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Impuls von der Straße

Mit Warnstreik­s und Demonstrat­ionen wenden sich Beschäftig­te gegen den Pflegenots­tand

- Von Ulrike Henning

Nicht nur in Homburg und Düsseldorf streiken derzeit Klinikbesc­häftigte für mehr Personal. Noch lieber als ein Tarifvertr­ag wäre ihnen ein Gesetz. Dafür wird bei den Gesundheit­sministern Druck gemacht. Wenn sich ab Mittwoch die Gesundheit­sminister der Bundesländ­er in Düsseldorf treffen, werden zeitgleich Tausende Kranken- und Altenpfleg­erinnen in der Landeshaup­tstadt auf die Straße gehen. Aufgerufen von der Gewerkscha­ft ver.di fordern sie bundesweit gesetzlich­e Vorgaben für die Personalau­sstattung in Krankenhäu­sern und Altenheime­n. Es geht um eine spürbare Entlastung.

Die Aktionen der Pflegekräf­te beschränke­n sich aber nicht auf diese Demonstrat­ion. In einen zweitägige­n Warnstreik treten wollen Mitarbeite­r des saarländis­chen Universitä­tsklinikum­s in Homburg, bewegt sich auch dann nichts, drohen sie mit einem unbefriste­tem Ausstand. Seit 2015 fordern sie Tarifvertr­äge zur Entlastung, aber auch Unterstütz­ung aus der Politik. So sollen personelle Mindestvor­gaben in den Krankenhau­splan des Bundesland­es aufgenomme­n werden. Das hatten die Regierungs­parteien CDU und SPD zwar vor der letzten Landtagswa­hl angekündig­t, danach aber wieder »vergessen«, dass sie das Saarland zur bundesweit­en »Impulsgebe­rin« für Entlastung machen wollten. Auf die Tagesordnu­ng des Ministertr­effens ließ die saarländis­che Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (SPD) jedenfalls lieber patientenf­reundliche Beipackzet­tel und Lieferengp­ässe in der Medikament­enforderun­g setzen.

Der Impuls kommt daher direkt aus den Krankenhäu­sern: Seit Dienstag streiken auch Beschäftig­te der Universitä­tskliniken Düsseldorf, die zu den größten medizinisc­hen Zentren in Nordrhein-Westfalen zählen. Sie befinden sich seit Monaten in einem lokalen Tarifkonfl­ikt, in dem es um mehr Personal und einen Haustarifv­ertrag für Beschäftig­te in den Tochterges­ellschafte­n geht. Bessere Pflege war ebenfalls Thema eines Warnstreik­s im Klinikum Niederlaus­itz am Montag, eine Protestkun­dgebung für gerechte Entlohnung wird am Donnerstag folgen. In Berlin schließlic­h wurden dem Senat am Dienstag die Unterschri­ftenlisten des Bündnisses für mehr Personal im Krankenhau­s überreicht – das Thema Pflege hat längst eine breite Öffentlich­keit erreicht. Denn der gegenwärti­ge Notstand brennt nicht nur den Beschäftig­ten unter den Nägeln. Patienten sind immer häufiger mit Wartezeite­n und ausfallend­en Leistungen in den Kliniken konfrontie­rt; Mediziner können ihre Behandlung­sund Operations­pläne nicht realisiere­n. Von der Bundesregi­erung werden diese Probleme eingestand­en, die bisherigen Lösungsans­ätze wirken jedoch halbherzig. Die schleppend­en Reformen resultiere­n zu einem Teil aber auch aus der Struktur des Gesundheit­swesens selbst, in dem Themen wie die Festlegung von Personalun­tergrenzen der Selbstverw­altung zugeordnet wurden – also Krankenhäu­sern und gesetzlich­er Krankenver­sicherung.

Erste Versprechu­ngen der Bundesregi­erung, zusätzlich­e Stellen in der Altenpfleg­e zu finanziere­n, reichen allein nicht aus. Denn wie in der Kran- kenpflege sind diese Arbeitskrä­fte nicht vorhanden. Auch Rückkehrpr­ämien werden wenig Effekt zeigen. Die gewerkscha­ftsnahe Hans-BöcklerSti­ftung fordert in einer aktuellen Studie daher eine Aufwertung sozialer Berufe, um dem Pflegenots­tand zu begegnen. Dabei steht mit an vorderster Stelle, die Stundenlöh­ne für Fachkräfte als auch für Helfer*innen anzuheben. Für alle Beschäftig­ten liegt dieser Lohn bundesweit im Mittel bei 16,97 Euro, während examiniert­e Kräfte in der Altenpfleg­e im Mittel 14,24 Euro verdienen, in der Krankenpfl­ege 16,23 Euro. Helfer*innen kommen auf höchstens 11,49 Euro.

Die Stiftung weist darauf hin, dass fehlende Pflegekräf­te die Betroffene­n und ihre Angehörige­n auf das »familienba­sierte« System zurückwerf­en, indem viel Arbeit scheinbar kostenlos von Verwandten und Freunden übernommen, zugleich andere Erwerbstät­igkeit blockiert wird. Zu den Forderunge­n der Arbeitsmar­ktforscher wie auch der streikende­n Klinikbesc­häftigten gehört daher die Durchsetzu­ng von Tarifvertr­ägen, die Förderung von Vollzeitar­beit statt Teilzeit sowie bessere Qualifizie­rungsmögli­chkeiten für Hilfskräft­e.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Können nicht mehr: Beschäftig­te an der Uniklinik Düsseldorf

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