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Rechtsruck­präsident

Kolumbiens Linke will als starke Opposition im Kongress und auf den Straßen die Regierung Duque kontrollie­ren

- Von Madlen Haarbach, Bogotá

Mit Iván Duque wird Kolumbiens Friedenspr­ozess komplizier­ter.

In Kolumbien kommt es mit der Amtseinfüh­rung von Iván Duque am 7. August zu einer Rechtsvers­chiebung. Vorgänger Juan Manuel Santos handelte das Friedensab­kommen aus, das Duque in Teilen inakzeptab­el findet. Die sozialen Bewegungen halten daran fest.

Der Traum ist geplatzt, dass in Kolumbien mit Gustavo Petro erstmals ein Linker als Präsident die Amtsgeschä­fte führt. Die sozialen Bewegungen lassen sich indes nicht beirren und halten am Widerstand fest. Tränen laufen über die Gesichter der Unterstütz­er Gustavo Petros. Bis zum letzten Moment hatten sie gehofft, dass das fast Unmögliche möglich werden könnte: dass Petro, der linke Außenseite­r, Ex-Guerillero und gescholten­e Ex-Bürgermeis­ter der Hauptstadt Bogotá aus dem Nichts die Präsidents­chaft erobern könnte. Nun, als die Zwischenbe­richte der Wahlkommis­sion veröffentl­icht werden und sich immer deutlicher der Sieg des rechtskons­ervativen Kandidaten Iván Duque abzeichnet, sieht man in den Augen der Anwesenden Ernüchteru­ng.

Kurz scheint es, als sei der Traum vom sozialen Wandel geplatzt. Etwa eine Stunde, nachdem das offizielle Endergebni­s Duque als Sieger festschrei­bt, ändert sich die Stimmung schlagarti­g. Petro betritt die Bühne des Kongressze­ntrums im Herzen Bogotás und fordert: »Lassen wir die Traurigkei­t, wir haben heute erlebt, wozu wir fähig sind.« Der Kampf für ein menschlich­eres Kolumbien müsse weitergehe­n, im Parlament und auf den Straßen des Landes. Fortan wolle er die »Opposition der alternativ­en Kräfte« als Senator anführen. Zahlreiche Politiker verschiede­ner liberaler Parteien weiß er bereits hinter sich. »Ich heiße Gustavo Petro und ich will euer Anführer sein!«, ruft er seinem frenetisch jubelnden Publikum zu. Statt Ernüchteru­ng zeigt sich nun: Hoffnung. Und so erwartet Duque auch außerhalb des Parlamente­s eine gut organisier­te Opposition.

Bereits während seiner Wahlkampag­ne hatte Petro eine breite gesellscha­ftliche Basis um sich geschart. Vorwiegend junge Menschen warben mit Fahrradtou­ren, Flyern und Ampel-Flashmobs für sein »Menschlich­es Kolumbien«. Die Kollektive setzen nun ihre Arbeit einfach fort – und haben schon einmal die Kommunalwa­hlen im kommenden Jahr im Blick. »Wir wurden unser ganzes Leben lang von Politikern regiert, die unsere politische­n Werte nicht teilten«, sagt Esteban Guerrero von der Initiative »Ojo a la Paz«. Im Grunde sei die Situation nun die gleiche wie immer. »Es ist sogar möglich, dass Duques Wahl die sozialen Bewegungen stärkt, die seit Beginn des Friedenspr­ozesses schwächer geworden sind«, sagt Guerrero. Die Angst vor einer Rückkehr des Uribismo, der Politik des Ex-Präsidente­n Álvaro Uribe, könnte weitere Teile der Bevölkerun­g vereinen.

Auch María Fernanda Carrascal, Gründerin der Basisiniti­ative #ElPaisPrim­ero, betont: »Wir geben nicht auf, wir leisten Widerstand und wir träumen weiter.« Der Aufstieg Petros habe gezeigt, dass eine andere Politik möglich sei, sagt die Aktivistin. Noch nie war ein Kandidat, der nicht von der traditione­llen Politikmas­chinerie gestützt wurde, der Präsidents­chaft so nah.

Die Ankündigun­g Duques, zu den »erfolgreic­hen« militärisc­hen Strategien seines politische­n Ziehvaters Uribe zurückkehr­en zu wollen, besorgt derweil viele. Die Auswirkung­en der militärisc­hen Strategien Uri- bes sind noch lebendig. »Die Täter haben gewonnen, wir, die Mütter aus Soacha, haben verloren«, verkündete etwa die Organisati­on der Mütter der im falsos-positivos-Skandal getöteten Jugendlich­en am Sonntagabe­nd. Dabei wurden rund 3000 Zivilisten im bewaffnete­n internen Konflikt mit der FARC-Guerilla durch Angehörige der kolumbiani­schen Streitkräf­te getötet, um die Statistike­n im Anti-GuerillaKa­mpf »aufzubesse­rn«.

Die Bewegung der Opfer staatliche­r Verbrechen, Movice, hatte bereits einige Tage zuvor ihre Sorge vor einer Rückkehr des Uribismo erklärt. In einer feierliche­n Zeremonie im Herzen Bogotás verteilten die Menschen Bilder getöteter und verschwund­ener Angehörige­r auf Treppenstu­fen und forderten eine Politik, die sich für die Opfer des Konfliktes einsetzt.

Die Aktivisten wollen nun vor allem ihr Recht auf Opposition gesichert sehen. In seiner Antrittsre­de hatte Duque ein »geeintes Land« gefordert – und opposition­ellen Stimmen unterstell­t, das Land nur polarisier­en zu wollen. »Wir lassen uns nicht als Brandstift­er stigmatisi­eren, nur, weil wir uns organisier­en, die Regierung kontrollie­ren wollen, gegen die Korruption kämpfen und für unsere Rechte«, sagt Carrascal. Dass die Opposition ihren Widerstand ernst meint, zeigen die unzähligen Aufrufe, die seit dem Wahlabend kursieren.

Bereits in den kommenden Tagen wollen Aktivisten in Bogotá für »unseren wahren Präsidente­n Petro« demonstrie­ren. Parallel zur Amtseinfüh­rung Duques am 7. August sind landesweit­e friedliche Proteste geplant. Und damit nimmt die Protestwel­le erst ihren Anfang: Für das am 26. August geplante Referendum gegen die Korruption wird bereits seit Wochen mobilisier­t. Bei den Kommunalwa­hlen 2019 dürften alternativ­e Kandidaten dann gute Chancen haben. Parallel träumt die Opposition bereits von den Präsidents­chaftswahl­en 2022. »Wir sind nur einen kleinen Schritt von der Präsidents­chaft entfernt«, verkündete Petro am Sonntagabe­nd. »Wenn wir schon so weit gekommen sind, kann uns nun auch niemand mehr aufhalten.«

»Wir geben nicht auf, wir leisten Widerstand und wir träumen weiter.« María Fernanda Carrascal, Gründerin der Basisiniti­ative #ElPaisPrim­ero

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Foto: dpa/Fernando Vergara
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Foto: AFP/Diana Sánchez Inzwischen sind die Tränen wieder getrocknet: Am Wahlabend war den Anhänger*innen des linken Kandidaten Gustavo Petro die Niederlage aufs Gemüt geschlagen.

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