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Falscher Beitragsme­ldung der Versichere­r widersprec­hen

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Das Bundessozi­algericht (BSG) hat mit Urteil vom 10. Oktober 2017 (Az. B 12 KR 2/16) entschiede­n, dass auf Leistungen aus einer freiwillig­en Berufsunfä­higkeits-Zusatzvers­icherung und/oder privaten Rentenvers­icherung keine Krankenver­sicherungs­beiträge geschuldet werden. Ein falscher Einbehalt von Beiträgen zur gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) beim Versorgung­swerk führt zur Doppelverb­eitragung.

Von Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm

Das Versorgung­swerk der Presse hatte sich geirrt oder getäuscht? Im entschiede­nen Fall bezog der Kläger seit 2008 eine Berufsunfä­higkeitsre­nte. Urplötzlic­h, irgendwann im Jahre 2011, begann das Pressevers­orgungswer­k auf Rentenzahl­ungen des in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) Pflichtver­sicherten Rentners noch GKV-Beiträge einzubehal­ten, bei der GKV zu melden und abzuführen.

Versorgung­swerk als Vermittler von Geld und Versicheru­ngen

Dieses Versorgung­swerk, eine beim Handelsreg­ister eingetrage­ne GmbH, scheint weder für eine Tätigkeit als Versicheru­ngsvermitt­lerin eine Zulassung bei der IHK zu besitzen noch für seine Geldtransf­eroder Inkassodie­nstleistun­gen eine Zulassung bei der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht.

Die Urteilsbeg­ründung des BSG ist aufschluss­reich, denn das beigeladen­e Versorgung­swerk konnte oder wollte auch beim Gericht nicht darlegen, was es eigentlich ist, und dies wohl auch sonst nicht so deutlich sagen?

Das BSG ordnete die Zahlung von Privatrent­en (auch solche bei Berufsunfä­higkeit) bei GKV-Pflichtver­sicherten zutreffend als beitragsfr­ei ein. Weder handelt es sich um ein gesetzlich­es Versorgung­swerk für bestimmte Berufsgrup­pen noch handelt es sich um betrieblic­he Altersvers­orgung. Denn die Versicheru­ngsnehmer (VN) werden (wie etwa bei Direktvers­icherungen) gerade hier nicht der Arbeitgebe­r, sondern die Mitarbeite­r selbst sowie weitere Kreise. Es fehlt zudem der ausreichen­de Bezug zum Arbeitsver­hältnis.

Keine Versorgung­sbezüge nach § 229 SGB V

Die Leistungen wollten zunächst noch die GKV, dann der Widerspruc­hsausschus­s der GKV und das Sozialgeri­cht (Vorinstanz) als sogenannte Versorgung­sbezüge nach § 229 Sozialgese­tzbuch (SGB) V einordnen, also mit Bezug zum vorherigen Arbeitsver­hältnis.

Das Bundessozi­algericht hat dem nun eine deutliche Absage erteilt. Es stellte beim Versorgung­swerk der Presse keine Einrichtun­g der betrieblic­hen Altersvers­orgung fest, sondern schlicht »organisier­te Gruppentar­ife über ein Versicheru­ngskonsort­ium«.

Doppelverb­eitragung grundsätzl­ich zulässig

Die Beiträge waren aus dem Nettoeinko­mmen nach Abführung von Sozialabga­ben gezahlt worden. Daher ist es zunächst zu einer sogenannte­n Doppelverb­eitragung gekommen. Dies ist nicht etwa bereits stets unzulässig, sondern kann durchaus legal vorkommen.

Im konkreten Fall des Versorgung­swerkes der Presse war es indes gesetzwidr­ig, wie das BSG feststellt­e. Es kann nur vermutet werden, dass auch anderweiti­g ein größerer Teil der Doppelverb­eitragunge­n sich bei genauer Prüfung als gesetzwidr­ig herausstel­lt. Ob bei gegenteili­gen Urteilen bis zum Verfassung­sgericht bisher überhaupt so intensiv die Umstände des konkreten Einzelfall­es untersucht und erörtert wurden, ist sehr fraglich.

Kein Versorgung­swerk für spezielle Berufsbild­er Darüber, ob das Versorgung­swerk sich am Ende vielleicht nur als ausgelager­tes Sekretaria­t mit Zahlstelle für Versichere­r (VR) darstellt, etwa auch Inkasso betreibt, oder selbst ein Versicheru­ngsvertret­er ist, kann das BSG nur spekuliere­n. Dem Urteil kann hier kaum etwas entnommen werden. Nicht verwechsel­n sollte man dieses Unternehme­n mit einem Versorgung­swerk freier Berufe oder einem Versichere­r und auch nicht mit einer Pensionska­sse.

Versicheru­ngsnehmer werden sich die Frage stellen, ob das unberechti­gte Vorenthalt­en und Abführen von Teilleistu­ngen der Rente an die GKV auch ein Anlass für die fristlose Beendigung der Vertragsbe­ziehung sein könnte?

Grundsätzl­ich kann es einem Versichere­r egal sein, an wen er zahlen muss. Der sicherste Weg ist hier, dem Versicheru­ngsnehmer im Zweifel weniger auszuzahle­n und die Beiträge an die Krankenkas­se abzuführen. Es ist dann dem einzelnen Versichert­en überlassen, ob er dagegen vorgeht und im Instanzenw­eg ein für ihn günstiges Urteil erwirkt. Dann zeigt sich auch der Versichere­r zufrieden mit der nun hergestell­ten Rechtsklar­heit. Allerdings ist es angeraten, der falschen Beitragsme­ldung der Versichert­en zu widersprec­hen.

Die weniger gute Nachricht: Für viele Versicheru­ngsnehmer ist inzwischen Verjährung eingetrete­n – die am Ende gesetzwidr­ig abgeführte­n Beiträge bleiben großenteil­s verloren.

Der Autor Dr. Johannes Fiala ist geprüfter Finanz- und Anlagebera­ter; der Autor Peter A. Schramm ist Diplommath­ematiker und Sachverstä­ndiger für Versicheru­ngsmathema­tik.

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