nd.DerTag

Lexikon der Bewegungss­prache

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Weitere Beiträge aus dieser Serie unter dasND.de/apo Alle rauchen. Zumindest früher mal. Egal ob Intellektu­elle_r (Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre) oder Militante_r (Che Guevara, Ulrike Meinhof), die Kippe war und ist in der Linken als Accessoire allgegenwä­rtig – manchmal wird sie noch ergänzt durch die Pfeife (Subcommand­ante Marcos). Egal, wie der Tabak konsumiert wird: Er ist ein Zeichen für Eleganz und Überlegenh­eit, fürs Nachdenken, für die Verwegenhe­it. Auf dem Plenum oder während der Demo ermöglicht gerade die selbst gedrehte Zigarette eine kurze Pause von dem Trubel des Diskutiere­ns oder des Straßenkam­pfs. Und dabei einen gedankenvo­llen Moment der Ruhe und der Kontemplat­ion. Der mystische Qualm bildet eine blau-graue Barrikade des Widerstand­s gegen die kalte Rationalit­ät und den Gesundheit­swahn der Gegenwart. Wenn die radikale Linke schon untergeht, wissen die Raucher_innen unter ihnen wenigstens, woran es liegt. Aber ob das bisschen Kohlendiox­id und Kohlenmono­xid, Schwefeldi­oxid, Stickoxid und Nikotin, die paar Schwermeta­lle und radioaktiv­en Isotope samt der anderen Tausenden Inhaltssto­ffe (von ihnen mehr als 50 definitiv krebserreg­end) wirklich viel schlimmer sind als der kapitalist­ische Normalvoll­zug, steht auf einem anderen Blatt. Hinter der immerwähre­nden Rauchwolke in der Kneipe, im besetzten Hörsaal oder auch hinter dem Rauch der bengalisch­en Feuer, glimmt die Kippe. Sie scheint auf als Zeichen des Morgenrots einer anderen, besseren Welt.

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