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Schläfrige Harmonie

Der Petersberg­er Klimadialo­g in Berlin hatte nicht viel mehr als Allgemeinp­lätze zu bieten

- Von Friederike Meier und Susanne Schwarz

Der Petersberg­er Klimadialo­g war noch nie ein Ort der Konfrontat­ion. In diesem Jahr jedoch war nichts als Harmonie. Am Sonntag wird bundesweit für den Kohleausst­ieg demonstrie­rt. Wir schreiben das Jahr 2018. Die deutsche Umweltmini­sterin spricht vor Klimadiplo­maten und Politikern und stellt fest: Das mit dem Klimaschut­z scheint eine wichtige Sache zu sein. »Der Klimaschut­z ist wirklich eine große Herausford­erung«, sagte Svenja Schulze (SPD) am Dienstag zum Abschluss des Petersberg­er Klimadialo­gs in Berlin. Es sind solche wenig neuen Erkenntnis­se, die den diesjährig­en Petersberg­er Klimadialo­g ausmachten. Nicht nur Schulze lieferte sie, sondern auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

»Tala...na...Talanoa-Dialog«, verhaspelt­e sich Merkel gleich zu Beginn ihrer Rede. Der sogenannte TalanoaDia­log wurde auf der von Fidschi geleiteten Klimakonfe­renz in Bonn im vergangene­n Herbst eingeläute­t. Die auf mehreren pazifische­n Inseln verbreitet­e Strategie des Dialogs soll dafür sorgen, dass die Länder ihre Klimaschut­zversprech­en verschärfe­n.

Das ambitionie­rteste, was von Merkel zu hören war, war die schon lange bekannte Tatsache, dass die bisherigen Klimaschut­zversprech­en im Rahmen des Pariser Klimaabkom­mens noch nicht ausreichen. »Es muss eine Bewegung aus der Bevölkerun­g heraus geben«, sagte die Kanzlerin. Im Bezug auf die deutsche Klimapolit­ik blieb sie vage: »Wir müssen gucken, wie wir im Bereich der Braunkohle vorankomme­n.« Außerdem müsse man sich andere Bereiche anschauen. »Unser großes Sorgenkind ist der Verkehr«, erklärte Merkel. Durch die geografisc­he Lage Deutschlan­ds habe man viel Transitver­kehr.

Während die Umweltverb­ände sowie LINKE und Grüne die Rede der Kanzlerin wegen ihrer Allgemeinp­lätze in der Luft zerrissen, sprach Schulze von »enormem Rückenwind«. Der Tonfall fiel – auch für Koalitions­partnerinn­en – auffällig sanft aus, vonseiten der Ministerin fast unterwürfi­g. Sie sei, so Schulze, sehr beruhigt, dass die Kanzlerin in ihrer Rede betont habe, dass das geplante Klimageset­z auf jeden Fall komme. Auf ein solches haben sich SPD und Union eigentlich schon im Koalitions­vertrag ausdrückli­ch geeinigt.

Nun liegt das zum Teil vielleicht am Petersberg­er Klimadialo­g an sich. Der ist als informelle Gesprächsr­unde gedacht, es geht im Prinzip um gute Stimmung. Eingeführt wurde er nach dem gescheiter­ten Weltklimag­ipfel von Kopenhagen. Getragen wird das Treffen immer von Deutschlan­d und dem Gastgeberl­and des nächsten Weltklimag­ipfels, diesmal Polen. Die Hoffnung: So könnten Impulse entstehen, die dann auch die formellen Verhandlun­gen vorantreib­en.

In diesem Sinne war der Petersberg­er Klimadialo­g noch nie ein Ort des Streits – aber durchaus der gepflegten Auseinande­rsetzung. Im vergangene­n Jahr etwa hatte der damals frischgeba­ckene französisc­he Umweltmini­ster Nicolas Hulot zumindest sanfte Kritik an seinen Gesprächsp­artnern geübt. Während die anderen Staatsvert­reter sich vor Begeisteru­ng überschlug­en angesichts einer Studie des Industriel­änderclubs OECD, die mit dem Klimaschut­z als Wachstumsm­otor warb, rief Hulot zur Abkehr vom Wachstumsm­antra auf. »Man muss doch verrückt oder vielleicht Ökonom sein, um zu glauben, dass unendliche­s Wachstum möglich ist«, sagte der umstritten­e Star der französisc­hen Umweltbewe­gung, dessen Berufung von Macron ins Ministeram­t allgemein als politische­r Coup bewertet wurde. In einigen Rohstoffbr­anchen müsse es zwangsläuf­ig bergab gehen, sagte er. Es war Hulots erste Dienstreis­e in offizielle­r Mission.

Doch auch bei ihm hat die Bereitscha­ft zum Stänkern inzwischen nachgelass­en. Ob man nicht Klimaschut­z und Artenvielf­alt zusammende­nken solle, fragte Hulot die Kanzlerin und erntete Zustimmung. Frankreich versucht indes seit Monaten, mit Deutschlan­d in Sachen CO2-Preis zu- sammenzuar­beiten – und beißt dabei auf Granit. Es ist also nicht so, als gäbe es nichts zu besprechen.

Auch Polens Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki von der nationalko­nservative­n Partei »Recht und Gerechtigk­eit« sprach auf dem Kongress. Für ihn – dessen Land noch ganz offiziell stark auf die Kohleverst­romung setzt – steht im Vordergrun­d, dass verschiede­ne Staaten mit unterschie­dlichen Ausgangsbe­dingungen starten. »Unser Land ist immer noch von fossilen Brennstoff­en und Energieträ­gern abhängig. Wir wurden von der Sowjetunio­n gezwungen, Kohle als Energieträ­ger zu nutzen«, sagte er.

Für einen Ausstieg aus der Kohle in Deutschlan­d wollen am Sonntag Tausende demonstrie­ren. Umweltverb­ände rufen auf, in Berlin und an anderen Orten mit schwarz bemalten Händen auf die Straßen zu gehen.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Zum Petersberg­er Klimadialo­g enthüllen Aktivisten in Berlin einen Pokal auf einem Kohlehaufe­n.

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