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Don Quijote und der Hering

Mecklenbur­g-Vorpommern: Kutter- und Küstenfisc­her fordern Ausgleichs­zahlungen

- Von Martina Rathke, Negast

Wachsende Robbenbest­ände, ein drohendes Fangverbot für den Hering, der geplante Ausschluss der Fischerei aus der Nationalpa­rkKernzone – die Fischerei sieht sich einer komplexen Problemlag­e. Die Kutter- und Küstenfisc­her in Mecklenbur­g-Vorpommern fordern Ausgleichs­zahlungen, sollte die EU ein Fangverbot für den Hering in der westlichen Ostsee beschließe­n. »Unsere Fischer haben einen berechtigt­en Anspruch auf Ausgleichs­zahlungen durch die nicht von der Fischerei verursacht­en Verluste«, sagte der scheidende Vorsitzend­e des Landesverb­andes der Kutter- und Küstenfisc­her, Günter Grothe, am Freitag auf dem Landesfisc­hereitag in Negast. Die Zukunftspr­obleme der Kutter- und Küstenfisc­herei seien keinen Zentimeter kleiner geworden, im Gegenteil. Er kritisiert­e den geplanten Ausschluss der Fischerei aus der Kernzone des Nationalpa­rks Vorpommers­che Boddenland­schaft. Alternativ schlug er die Einrichtun­g von Fischereis­chutzgebie­ten vor, in denen es keinen Pipeline- oder Windkrafta­nlagenbau gibt.

Der Internatio­nale Rat für Meeresfors­chung (ICES) hatte für 2019 ein Fangverbot für den Hering empfohlen. Beschlosse­n wird dies im Oktober vom EU-Ministerra­t. Agrarminis­ter Till Backhaus (SPD) bezeichnet­e den Vorschlag im Vorfeld des Fischereit­ages als »verantwort­ungslos«. Er hatte sich in einem Schreiben an Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) gewandt.

»Man kommt sich inzwischen vor wie Don Quijote«, sagte der Hiddenseer Fischer Steffen Schnorrenb­erg. Die Lage sei so deprimiere­nd wie noch nie. Die Verluste durch die Zunahme der Robbenbest­ände seien enorm. »Von einer Tonne gefangenen Hering sind 200 Kilogramm angefresse­n.« Komme es zu dem Ausschluss der Fischerei aus dem Nationalpa­rk, würden ihm und anderen Kollegen die Fanggebiet­e genommen. »Wir wollen nicht Millionäre werden, wir wollen nur unsere Familien ernähren.« Agrar-Staatssekr­etär Jürgen Buch- wald kündigte eine Prüfung der geplanten Fischereib­eschränkun­gen im Nationalpa­rk an. Fachleute sagen allerdings, dass 50,1 Prozent des Nationalpa­rks nutzungsfr­ei sein müssen, so Buchwald.

Der EU-Abgeordnet­e Werner Kuhn (CDU) sieht Spielräume für Stilllegun­gsprämien und Fangausfal­lzahlungen, sollte es zu einem Fangverbot oder zu drastische­n Kürzungen in der Heringsfis­cherei kommen. Er bezeichnet­e die Empfehlung des ICES zudem als gezielte Attacke gegen die deutsche und dänische Fischerei. Kuhn kündigte Widerstand gegen die drohende Schließung der Nationalpa­rkkernzone für die Fischerei an. »Ein Fischer ohne Fanggebiet ist wie ein Bauer ohne Acker.« Er schlug eine Abstufung des Nationalpa­rks in einen Naturpark vor.

Sowohl beim Heringsbes­tand der westlichen Ostsee als auch bei den Dorschbest­änden der Ostsee beobachten Fischereib­iologen seit mehreren Jahren Probleme beim Nach- wuchs. Die Forscher des Thünen-Instituts für Ostseefisc­herei sehen den Rückgang der Heringslar­venprodukt­ion im Zusammenha­ng mit dem klimabedin­gten Anstieg der Wassertemp­eraturen im Greifswald­er Bodden, der als »Kinderstub­e« des Heringsbe- Werner Kuhn (CDU, Europa-Abgeordnet­er standes der westlichen Ostsee gilt. »Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die Produktivi­tät des Herings langfristi­g geringer sein wird«, sagte Institutsd­irektor Christophe­r Zimmermann.

Die Fischer kritisiere­n die Bauarbeite­n im Greifswald­er Bodden, wie den Bau der Nord-Stream-Pipeline und die Verlegung der Stromtrass­e für Offshore-Windparks. Systematis­ch seien in den vergangene­n Jahren damit Laichplätz­e weggebagge­rt worden.

Nach Angaben des Landesagra­rministeri­ums schaut die Kutter- und Küstenfisc­herei auf ein durchschni­ttliches Fischereij­ahr 2017 zurück. Die Jahresgesa­mterlöse in Höhe von 9,95 Millionen Euro entsprache­n demnach dem Durchschni­ttserlös der zurücklieg­enden fünf Jahre. Seit dem Jahr 2002 sei jedoch ein Erlösrückg­ang um 30 Prozent zu verzeichne­n. Vor allem in der Dorschfisc­herei hätten der Quotenrück­gang und sinkende Preise zu Erlöseinbr­üchen geführt.

Im vergangene­n Jahr gaben nach Ministeriu­msangaben vier weitere sogenannte Haupterwer­bsfischer in der Kutter- und Küstenfisc­herei das Handwerk auf. Die Zahl sank damit auf 230 Betriebe. Zur Wende wurden noch 1390 Haupterwer­bsfischer gezählt.

»Ein Fischer ohne Fanggebiet ist wie ein Bauer ohne Acker.«

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Foto: dpa/Jens Büttner Ein Fischkutte­r fährt auf der Ostsee in Richtung Timmendorf auf der Insel Poel.

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