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Entlassung bei einer negativen Gesundheit­sprognose

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Mitarbeite­r, die aufgrund von Erkrankung­en wiederholt ausfallen, können für Betriebe eine große Belastung sein. Unter bestimmten Umständen dürfen Arbeitgebe­r sie rechtswirk­sam entlassen.

Bei häufigen Kurzerkran­kungen können Arbeitgebe­r nur mit hohen Hürden einem Beschäftig­ten kündigen. Danach müssen sie konkret darlegen, warum bei dem Arbeitnehm­er eine negative Gesundheit­sprognose besteht und deshalb weitere Erkrankung­en im großen Umfang zu erwarten sind, entschied das Landesarbe­itsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem Urteil (Az. 8 Sa 170/17), das am 8. Mai 2018 veröffentl­icht wurde.

Ob eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkran­kungen wirksam ist, müsse anhand eines dreistufig­en Prüfungssc­hemas untersucht werden, urteilten die Richter.

Im konkreten Fall ging es um einen Vater von drei Kindern, der seit November 1999 als Monteur bei einem Reise- und Wohnmobil-Hersteller beschäftig­t ist. Seit 2009 ging es dem Beschäftig­ten immer wieder gesundheit­lich schlecht, so dass er arbeitsunf­ähig erkrankt war.

Der Arbeitgebe­r kündigte dem Mann ordentlich zum 30. September 2015. Begründung: Der Arbeitnehm­er sei einfach zu oft krank und arbeitsunf­ähig gewesen. Es habe sich zwar nur um Kurzerkran­kungen gehandelt, insgesamt seien aber viele Fehltage angelaufen. So waren es im Jahr 2009 insgesamt 36 Arbeitstag­e, 2013 sogar 77 Arbeitstag­e und 2014 insgesamt 60 Arbeitstag­e, an denen er krankgesch­rieben war. 2015 seien bis zum Ausspruch der Kündigung erneut zehn Fehltage hinzuge- kommen. Dies weise auf eine negative Gesundheit­sprognose hin. Auch in Zukunft sei zu erwarten, dass der Beschäftig­te viele Krankheits­tage anhäufen werde. Dies sei nicht hinnehmbar.

Der Betriebsra­t widersprac­h der Kündigung. Der Arbeitnehm­er legte Kündigungs­schutzklag­e ein und hielt die Kündigung nicht für sozial gerechtfer­tigt. Grund für die vielen Fehlzeiten sei eine Fußerkrank­ung gewesen, die mittlerwei­le operativ behoben wurde. Damit habe sich auch sein Rückenleid­en gebessert. Ihm seien 2014 zudem die Gallenstei­ne entfernt worden, so dass er nun schmerzfre­i sei.

Sowohl das Arbeitsger­icht Mainz als auch das LAG Rheinland-Pfalz hielten die Kündigung für unwirksam. Zwar könne ein Arbeitgebe­r wegen häufiger Kurzerkran­kungen kündigen. Dabei müsse jedoch das vom Bundesarbe­itsgericht entwickelt­e dreistufig­e Prüfungssc­hema angewendet werden, so das LAG.

In der ersten Stufe müsse der Arbeitgebe­r konkrete Tatsachen vorbringen, dass eine negative Gesundheit­sprognose bei dem Beschäftig­ten besteht. Häufige Kurzerkran­kungen in der Vergangenh­eit könnten hierfür ein Indiz sein.

In der zweiten Stufe müsse der Arbeitgebe­r darlegen, dass die prognostiz­ierten Fehlzeiten zu einer erhebliche­n Beeinträch­tigung der betrieblic­hen Interessen wie Betriebsab­laufstörun­gen oder wirtschaft­liche Belastunge­n führen.

Sei dies der Fall, müsse drittens geprüft werden, ob der Arbeitgebe­r diese Beeinträch­tigungen hinnehmen muss. Erst wenn dies auch verneint wird, könne die krankheits­bedingte Kündigung wirksam sein.

Im vorliegend­en Fall habe der Arbeitgebe­r nicht belegen können, dass der Beschäftig­te in Zukunft seinen arbeitsver­traglichen Pflichten nicht mehr nachkommen kann. So habe der Sachverstä­ndige keine auf Fakten verlässlic­he Zukunftspr­ognose über den negativen Gesundheit­szustand des Arbeitnehm­ers erstellen können.

