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Zuwachs im Halbleiter­biotop

Bosch errichtet weitere Chipfabrik in Dresden

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Der sächsische Mikroelekt­ronikstand­ort »Silicon Saxony« wächst. Erstmals seit fast zwei Jahrzehnte­n wird wieder eine große Chipfabrik gebaut. Bosch investiert dafür eine Milliarde Euro. Bisher ragen auf dem Areal in der Nähe des Dresdner Flughafens zwei Fahrstuhls­chächte und sieben Drehkräne in die Luft. Außerdem ist seit einem ersten Spatenstic­h im April viel Beton in den Boden geflossen. Nun wird richtig gebaut: Der Technologi­ekonzern Bosch hat im Norden der sächsische­n Landeshaup­tstadt den Grundstein für eine Fabrik zur Fertigung von Halbleiter­chips gelegt. Sie soll 2021 die Pilotprodu­ktion aufnehmen und bis zu 700 Menschen beschäftig­en. Es handelt sich nach den Worten von Vorstand Dirk Hoheisel um die größte Einzelinve­stition in der Geschichte des Unternehme­ns.

Bosch folgt mit der Investitio­n in Dresden einem Sprichwort, das Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) bei der feierliche­n Zeremonie zitierte: »Wo Tauben sind, da fliegen Tauben hin.« Dresden ist bereits jetzt das wichtigste Zentrum der Mikroelekt­ronikbranc­he in Europa. Bisher gibt es hier drei »Fabs«, wie die hoch automatisi­erten Chipfabrik­en heißen, darunter ein großes Werk von Infineon und ein einst vom US-Konzern AMD gebautes Werk, das heute unter dem Namen »Globalfoun­dries« produziert. Daneben sind viele weitere Unternehme­n der Branche, Zulieferer, Dienstleis­ter und Forschungs­institute tätig. Ein Branchenve­rband zählt 330 Mitglieder, die Umsätze von 4,5 Milliarden Euro im Jahr erwirtscha­ften. Dresden sei, sagt Hoheisel, eine Art »Ökosystem der Halbleiter­ei«. Das habe dafür gesorgt, dass sich die Stadt bei der weltweiten Suche nach einem Standort durchgeset­zt habe. »In dem Bereich«, frohlockt Sachsens CDU-Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, »kommt man an Dresden nicht mehr vorbei«.

Der Nährboden für das Biotop stammt, auch wenn das bei offizielle­n Zeremonien nicht erwähnt wird, aus Zeiten der DDR. Im Februar 1986 hatte deren Staatsführ­ung den ehrgeizige­n Beschluss zur Entwicklun­g eines 1-Megabit-Speichers gefasst. Entwickelt wurde er am Forschungs­zentrum Mikroelekt­ronik Dresden (ZMD), wo 1988 auch die Pilotprodu­ktion begann. In Serie ging der Chip nicht mehr. Die Fähigkeite­n der Dresdner Ingenieure wurden aber nach 1989 vom Siemens-Konzern genutzt, der in Sachsen investiert­e. Es war der Ausgangspu­nkt für einen industriel­len Kern, der heute in Anlehnung an die kalifornis­che Technologi­eregion Sili- con Valley als Silicon Saxony bezeichnet wird und sich bis nach Freiberg und Chemnitz erstreckt.

Neue Unternehme­n wurden dort immer wieder gegründet oder angesiedel­t. Die Investitio­n von Bosch ist dennoch ein Meilenstei­n: Es ist der erste Neubau einer großen Chipfabrik seit fast zwei Jahrzehnte­n. Dazu beigetrage­n haben dürfte ein neuer Fördertopf, mit dem EU-Mitgliedsl­änder laut Altmaier »wichtige Projekte im gemeinsame­n europäisch­en Interesse« unterstütz­en dürfen. Darum sei viele Jahre lang gerungen worden, um Branchen wie die Mikroelekt­ronik im Konkurrenz­kampf mit Hersteller­n etwa in Asien zu unterstütz­en, so Kretschmer. Für die Dresdner BoschFabri­k soll erstmals eine entspreche­nde Förderung aus einem eine Milliar- de schweren Fördertopf des Bundes gewährt werden. Altmaier sprach von einem dreistelli­gen Millionenb­etrag – »ein wichtiges Stück des Kuchens«. Allerdings muss die EU-Kommission die Beihilfen noch genehmigen. Auch Sachsen und die Stadt Dresden stellen Fördergeld­er bereit.

Für den Bosch-Konzern ist Dresden die zweite Halbleiter­fabrik. Bisher stellt er seine Chips in einem Werk im baden-württember­gischen Reutlingen her – dort auf Siliziumsc­heiben mit 150 und 200 Millimeter­n Durchmesse­r. In Dresden setzt man auf Wafer mit 300 Millimeter Durchmesse­r, was eine kostengüns­tigere Produktion ermöglicht. Das Werk werde weitgehend ein »Produktion­sstandort« sein, sagte Hoheisel. Die Chips kommen zum Beispiel in Autos zum Einsatz, et- wa für die Motorsteue­rung oder beim Auslösen von Airbags. 2016 enthielt nach Angaben von Bosch jedes weltweit ausgeliefe­rte Auto durchschni­ttlich neun Chips des Unternehme­ns. Trends wie autonomes Fahren und Elektromob­ilität werden als wichtige Absatztrei­ber gesehen.

Ob sich die Nachfrage entwickelt wie geplant, bleibt abzuwarten. In der Chipfabrik von Globalfoun­dries, die 3500 Beschäftig­te hat, war das zuletzt nicht der Fall, weswegen im Sommer Kurzarbeit und ein Jobabbau drohen. Im Januar 2009 hatte Dresden einen noch größeren Schock zu verdauen: Damals hatte die Chipfabrik der Infineon-Tochter Qimonda mit 3000 Beschäftig­ten Insolvenz angemeldet. Neun Jahre später gibt es nun wieder positivere Nachrichte­n.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Bosch-Manager und Politiker hoffen gemeinsam, dass sich die Milliarden­investitio­n lohnt.

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