nd.DerTag

Was treibt Menschen in die Boote?

- Stefan Otto über eine kurzsichti­ge europäisch­e Asylpoliti­k

220 Menschen sind vergangene Woche vor der libyschen Küste ertrunken. Sie stiegen in seeuntücht­ige Boote und kenterten. Wie viele Tausende vor ihnen auch. Natürlich ist das fahrlässig, das wussten sie vermutlich selbst. Die Frage bleibt: Warum machen sie das? Wer über eine Flüchtling­skrise spricht und Lösungen für eine europäisch­e Asylpoliti­k finden will, muss sich diese Frage stellen – und darauf eine Antwort finden.

Natürlich reicht es nicht aus, nur eine Abweisung von Flüchtling­en an der deutsch-österreich­ischen Grenze im Blick zu haben. Das ist arg kurzsichti­g. Ebenso wie eine rigorose Abschottun­g der Außengrenz­e realitätsf­ernes Wunschdenk­en ist. Kanzlerin Angela Merkel schlägt nun vor, außereurop­äische Lager in Nordafrika zu schaffen. Dorthin könnten dann die Bootsflüch­tlinge gebracht werden. In keinem afrikanisc­hen Staat findet der Vorschlag bislang Zuspruch – weil keines der Länder davon einen Nutzen hat.

Die Idee von Sammellage­rn in Nordafrika offenbart den fatalen Eurozentri­smus bei der Suche nach Lösungen in der Flüchtling­spolitik. Eine nachhaltig­e Politik sieht freilich anders aus: Die müsste vor allem die Fluchtursa­chen ins Zentrum der Bemühungen nehmen. Menschen brauchen dort, wo sie leben, Frieden und Perspektiv­en. Sie brauchen Entwicklun­gsmöglichk­eiten – und zwar vornehmlic­h in ihrem Sinne und nicht im Sinne von europäisch­en Geschäftsp­artnern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany