nd.DerTag

Die Grenzen einer Union

Der EU-Gipfel in Brüssel wird zeigen, ob die europäisch­e Idee noch eine Chance hat

- Mdr

Berlin. Wenn heute und morgen in Brüssel die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union zusammenfi­nden, fehlt ein wichtiger Teilnehmer: die Europäisch­e Idee. Stattdesse­n deutet sich ein Treffen nationaler Egotrips an – Gemeinscha­ft war gestern. Am deutlichst­en zeigt sich der Zerfall dabei am Thema Migration. Eine wahre Kakophonie an sich überbieten­den Vorschläge­n zur Flüchtling­sabwehr, Forderunge­n nach dichten Grenzen und Weigerunge­n, weitere oder überhaupt Menschen auf der Flucht aufzunehme­n, lassen eine Einigung auf absehbare Zeit völlig utopisch erscheinen. Ohne diese allerdings werden sich die Selbstzers­törungspro­zesse beschleuni­gen, die Streitigke­iten zwischen den vielen »Wir zuerst«-Staaten eskalieren, Lösungen bis zur Unmöglichk­eit erschwert.

Für Deutschlan­d könnte das in Folge mit einer weiter völlig freidrehen­den CSU nicht nur das Ende der Großen Koalition bedeuten, sondern weitere politische Instabilit­ät, im Fall von Neuwahlen noch stärker werdende rechte Kräfte und in der Geschichte der Bundesrepu­blik bisher unbekannte gesellscha­ftliche Verwerfung­en – die Sprengkraf­t des Konfliktes ist kaum zu überschätz­en.

Und doch ist der Tod der Idee einer Union von Staaten nichts im Vergleich zum Tod von Menschen. Vielen Tausenden Menschen, die im Stich gelassen werden von Egomanen, die ihre Arbeitsver­weigerung und ihren Rassismus als alternativ­los hinstellen wollen. Doch solange es noch Wahlen gibt, haben es europäisch gesinnte Bürger noch selbst in der Hand, auf welcher Art Kontinent sie zusammenle­ben wollen: In Frieden und Freiheit oder Nationalis­mus und Konflikten. So lange ist es nicht her, dass Europäer Flüchtling­e waren. Wie schnell die Lehren der Vergangenh­eit der Dummheit weichen.

Das Gipfeltref­fen des Europäisch­en Rats steht unter dem Eindruck von Streit. Streit vor allem um den Umgang mit Flüchtling­en. Alle schauen zudem gebannt auf eine weitere Unionskris­e: die in Berlin. Lösungen sind nicht in Sicht.

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Foto: iStock Stadtratte
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Foto: imago/ZUMA Press

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