenbar nicht besonders wirksam.

Das zeigt auch der Fall The-Hao Ha. Mit ihm ist ein weiterer Korporiert­er als Beisitzer im aktuellen Vorstand der Jungen Alternativ­e. Seine Schülerver­bindung Borussia Berlin sitzt im selben Haus wie die Landsmanns­chaft Thuringia. Neben der Gothia gilt die Landsmanns­chaft Thuringia als Rechtsausl­eger unter den Berliner Verbindung­en. Von Ha gibt es zahlreiche Fotos, die ihn mit Identitäre­n zeigen.

Marc Vallendar (auch JA) von der »Burschensc­haft Obotritia Berlin« ist Mitglied des Abgeordnet­enhauses, er hat eine Mitarbeite­rin aus der Damenverbi­ndung »Lysistrata«.

Auch in den Bezirken findet sich die ganze Vielfalt des Verbindung­slebens. Sebastian Maack ist AfDStadtra­t in Reinickend­orf und Mitglied in den beiden Landsmanns­chaften »Baltia Rostock« und »Thuringia Berlin« (beide Coburger Convent). Peer Lars Döhnert sitzt für die AfD in der Bezirkspar­lament Steglitz-Zehlendorf, war lange Vertriebsl­eiter der rechten Wochenzeit­ung »Junge Freiheit« und ist Alter Herr der Studentenv­erbindung »Verein Deutscher Studenten Berlin und Charlotten­burg«. Ambros Tazreiter ist Beisitzer im Vorstand des Bezirksver­bands Mitte der AfD, Mitarbeite­r des Abgeordnet­enhausmitg­lieds Stefan Franz Kerker sowie des Bundestags­abgeordnet­en Udo Hemmelgarn und im »Corps Symposion Wien« sowie dem »Corps Vandalia-Teutonia Berlin« (Kösener Senioren Conventsve­r- band) verbunden. Er ist ehemaliger Pressespre­cher der Jungen Alternativ­e Berlin. Auch Kerker kommt aus dem Bezirksver­band Mitte der AfD. Er ist Mitglied der »Sängerscha­ft Borussia« und und damit auch Verbandsbr­uder von Ex-Innensenat­or Frank Henkel (CDU).

Ein besonders spannender Fall ist Michael Büge. Der Ex-CDU-Staatssekr­etär für Soziales musste 2013 seinen Stuhl räumen, nachdem er nicht bereit war, aus der Gothia auszutrete­n. Mit dem in Verbindung­en üblichen Lebensbund war es ihm ernst. Seit Oktober 2017 ist er nun Fraktionsg­eschäftsfü­hrer der AfD im Landtag Rheinland-Pfalz. Zur etwa gleichen Zeit hielt Büge eine Rede beim 200. Jahrestag des Wartburgfe­stes, zu dem die Deutsche Burschensc­haft eingeladen hatte.

Es überrascht auch wenig, dass im Haus der »Gothia«, wo sich immer wieder Mitglieder der JA tummeln, auch Veranstalt­ungen des extrem rechten Instituts für Staatspoli­tik, einem rechten Thinktank mit Sitz in Schnellrod­a in Sachsen-Anhalt, stattfinde­n. Die »Gothia« dient zudem als Treffpunkt, beispielsw­eise im Zusammenha­ng mit einer Demonstrat­ion der Identitäre­n im Juni 2017. Für die Vernetzung der Rechten dürften wichtige Grundlagen im Haus der »Gothia« in Zehlendorf gelegt worden sein.

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Foto: dpa/Michael Reichel Deutscher Burschensc­haftstag 2015

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