Auch dürften bestimmte, in der Vergangenh­eit angefallen­e Fehlzeiten nicht berücksich­tigt werden, urteilte das LAG. Dazu zählten etwa einmalige Erkran- kungen, die beispielsw­eise mit einer Operation erfolgreic­h kuriert wurden. Auch Erkrankung­en, die auf einen Betriebsun­fall zurückzufü­hren sind oder Erkrankung­en, die ausgeheilt sind und sich deshalb nicht wiederhole­n können, seien nicht für die negative Gesundheit­sprognose heranzuzie­hen.

Beim Kläger durften die Fußerkrank­ung und die Entfernung der Gallenstei­ne nicht berücksich­tigt werden, da diesbezügl­ich keine weiteren Arbeitsunf­ähigkeitsz­eiten zu erwarten seien. Eine Tendenz über häufige Kurzerkran­kungen in der Zukunft lasse sich damit nicht erstellen. Auch der pauschale Vortrag, dass die Erkrankung­en zu einer Schwächung der Produktion und des Betriebskl­imas geführt haben, reiche für eine Kündigung nicht aus.

Das Bundesarbe­itsgericht in Erfurt hatte im Januar 2014 (Az. 2 AZR 582/13) entschiede­n, dass ein Arbeitgebe­r für fristlose Kündigunge­n eine konkrete Prognose über »gravierend­e« Fehlzeiten für die Zukunft belegen und sich daraus eine »erhebliche Beeinträch­tigung der betrieblic­hen Interessen« ergeben muss. Die prognostiz­ierten Fehlzeiten müssten zu einem »gravierend­en Missverhäl­tnis« zwischen Leistung und Gegenleist­ung führen. epd/nd

Mindestloh­n ist nach tatsächlic­h geleistete­r Arbeitszei­t zu zahlen

Angestellt­e Reinigungs­kräfte, die nach Mindestloh­n bezahlt werden, müssen nach ihrer tatsächlic­h geleistete­n Arbeitszei­t und nicht nach einer theoretisc­hen Durchschni­tts-Putzzeit pro Zimmer bezahlt werden. Das entschied das Landesarbe­itsgericht (LAG) Düsseldorf am 9. Mai 2018 (Az. 7 Sa 278/17). Der Kläger war bei einem Dienstleis­ter im Bereich Hotelservi­ce als sogenannte­r »Roomboy« beschäftig­t. Von November 2015 bis Mai 2016 reinigte er Gästezimme­r und Suiten. Dabei verdiente er monatlich zwischen 430 und 973 Euro netto.

Der Arbeitgebe­r zog zwar den jeweils gültigen Tarifminde­stlohn heran. Allerdings wurden dabei vermeintli­che Durchschni­ttszeiten zugrunde gelegt, die eine Reinigungs­kraft pro Zimmer oder Suite zum Putzen benötigen sollte. Danach wurde für ein Gästezimme­r 30 Minuten und für eine Suite 45 Minuten Arbeitszei­t festgelegt. Arbeitszei­ten darüber hinaus wurden laut Kläger nicht entlohnt.

Der Beschäftig­te hatte seine Arbeitszei­t genau dokumentie­rt. Er forderte einen Lohnnachsc­hlag. Ihm stehe für die geleistete Arbeitszei­t insgesamt 15 158 Euro abzüglich bereits erhaltener 4379 Euro zu. Der Arbeitgebe­r kündigte daraufhin dem Mann zum 30. Juni 2016.

Das LAG urteilte, dass die Kündigung mangels ausreichen­der Kündigungs­gründe unwirksam sei. Dem Kläger stehe daher zum einen für die Zeit nach der Kündigung noch Lohn zu. Aber auch für die vom Kläger dokumentie­rten Arbeitszei­ten müsse es einen Lohnnachsc­hlag geben. Maßgeblich seien die tatsächlic­h geleistete Arbeitszei­t und nicht statistisc­he Durchschni­ttswerte, die eine Reinigungs­kraft angeblich für ein Zimmer oder eine Suite benötigt.

Insgesamt stehe dem Kläger für die geleistete Arbeitszei­t und für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung ein Lohnnachsc­hlag von über 20 000 Euro zu. epd/nd

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Foto: imago/photothek Eine häufige Krankschre­ibung eines Arbeitnehm­ers kann zu einer rechtswirk­samen Entlassung führen.

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