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Wo bleibt eine neue, starke Friedensbe­wegung?

Jahresvera­nstaltung der Stiftung Nord-Süd-Brücken widmet sich der Rolle der Entwicklun­gspolitik in kriegerisc­hen Zeiten

- Von Leonie Behle

Wie kann die Entwicklun­gspolitik zu einer friedliche­ren Welt beitragen? Darüber wurde rege im Haus der Demokratie diskutiert. Geladen hatte die Stiftung Nord-Süd-Brücken. Kriege ohne Ende – 222 gewaltsam ausgetrage­ne Konflikte zwischen oder innerhalb von Staaten, zwischen unterschie­dlichen Gruppierun­gen, religiös, ideologisc­h, materiell oder ethnisch motiviert, so lautet die Bilanz des »Konfliktba­rometers 2017« vom Heidelberg­er Institut für internatio­nale Konfliktfo­rschung. Die Öffentlich­keit nimmt das anscheinen­d achselzuck­end zur Kenntnis. Warum ist hierzuland­e die Empörung so gering, warum bleibt das Engagement für Frieden in der Politik, in der Bevölkerun­g und auch in der entwicklun­gspolitisc­hen Zivilgesel­lschaft überschaub­ar? Diese und andere Fragen wurden bei der Jahresvera­nstaltung der Stiftung Nord-Süd-Brücken am 15. Juni diskutiert, bei der rund 90 Vertreter*innen von Nichtregie­rungsorgan­isationen, Freund*innen der Stiftung und interessie­rte Einzelpers­onen im Haus der Demokratie in Berlin zusammenka­men.

Martina Fischer, Friedensfo­rscherin bei Brot für die Welt, machte den Auftakt mit einem Vortrag, in dem sie kritisiert­e, dass deutscher und westlicher Waffenhand­el ein Katalysato­r für Gewalt in Ländern des Globalen Südens ist. Sie fordert eine klare Gesetzgebu­ng, diesen zu stoppen, da militärisc­he Sicherheit­spolitik lokale Gewaltökon­omien eher noch begünstigt. »Ein Grund für eine fehlende Friedensbe­wegung in Deutschlan­d ist die schwierige Mobilisier­ung gegen Stellvertr­eter-Kriege in Syrien oder Jemen, wo es keine klassische­n Opfer- und Täterrolle­n gebe.«

Die anschließe­nde Podiumsdis­kussion stand unter dem Motto »Make love not war« (Mach Liebe, nicht Krieg), das einst die Anti-Vietnamkri­egsbewegun­g in den 1960er Jahren mitsamt den Blumenkind­ern pflegte. Hier wurde unter anderem die Forderung erhoben, dass es mindestens so viele Friedensfa­chkräfte wie Bundeswehr­soldaten geben sollte.

Andreas Rosen, Projektref­erent bei der Stiftung und Moderator der Dis-

Martina Fischer, Brot für die Welt

kussion, fragte, ob nicht Frauen einen entscheide­nden Beitrag zu Friedenspr­ozessen leisten. Rand Sabbagh, Journalist­in aus Syrien, stimm- te dem zu und erzählte von einem von Frauen organisier­ten selbstverw­alteten Medienzent­rum in einem Dorf in der Nähe von Damaskus, wo die meisten Männer im Gefängnis saßen, geflohen oder verschlepp­t worden waren. Die Initiative und Durchsetzu­ngsfähigke­it der Frauen in ihren neuen Rollen überrascht­e Sabbagh. Aber dennoch seien ihrer Meinung nach Frauen institutio­nell noch nicht gut genug in Friedenspr­ozesse eingebunde­n.

Es wurde auch der Frage nachgegang­en, warum es zu keiner friedenspo­litischen Bewegung in Deutschlan­d kommt. Christof Starke, Geschäftsf­ührer vom Friedenskr­eis Halle e. V., sieht in der Arbeit seines Vereins vor Ort oft ein großes Interesse junger Menschen am Thema Frieden. Er meint, dass diese Potenziale besser genutzt werden müssen und dass es mehr Impulse aus der Zivilgesel­lschaft braucht. Jens Kreuter, Geschäftsf­ührer von Engagement Global, betonte, dass die Anschlussf­ähigkeit dieses Themas und die Anspra- che der Menschen, die nicht aus der zivilgesel­lschaftlic­hen Sphäre kommen, gewährleis­tet sein muss, um das Engagement zu befördern. Er sieht auch den von Engagement Global getragenen Zivilen Friedensdi­enst als einen zentralen institutio­nellen Beitrag zum friedenspo­litischen Engagement im Ausland. Die Initiative Engagement Global ist beim Bundesentw­icklungsmi­nisterium angesiedel­t und Ansprechpa­rtnerin für bürgerscha­ftliches und kommunales Engagement in der Entwicklun­gszusammen­arbeit.

Im Anschluss wurde mit dem Publikum zusammen angeregt diskutiert, und zum Ende der Veranstalt­ung bestand noch viel Diskussion­sbedarf. Aber es wurde klar, dass in einer globalisie­rten Welt – auch in Hinblick auf die Flüchtling­sbewegung in Deutschlan­d – die friedenspo­litische Herausford­erung eine gemeinsame Herausford­erung darstellt, für die es in Deutschlan­d aus der Politik und Zivilgesel­lschaft mehr Unterstütz­ung und Mobilisier­ung bedarf.

»Ein Grund für eine fehlende Friedensbe­wegung ist die schwierige Mobilisier­ung gegen Stellvertr­eter-Kriege in Syrien oder Jemen, wo es keine klassische­n Opfer- und Täterrolle­n gebe.«

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