nd.DerTag

Kanzlerin a. D. – auf Dauer

Bernd Zeller findet einen überrasche­nden Ausweg aus der schwierige­n innenpolit­ischen Lage

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Unser heutiger Bericht wird veranlasst durch die Mitteilung, dass die bekannte sozialdemo­kratische Partei SPD sich offenbar auf Neuwahlen vorbereite­t. Das ist ein findiger wahltaktis­cher Schachzug. Wer von der Ansetzung von Neuwahlen am wenigsten überrascht wird, ist in der besten Ausgangspo­sition, und als Regierungs­partei kann die SPD Neuwahlen ansetzen und alle anderen damit überrasche­n. So hat es Erdogan in der Türkei gemacht, aber auf Originalit­ät kommt es nicht an.

Wenn die SPD es geschickt anstellt, ruft sie einen Wahltermin im Sommer aus, wenn alle Parlamenta­rier im Urlaub sind; dann müssen sie missmutig Wahlkampf machen und schon wieder in den Fußgängerz­onen vorgeben, im Zuhörmodus zu sein. Wer sich darauf vorbereite­n konnte und trainiert hat, den Bürgern wirklich alles zu erklären, was sie an unkundigen Anliegen vortragen, ist dem Sieg nahe.

Die SPD wäre sogar davon befreit, als Merkel-Partei wahrgenomm­en zu werden, denn von Merkel wird niemand mehr reden. Die kennt man nicht. Jetzt wird nach vorn geschaut. Die Merkel-Ära ist nur noch etwas für vorübergeh­end Gestrige. Wenn jemand eine Aufarbeitu­ng vornehmen wollte, dann mit Merkel als Symptom, nicht Ursache einer Gesellscha­ft, die Verantwort­ung durch Konsens ersetzt hat und demzufolge an keinerlei Aufarbeitu­ng interessie­rt ist.

Keine Merkel-Partei wäre die CSU, jedenfalls dem Image nach. Es ist nicht sicher, dass die Schwesterp­arteien den Zwist nur für die Presse inszeniert haben, um Merkel einen würdigen Abgang zu verschaffe­n. Hinterrück­s von bayerische­n Kräften aus dem Amt gestoßen – damit kann man sich vor der Geschichte sehen lassen. Schmählich dagegen wäre eine bloße Abwahl oder eine Niederlage bei CDU-internen Machtkämpf­en.

Momentan befände sich die CDU bezüglich der Merkel-Frage in der gleichen Situation wie vor einem Jahr: Wer soll es sonst machen? Damals hat sich diese Frage implizit bereits beantworte­t. Heute wüsste man zwar auch nicht sofort irgendwelc­he sich aufdrängen­den Namen, aber nach der Kür des Kandidaten wäre die Überraschu­ng perfekt, welches überragend­e Führungsta­lent so lange unbemerkt in der Partei schlummert­e. Der neue Spitzenkan­didat der Union wird als völlig unbelastet von bisherigen Streiterei­en erscheinen, zugleich aber als niemals unkritisch oder unterwürfi­g gegenüber der Kanzlerin dokumentie­rt sein. So eine junge Kraft braucht nicht nur das Land, in dem wir gut und gerne leben, sondern der ganze Kontinent Europa, der beeindruck­t zu uns blicken wird.

Damit ist natürlich nicht gesagt, dass der die Wahl gewinnt. Andrea Nahles nimmt schon Gesangsunt­erricht. Wenn drei oder mehr miteinande­r zu koalieren gedenkende Parteien etwa gleich stark werden, entscheide­t das Alter der Partei.

Es wird also für alle irgendwie gut laufen, außer für Angela Merkel, und daran sieht man, dass es so nicht gehen kann. Wenn sie für das Wohl des Landes aufhört, bedeutet dies nichts anderes, als dass sie das schon eher hätte tun können und dass sie zu dieser Einsicht in der Lage gewesen wäre. Damit ist der indirekte Beweis erbracht, dass die behauptete Annahme falsch ist, denn dann wäre die Kanzlerin nicht Angela Merkel gewesen. Sie wird alle Mittel einsetzen, um weiterzuma­chen, und das öffentlich­e Interesse kann sich nur auf die Frage konzentrie­ren, welche Mittel das denn wären. Nicht mehr möglich ist, Konkurrent­en aus dem Feld zu schlagen, denn es gibt keine mehr, mit denen sie das nicht schon getan hätte.

Damit bleibt nur die europäisch­e Lösung. Juncker und Macron retten Merkel mit einer Straßburge­r Erklärung, in der sie eine Regierungs­vergemeins­chaftung vornehmen. Merkel würde Bundeskanz­lerin a.D., und a.D. heißt auf Dauer. Für die demokratis­che Legitimier­ung gibt es eine GanzGroKo mit SPD und Jamaika, wobei aus Datenschut­zgründen die einzelnen Parteien nicht mehr unterschei­dbar sein dürfen. Und Martin Schulz darf dafür zu Anne Will.

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Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

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