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Schatten der Vergangenh­eit über Sri Lanka

Fast zehn Jahre nach dem Sieg über die Tamiltiger kommt es in der Regierung zum Streit über den Umgang mit ihnen

- Von Thomas Berger

Während es in der Regierungs­koalition kriselt, rüstet sich ein umstritten­er Scharfmach­er zur Kandidatur bei der Präsidente­nwahl. Deva Manoharan Swaminatha­n hat mit seinem Vorstoß an ein Tabu ge- rührt: Der Minister will auch ehemalige LTTE-Kader und deren nächste Angehörige für Entschädig­ungszahlun­gen und Rehabilita­tionsmaßna­hmen vorsehen.

LTTE – hinter diesem Kürzel stehen die Befreiungs­tiger von Tamil Eelam, jene Rebellenbe­wegung, die 1983 bis 2009 einen zweieinhal­b Jahrzehnte währenden bewaffnete­n Aufstand für einen unabhängig­en Staat der tamilische­n Minderheit im Norden und Osten geführt hatte. Mit zum Teil terroristi­schen Mitteln vorangetri­eben, wuchs sich der Konflikt zu einem Bürgerkrie­g aus, der gerade im Norden Sri Lankas ganze Ortschafte­n in Ruinenfeld­er verwandelt­e. Erst eine mit großer Rücksichts­losigkeit und Brutalität ausgetrage­ne finale Offensive der Armee konnte die LTTE im Mai 2009 endgültig militärisc­h besiegen. Dabei kamen auch deren Gründer Velupillai Prabhakara­n und nahezu die gesamte Führung der Organisati­on ums Leben. Die Vereinten Nationen und internatio­nale Verbände werfen Sri Lankas Armee und der damaligen politische­n Führung unter Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa bis heute massive Menschenre­chtsverlet­zungen in Zusammenha­ng mit der Militäroff­ensive und der nachfolgen­den Internieru­ng unzähliger überlebend­er LTTE-Kader vor. Auch die jetzige Regierung zeigt trotz anfangs anderslaut­ender Verspreche­n große Zurückhalt­ung bei der Aufarbeitu­ng.

Breiter Konsens in der buddhistis­ch-singhalesi­schen Mehrheitsg­esellschaf­t ist bis heute, dass es sich bei der LTTE um eine Terrororga­nisation handelt. Dies ist eine Einstufung, die auch von den meisten westlichen Staaten von den USA, Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d geteilt wird, wo die vormalige Rebellengr­uppe auf einschlägi­gen schwarzen Listen rangiert. Im Land selbst hat das zur Folge, dass selbst komplette Familien ehemaliger LTTE-Mitglieder staatliche­rseits weiterhin geächtet sind. Dass Minister Swaminatha­n sie in sein neues Rehabilita­tionspaket mit aufnehmen wollte, ist deshalb teils mit bewusster Ignoranz, teils brüsker Zurückweis­ung beantworte­t worden.

In den Medien wird zwar formell Objektivit­ät bemüht, jedoch ist die generelle Linie erkennbar, die die LTTE regelrecht dämonisier­t – was angesichts der Gewalt, mit der Prabhakara­n die Organisati­on führte, leichtfäll­t. Unter den Tisch fällt dabei aber das Grundanlie­gen der Bewegung, die über Jahrzehnte anhaltende Zurücksetz­ung und Diskrimini­erung der Minderheit, die den Aufstand erst auslöste. Zudem verweist sogar die »Sunday Times« in einem Beitrag auf den Fakt, dass schon die Rajapaksa-Administra­tion zumindest einige LTTE-Kader regelrecht hofierte. Und zwar jene 2004 im Osten der Insel abgespalte­ne Gruppe unter dem Regionalko­mmandeur Oberst Karuna Amman, der selbst zeitweise zum Vizepräsid­enten der regierende­n Sri Lanka Freiheitsp­artei (SLFP) und Minister gemacht wurde.

Selbst ohne ministerie­lles Rühren an Tabus steht die aktuelle Koalitions­regierung auf wackligen Füßen. Viereinhal­b Jahre ist es her, seit die damals opposition­elle Vereinigte Nationalpa­rtei (UNP) des heutigen Premiers Wickremasi­nghe sich mit Dissidente­n der SLFP verbündete, um schließlic­h Maithripal­a Sirisena, bis kurz zuvor noch Minister unter Rajapaksa, nun gegen diesen als Präsidents­chaftskand­idat zum Sieg zu verhelfen. Die Zusammenar­beit der beiden dominieren­den Parteien war stets komplizier­t, gerade die SLFP sah sich zeitweise zugleich in der Regierung und auf den Opposition, faktisch gespalten in den Camps um Sirisena- und Rajapaksa-Anhänger. Letztere haben inzwischen eine eigene Partei namens Sri Lanka Volksfront (SLPP) ins Leben gerufen. Mit dieser stehen nun aktuell 16 hochrangig­e SLFP-Mitglieder in Kontakt, die bisher aber ihre Partei noch nicht wechseln wollen.

Unterdesse­n bereitet sich für die SLPP offenbar Gotabaya Rajapaksa auf eine Kandidatur bei den nächsten Wahlen zum Staatschef vor. Einer von drei Brüdern des Ex-Präsidente­n, diente er diesem als Verteidigu­ngsministe­r und war einer der besonderen Scharfmach­er und Hauptveran­twortliche­n für die finale Militäroff­ensive gegen die LTTE. Mahinda, Gotabaya und die anderen beiden Brüder Basil und Chamal arbeiten an der Rückkehr der vormals dominanten Politikerf­amilie an die Macht.

Die Regierung zeigt trotz anfangs anderslaut­ender Verspreche­n große Zurückhalt­ung bei der Aufarbeitu­ng der Militäroff­ensive gegen die Talim Eelam.

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