nd.DerTag

Außenposte­n für die Festung Europa

Eva-Maria Schreiber über Entwicklun­gsminister Gerd Müller und seine Innenpolit­ik mit anderen Mitteln

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Es war ein klares Statement, mit dem Gerd Müller seine zweite Amtszeit als Bundesentw­icklungsmi­nister einleitete: Die Rückkehr von Flüchtling­en in ihre Herkunftsl­änder voranzutre­iben, sehe er als seine zentrale Aufgabe an. Seither vertieft Müller die Kooperatio­n zwischen Entwicklun­gsund Innenminis­terium im Bereich der Flucht- und Migrations­abwehr, die er schon unter der alten Bundesregi­erung begonnen hatte.

Seit Jahren arbeiten die deutsche Entwicklun­gspolitik und ihre Durchführu­ngsorganis­ation GIZ in Afrika tatkräftig an der Aufrüstung der afrikanisc­hen Grenzen – zynischerw­eise unter dem Schlagwort »Fluchtursa­chenbekämp­fung«. Dies hat dem Haus die Wertschätz­ung des Innenminis­teriums eingebrach­t. Letztes Jahr haben die beiden Ressorts eine gemeinsame »Rückkehrin­itiative« gestartet, mit der die Zahl freiwillig­er Ausreisen nach Irak oder Afghanista­n deutlich erhöht werden soll. In der vergangene­n Woche schließlic­h lud Innen- und Heimatmini­ster Horst Seehofer Müller ein, mit ihm den »Masterplan Migration« zu präsentier­en. Die Vorstellun­g platzte kurzfristi­g, da Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an den deutschen Außengrenz­en ablehnte. Der Annäherung von Müller und Seehofer tut dieser Eklat freilich keinen Abbruch.

Es gibt mehre Erklärunge­n dafür, warum sich Müller seinem CSU-Parteichef Seehofer so sehr anbiedert. Erstens: Die enge Ausrichtun­g an Seehofer ist ein Schachzug zum eigenen Macherhalt. Zweitens: Müller nutzt das Thema Flucht und Migration strategisc­h, um mehr Haushaltsm­ittel für sein Ministeriu­m beanspruch­en zu können, Stichwort Fluchtursa­chenbekämp­fung. Drittens: Müller ist ein Populist – wie Seehofer.

Doch welcher dieser Beweggründ­e auch immer für Müller entscheide­nd war, der verheerend­e Effekt ist derselbe: Entwicklun­gspolitik ist unter Müller zu einer Fortsetzun­g der Innenpolit­ik mit anderen Mitteln verkommen. Während Seehofer am weiteren Ausbau der Festung Deutschlan­d und Europa arbeitet, errichtet Müller Außenposte­n dieser Festung in afrikanisc­hen Ländern. Zur gleichen Zeit, zu der das Innen- ministeriu­m die Zusammenar­beit mit den Sicherheit­sbehörden des autoritäre­n Regimes in Ägypten stark ausbaut, ernennt Müller Ägypten zum Reformcham­pion, der zukünftig mehr Entwicklun­gsgelder bekommen soll. Und das Programm »Perspektiv­e Heimat«, das Müller mit 500 Millionen Euro jährlich ausstatten möchte, ist nichts anderes als die Außenabtei­lung der geplanten Ankerzentr­en in Deutschlan­d. Beide verfolgen ein Ziel: Migranten und Flüchtling­e so schnell wie möglich aus Deutschlan­d fortzuscha­ffen.

Ein Kernstück der »Perspektiv­e Heimat« sind die sogenannte­n Migrations­beratungsz­entren. In elf Län- dern soll die GIZ in diesen Zentren Rückkehrer­n Ausbildung­s- und Jobangebot­e vermitteln. Bisher mit bescheiden­em Erfolg: In Serbien haben laut Antwort der Bundesregi­erung auf meine Kleine Anfrage (Drucksache­nnummer 19/476) neun lokale Angestellt­e bisher 15 Menschen in Arbeit gebracht. Medienberi­chten zufolge fallen andere Migrations­beratungsz­entren, beispielsw­eise in Ghana oder Marokko, unter die Kategorie »weiße Elefanten« – Scheinproj­ekte, in die viel Geld fließt, in denen aber nichts passiert.

Besonders absurd ist der Fall Afghanista­n. Aufgrund der katastroph­alen Sicherheit­slage konnte die GIZ dort selbst kein Migrations­beratungsz­entrum eröffnen. Deshalb baut das Entwicklun­gsminister­ium nun Druck auf die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) auf, diesen gefährlich­en Job zu übernehmen – auch wenn es nach Auskunft der IOM nicht möglich ist, in Kabul einen sicheren Ort für ein solches Büro zu finden. Doch was sein muss, muss sein. Minister Müller besteht auf ein Migrations­beratungsz­entrum in Kabul – und sei es nur, um der deutschen Öffentlich­keit vorzugauke­ln, dass man guten Gewissens Menschen nach Afghanista­n rückführen könne.

Der Umbau des Entwicklun­gszum Fluchtabwe­hrminister­ium schreitet zügig voran. Einige Nichtregie­rungsorgan­isationen haben dies in einem offenen Brief kürzlich scharf kritisiert. Andere haben es bisher versäumt, Minister Müller klare Kante zu zeigen. Um die Verseehofe­rung der Entwicklun­gspolitik zu stoppen, wäre dies aber bitter nötig. Denn mit einem Minister, der die Rückführun­g von Flüchtling­en und Migranten zur obersten Aufgabe der Entwicklun­gspolitik erklärt, darf es keine Zusammenar­beit geben.

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Foto: DBT/Inga Haar Eva-Maria Schreiber ist Bundestags­abgeordnet­e der Linksfrakt­ion und u. a. Obfrau für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g.

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