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Krieg schafft neue Handelsweg­e

Immer mehr Waren aus den und in die arabischen Staaten werden über Israels Häfen abgewickel­t

- Von Oliver Eberhardt

Der Krieg in Syrien hat auch die Handelsweg­e in der Region unterbroch­en. Die Lücke füllt nun Israel: Obwohl offiziell verfeindet, wickeln arabische Staaten ihren Handel teilweise über israelisch­e Häfen ab. Außerhalb der Kleinstadt Beit Sche’an im Norden Israels staut sich die halbe Welt, so scheint es: Lastwagen mit bulgarisch­en, griechisch­en, italienisc­hen, aber vor allem türkischen Nummernsch­ildern stehen hier, während die Fahrer darauf warten, dass es weitergeht. Wohin? »Nach Jordanien natürlich«, sagt einer der Fahrer, ein Rumäne, mit einem betont vielsagend­en Lächeln, denn jeder hier weiß, das stimmt nicht wirklich. »Unser Chef sagt immer, dass man über bestimmte Dinge nicht spricht, wenn das Geschäft weiterlauf­en soll.«

Ein Großteil der Güter, die hier an einem der beiden Grenzüberg­änge zwischen Israel und Jordanien, auf die Abfertigun­g warten, wird im Nachbarlan­d ausgeladen, umgeladen, mit neuen Papieren versehen, und dann weiter nach Saudi-Arabien, in den Irak, die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait transporti­ert. Von dort kommen die Lkw voll beladen zurück, mit Sachen, die man in Europa verkaufen kann, werden wieder umgeladen und mit neuen Papieren versehen.

Seit einigen Jahren wickeln die arabischen Staaten nun schon einen immer größer werdenden Anteil an ihren Im- und Exporten über den israelisch­en Hafen Haifa ab, wo alle paar Tage Lkw-Fähren und Frachter in Richtung Türkei und Europa anund ablegen: Im Jahr 2017 zählte das israelisch­e Handelsmin­isterium gut 100 000 Lastwagen mit Waren im Gesamtwert von 300 Millionen US-Dollar, bei denen Ziel oder Ursprung wahrschein­lich nicht Jordanien war; im laufenden Jahr habe man diese Zahl jetzt schon erreicht. Feststelle­n könne man das an den in den Ladeschein­en genannten Unternehme­n: Jordanisch­e Scheintöch­ter von Unternehme­n in der arabischen Welt, die die Waren offiziell erwerben und dann weiterverk­aufen.

Dass Israel nun immer schneller zum Tor zur arabischen Welt wird, liegt am Krieg in Syrien: Er hat die frü- her genutzten Handelsrou­ten über syrische und libanesisc­he Häfen oder die Grenzüberg­änge zur Türkei unterbroch­en. Und die Alternativ­e, die Waren durch den Suez-Kanal per Schiff in saudische Häfen am Roten Meer zu liefern, ist lang und teuer, weil die ägyptische Regierung üppige Preise für die Suez-Passage aufruft.

Die Regierunge­n der arabischen Staaten geben sich betont gleichgült­ig. »Es werden keine Waren aus Israel, sondern aus Jordanien geliefert«, betont ein Sprecher des saudischen Kronprinze­n und de-factoHerrs­chers Mohammad bin Salman. »Es ist nicht die Aufgabe unserer Grenzbeamt­en, den Weg jeder Lieferung zu prüfen.« Ein Sprecher des irakischen Wirtschaft­sministeri­ums sagt: »Das Einzige was zählt, ist, dass die Lieferunge­n ordentlich verzollt werden.«

Zwar haben sich fast alle Staaten der arabischen Welt in den vergangene­n Jahren zunehmend Israel angenähert; hinter verschloss­enen Türen gibt es Kontakte, Gespräche über diplomatis­che Beziehunge­n. In den Vereinigte­n Arabischen Emiraten hat Israel sogar als einziges Land eine ständige diplomatis­che Vertretung bei der UNO-Agentur für erneuerbar­e Energien (IRENA). In Israel sind nur noch Syrien und Libanon als feindliche Staaten eingestuft.

Bislang hatten die Staaten auf der arabischen Halbinsel diplomatis­che Beziehunge­n von einer Lösung der Palästina-Frage abhängig gemacht. Doch Anfang Mai änderte Kronprinz Mohammad auch diese Sprachrege­lung. Diplomatis­che Beziehunge­n werde es geben, wenn sich beide Seiten »zu ernsthafte­n Verhandlun­gen« bereitfind­en. Kurz darauf schloss sich dem auch das Außenminis­terium der Vereinigte­n Arabischen Emirate an.

Gleichzeit­ig sind Vertreter Israels, Jordaniens und Saudi-Arabiens im Hinterzimm­er dabei, derzeit kaum vorstellba­re Pläne zu entwickeln: Eine Bahnlinie von Haifa auf die arabische Halbinsel und in Irak soll gebaut werden; Israel und Saudi-Arabien haben für »internatio­nale Bahnverbin­dungen« umgerechne­t mehrere Millionen Euro in ihren Staatshaus­halten vorgesehen. Die Bahnlinie nach Jordanien soll bald gebaut werden. Schließlic­h können die Straßen die vielen Lkw kaum noch aufnehmen.

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