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Rumänen protestier­en gegen Korruption

Tausende Menschen haben in Bukarest gegen die Regierungs­partei PSD demonstrie­rt

- Von Silviu Mihai

Dem Vorsitzend­en der PSD wird Anstiftung zum Amtsmissbr­auch vorgeworfe­n – während seine Parlaments­mehrheit gleichzeit­ig umstritten­e Änderungen der Strafverfa­hrensregel­n verabschie­det. Liviu Dragnea, Vorsitzend­er der Sozialdemo­kratischen Partei (PSD), gibt vielen in Rumänien wieder genug Gründe, dem Regen zu trotzen und auf die Straßen zu gehen: Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Politiker nun Anstiftung zum Amtsmissbr­auch vor. Dieser bestreitet die Vorwürfe – während seine Parlaments­mehrheit gleichzeit­ig eifrig an Änderungen am Strafgeset­zbuch und an den Strafverfa­hrensregel­n arbeitet. Am Mittwochab­end versammelt­en sich rund 4000 Bukarester vor dem Regierungs­sitz, vereinzelt kam es zu Auseinande­rsetzungen zwischen den Demonstran­ten und der Gendarmeri­e. Denn die meistens bürgerlich-liberal gesinnten Gegner der PSD befürchten, dass das Parlament die Gesetze ändern könnte noch bevor das Oberste Gerichtsho­f Dragnea rechtskräf­tig verurteilt.

Konkret handelt es sich bei den Vorwürfen um zwei Angestellt­e einer Jugendschu­tzeinricht­ung im Landkreis Teleorman, die jahrelang Gehälter aus der öffentlich­en Kasse kassiert haben, obwohl sie eigentlich in der Parteifili­ale gearbeitet haben. In diesem Zeitraum, zwischen 2006 und 2012, war Liviu Dragnea Kreisratsv­orsitzende­r und ebenso Vorsitzend­er des PSD-Kreisverba­nds, und soll laut der Staatsanwa­ltschaft von der Scheinanst­ellung der beiden Frauen nicht nur gewusst, sondern diese dazu aktiv angestifte­t haben.

Was in Rumänien unter anderen Umständen eher als Bagatellde­likt in der Provinz gelten würde, könnte jetzt massive Konsequenz­en haben, denn Dragnea ist bereits wegen Wahlfälsch­ung vorbestraf­t. Eine weitere Verurteilu­ng würde für ihn einen beträchtli­chen Gefängnisa­uf- enthalt und das Ende seiner politische­n Karriere bedeuten. Und für die Sozialdemo­kraten – eine neue politische Krise.

Dies wäre aber keine Premiere: Die früheren Ministerpr­äsidenten und PSD-Vorsitzend­en Adrian Năstase und Victor Ponta gerieten ihrerseits bereits ins Visier der Justiz und mussten auf ihre Ämter verzichten. Ersterer verbrachte sogar mehrere Jahre hinter Gittern. Doch viele in der Partei haben inzwischen den Eindruck, Opfer einer parteiisch­en Staatsanwa­ltschaft zu sein, die die sozialdemo­kratischen Würdeträge­r verfolge.

Tatsächlic­h ermittelte die Sonderabte­ilung für die Bekämpfung der Korruption (DNA) seit dem EU-Beitritt Rumäniens 2007 gegen Hunderte frühere oder amtierende Abgeordnet­e, Bürgermeis­ter und Regierungs­mitglieder – die meisten davon wurden rechtskräf­tig verurteilt, und viele gehörten der PSD an.

DNA-Chefin Laura Kövesi bestreitet ihrerseits den Vorwurf der selektiven Justiz unter Hinweis auf die sehr hohe Verurteilu­ngsrate sowie auf das hohe internatio­nale Ansehen, das ihre Staatsanwa­ltschaft genießt. Manche Methoden der DNA gelten allerdings als umstritten: Immer wieder wurden in den letzten Jahren prominente Politiker vor laufender Fernsehkam­era mit Handschell­en abge- führt, pikante Details aus laufenden Ermittlung­en oder sogar ganze Abhörproto­kolle gerieten an die Medien und in wenigen, aber wichtigen Fällen, wurden die Beschuldig­ten letztendli­ch freigespro­chen.

Einer davon war etwa Victor Ponta. Für die Sozialdemo­kraten gilt es aus diesen Gründen als wichtig, »dem Missbrauch im Justizsyst­em« ein Ende zu setzen. Seit ihrem Wahlsieg Ende 2016 versuchen sie, durch eine Änderung des gesetzlich­en Rahmens den Spielraum der Ermittler zu verringern. Anfang des Jahres beschloss Justizmini­ster Tudorel Toader sogar Staatsanwä­ltin Kövesi abzusetzen. Staatspräs­ident Klaus Johannis wei- gert sich jedoch das Entlassung­sdekret zu unterschre­iben. Anfang Juni erklärte das Verfassung­sgericht die Weigerung für grundgeset­zwidrig.

Das bürgerlich-liberale Lager um Johannis betrachtet die Änderungen der Strafgeset­ze als frechen Versuch von Seiten der korrupten sozialdemo­kratischen Elite die Arbeit der Justiz zu verhindern. Diese extreme Polarisier­ung der rumänische­n Gesellscha­ft droht mittlerwei­le nicht nur den rechtsstaa­tlichen Rahmen zu sprengen. Sie verhindert immer mehr jede Diskussion über gesellscha­ftliche Anliegen wie das prekäre Gesundheit­ssystems oder das Elend des rumänische­n Sozialstaa­tes.

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Foto: AFP/Adrian Catu Wütennder Protest in Bukarest am Mittwochab­end

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