nd.DerTag

Tausend Stimmen

- Vs mit dpa

Berlins

Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) hat derzeit einen Nach-Nachfolger für Frank Castorf an der Volksbühne zu finden. Das ist nicht ganz einfach. Das Haus am Rosa-LuxemburgP­latz ist mittlerwei­le Kristallis­ationspunk­t ausufernde­r Debatten um die Zukunft des Theaters überhaupt und um dessen Bezug zum Politische­n. Und dass dazu so ziemlich jeder eine Meinung hat, der oder die mit Theater, Tanz, Performanc­e sowie mit Kulturund gar Stadtpolit­ik im Allgemeine­n irgendwie befasst ist oder befasst sein will, wurde am Wochenende bei einem zweitägige­n Kongress in der Berliner Akademie der Künste deutlich, der sich tausendsti­mmig mit nichts anderem befasste als mit der Zukunft dieses Hauses.

Wer ist zum Beispiel eigentlich das »Volk« in »Volksbühne«, wer kann und soll das werden? Wie lassen sich alle möglichen kulturelle­n und politische­n Wünsche, die sich auch widersprec­hen können – von queer über postkoloni­al bis gentrifizi­erungskrit­isch – mit einem nicht minder bunten Strauß an konzeption­ellen Vorstellun­gen verbinden, nach denen zwar ein klassische­s festes Ensemble her muss, aber zugleich auch eine ganz neue Offenheit für freie Projekte und Genres jenseits des klassische­n Sprechthea­ters?

Der Präsident des Deutschen Bühnenvere­ins, Ulrich Khuon, sagte etwa, das Theater habe eine »wunderbare Truppe«, müsse aber offen sein für andere Darstellun­gsformen wie Performanc­e. Zugleich forderte er mehr »Transparen­z«, was sich wohl mit »Mitsprache« übersetzen lässt. Für andere mag Khuons Vorstellun­g hingegen nach Dercon light riechen, denn mit einer solchen »Öffnung« war der ja angetreten. Für wieder andere – wie Esther Slevogt von »Nachtkriti­k« – muss der DerconGeis­t erst einmal exorziert werden: Durch eine »Entschuldi­gung« des Regierende­n Bürgermeis­ters Michael Müller (SPD), dessen Staatssekr­etär Tim Renner auf die Idee gekommen war.

Dass sich Lederer bisher auf Formeln zurückzieh­t – »die Volksbühne muss im Kern erst mal eines leisten – hervorrage­ndes Theater zu spielen«, liegt da nahe. Und dass, wie er sagt, die Suche länger als bis zum Jahresende dauern könnte, klingt schon optimistis­ch. Schließlic­h muss er auch den Gesichtspu­nkt im Auge behalten, dass sich das Ganze nach dem ja nicht zuletzt finanziell­en DerconDesa­ster wieder irgendwie rechnen lassen muss.

Im Hintergrun­d derweil ein gewisser Frank C., der die Vorstellun­g genießen dürfte, vielleicht sogar mit Popcorn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany