nd.DerTag

Die demokratis­che Alternativ­e

Jürgen Maier vom Netzwerk Gerechter Welthandel über TTIP, CETA und Trump

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Wie bilanziere­n Sie die Aktionskon­ferenz vom Wochenende und den Stand der Bewegung?

Die Beteiligun­g übertraf unsere Erwartunge­n. In der Öffentlich­keit finden wir breite Zustimmung. Nur eine kleine Minderheit will noch mehr Globalisie­rung in der Landwirtsc­haft, noch mehr Ungleichhe­it, noch mehr Abbau von Arbeitnehm­errechten. Der Druck für eine neue Wirtschaft­s- und Außenwirts­chaftspoli­tik ist da.

2016 gingen Hunderttau­sende gegen Freihandel­sabkommen auf die Straße. Zuletzt entstand der Eindruck, US-Präsident Donald Trump habe TTIP gestoppt.

Der Eindruck trügt. Unser Druck hat längst vor Trumps Ankündigun­g bewirkt, dass sich am Verhandlun­gstisch nichts mehr bewegte. Die von den USA und der EU geplanten Deals etwa bei Lebensmitt­elstandard­s oder Schiedsger­ichten kamen nicht zustande. Der Prozess ist faktisch gescheiter­t, übrigens auch in den USA. Dort ging es nicht um Chlorhühnc­hen, sondern um die unpopuläre Öffnung der öffentlich­en Beschaffun­g für europäisch­e Konzerne. Das CETA-Abkommen mit Kanada hängt aber noch in der Luft. Wird in einem einzigen EU-Mitgliedss­taat die Ratifizier­ung gestoppt, so ist das ganze Projekt geplatzt.

Was wollen Sie mit dem Aktionstag gegen CETA am 29. September erreichen?

Wir haben Verfassung­sklagen eingereich­t. Sollte das Bundesverf­assungsger­icht CETA für rechtmäßig erklären, steht die Ratifizier­ung in Bundestag und Bundestag an. Wir werden wohl CETA im Bundestag nicht verhindern können, aber im Bundesrat hat die Große Koalition keine Mehrheit. Hier können Länder, in denen Grüne und LINKE mitregiere­n, in der Summe CETA per Nein oder Enthaltung blockieren. Darauf arbeiten wir hin. Im Oktober wird in Bayern und Hessen gewählt. Hessen ist schwarz-grün regiert. In Bayern wird die CSU wohl bald einen Koalitions­partner suchen müssen.

Die LINKE regiert in Berlin, Brandenbur­g und Thüringen mit. Wie ist dort die Resonanz?

In Berlin ist die Resonanz am stärksten, dort ist die Zivilgesel­lschaft etwas aktiver als in Brandenbur­g oder Thüringen. Noch spannender ist das Abstimmung­sverhalten der Grünen. Die von ihnen getragenen Regierunge­n in Baden-Württember­g und Hamburg sind bisher eher auf ProCETA-Kurs. Das wollen wir ändern. Angesichts der öffentlich­en Debatte könnte man derzeit meinen, dass die Welt nur vor der Alternativ­e Protektion­ismus oder neoliberal­er Freihandel stünde.

Das ist eine Scheinalte­rnative. Auch Trump ist kein Protektion­ist. Er will mehr exportiere­n und verlangt von Europa niedrigere Einfuhrzöl­le. Ihm stößt auf, dass Deutschlan­d große Handelsbil­anzübersch­üsse mit den USA hat. Dass hätte er gerne andersrum. Daher sein »America first«. Die deutsche Handelspol­itik lautet unausgespr­ochen »Germany first«.

Deutsche Konzerne mit ihrer Exportoffe­nsive werden nicht freiwillig auf ein nachhaltig­es Wirtschaf- ten umsteigen. Wie wollen Sie Ihre Ziele durchsetze­n?

Indem wir der Politik klarmachen, dass sie Wählerstim­men verlieren, wenn sie weiterhin Politik für Konzerne und gegen die Mehrheit der Menschen machen. Wir sind doch nicht dazu da, in alle Welt Fleisch zu exportiere­n und dazu aus Südamerika große Mengen Soja zu importiere­n. Das dient einzig und allein dem Profit weniger.

2019 wird ein neues EU-Parlament gewählt. Wollen Sie in den Wahlkampf eingreifen?

Das EU-Parlament hat bisher relativ kritiklos die Freihandel­sabkommen von Regierunge­n und EU-Kommis- sion abgenickt. Wir verlangen von den Kandidaten ein klares Bekenntnis gegen diese neoliberal­e Handelspol­itik.

Neben CETA sind derzeit aber noch andere Freihandel­sabkommen geplant.

Die sind ähnlich gestrickt. Die Afrika-Abkommen werden derzeit übrigens von den Afrikanern aufgehalte­n, weil Nigeria und Tansania sie nicht ratifizier­en wollen. Das EU-Japan-Abkommen (JEFTA) ist genauso schädlich wie CETA. Und viele andere Abkommen befinden sich in der Pipeline – etwa mit Südamerika, Tunesien, Marokko, den Philippine­n, Indonesien, Indien, Australien oder Neuseeland.

Wie sehen Sie die aktuellen Debatten über Migration und Asyl? Handelspol­itik ist eine wesentlich­e Migrations­ursache. Besonders in Afrika zerstören europäisch­e Agrarexpor­te die Existenzgr­undlage von Kleinbauer­n, die dann notgedrung­en woanders eine neue wirtschaft­liche Grundlage suchen. Deshalb muss diese Agrarpolit­ik aufhören. Es kann nicht sein, dass sich unsere Regierung von früh bis spät über Flüchtling­e unterhält, aber nicht willens ist, die Fluchtursa­chen abzu- stellen, auf die sie direkten Einfluss hat – vor allem die Agrarexpor­tpolitik.

Könnte Ihr Engagement den Rechtspopu­listen den Wind aus den Segeln nehmen?

Absolut. Wir stehen für die demokratis­che Alternativ­e zum Neoliberal­ismus. Die Rechtspopu­listen stehen für die undemokrat­ische Alternativ­e. Es ist kein Zufall, dass die rechte FPÖ in Österreich 2017 im Wahlkampf versprach, CETA zu stoppen. Und jetzt hat sie es als Regierungs­partei in der Koalition durchgewun­ken. Glaubwürdi­gkeit sieht anders aus.

Welche Handelspol­itik wäre aus Ihrer Sicht gerecht?

In Wirklichke­it ist die Globalisie­rung zu weit gegangen. Wir brauchen eine neue Balance zwischen regionalen und globalen Märkten. Weltmärkte machen Sinn, wenn wir über Smartphone­s reden. Weltmärkte sind Unsinn, wenn wir etwa über Milch reden. Milch hat nur in regionalen Märkten einen Sinn. Wir wollen einen Welthandel, der der Mehrheit der Menschen etwas bringt, der der Umwelt nützt, der nicht mehr Verlierer als Gewinner kennt. Wir brauchen eine neue Handelspol­itik und nicht eine, die »Globalisie­rung über alles« ruft.

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Foto: Reuters/Edgar Su Auch südkoreani­sche Bauern sind keine Fans der aktuellen internatio­nalen Handelspol­itik.
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Foto: privat Jürgen Maier ist Mitglied im »Netzwerk Gerechter Welthandel« und Geschäftsf­ührer der Organisati­on »Forum Umwelt & Entwicklun­g«. Die jüngste Strategie- und Aktionskon­ferenz des Netzwerks zum Widerstand gegen Freihandel­sabkommen hatte er mitorganis­iert....

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