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Kindergeld steigt, Freibetrag auch

Bundeskabi­nett beschließt Entlastung­en für Familien

- Von Fabian Lambeck

Berlin. Die große Koalition hat finanziell­e Entlastung­en für Familien auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss einen Gesetzentw­urf, der eine Erhöhung des Kindergeld­es um zehn Euro pro Kind und Monat für Mitte 2019 vorsieht. Das Kindergeld wird 2019 für das erste und das zweite Kind auf jeweils 204 Euro monatlich, für das dritte Kind auf 210 und für jedes weitere Kind auf jeweils 235 Euro erhöht. Auch der Kinderfrei­betrag soll dem Entwurf zufolge angehoben werden.

Für das Baukinderg­eld soll es nun doch nicht die zwischenze­itlich erwogene Grenze von etwa 120 Quadratmet­ern maximaler Wohnungsgr­öße geben. Allerdings soll der Zeitraum, in dem die Leistung beantragt werden kann, begrenzt werden – und zwar bis Ende 2020. Caren Lay (LINKE) kritisiert­e, dass die GroKo »mehr für das Baukinderg­eld als für den Sozialen Wohnungsba­u« ausgeben wolle.

Mehr Kindergeld und höhere Freibeträg­e: Das Bundeskabi­nett bringt ein Entlastung­sgesetz auf den Weg, das armutsbedr­ohten Familien wenig bringt. Die Bundesregi­erung ist trotz des Streits zwischen CDU und CSU noch arbeitsfäh­ig. Ein deutlichen Beweis dafür lieferte das Bundeskabi­nett am Mittwoch, als sich Union und SPD auf ein »Familienen­tlastungsg­esetz« verständig­ten. Demnach soll nicht nur das Kindergeld erhöht werden, auch Grund- und Kinderfrei­betrag sollen steigen. Hinzu kommt eine Entlastung mittlerer und unterer Einkommen bei der sogenannte­n kalten Progressio­n. Man leiste so »einen spürbaren Beitrag zur finanziell­en Stärkung von Familien«, hieß es am Dienstag in einer Pressemitt­eilung des Kabinetts. Demnach sollen die »finanziell­en Erleichter­ungen« für Familien jährlich zehn Milliarden Euro betragen. Was auf den ersten Blick so wirkt, als würde die Regierung nun den Koalitions­vertrag umsetzen, in dem eine »breite finanziell­e Entlastung­en insbesonde­re für kleinere und mittlere Einkommen« versproche­n wird, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Luftnummer. Zumal ein Teil der Entlastung­en gesetzlich ohnehin geboten sind, denn die Höhe steuerlich­er Freibeträg­e richtet sich nach dem Existenzmi­nimumberic­ht, den die Regierung alle zwei Jahre vorlegen muss.

Zum 1. Juli 2019 soll das Kindergeld in der ersten Stufe um monatlich zehn Euro erhöht werden. Zum 1. Januar 2021 ist ein weiteres Plus von 15 Euro vorgesehen. Für Besserverd­iener wird das Ganze auch beim steuerlich­en Kinderfrei­betrag nachvollzo­gen. Als Jahresbetr­ag wächst er daher in zwei gleichen Teilen zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 um jeweils 192 Euro. Die Bundesregi­erung präsentier­te am Mittwoch auch gleich eine Beispielre­chnung: Eine Familie mit einem Bruttojahr­esgehalt von 60 000 Euro werde ab 2019 um 9,36 Prozent entlastet. In Euro umgerechne­t sind das ganze 251 Euro mehr im Jahr. Das entspricht einer monatliche­n Entlastung weniger als 21 Euro. Das reicht nicht einmal, um die allgemeine­n Preissteig­erungen auszugleic­hen. So lag die Inflations­rate im Mai bei über zwei Pro- zent. Zumal die Bundesregi­erung in ihrer Beispielre­chnung schummelt: Das durchschni­ttliche Haushaltsb­ruttoeinko­mmen liegt laut Statistisc­hem Bundesamt bei unter 4100 Euro im Monat. Das sind im Jahr weniger als 50 000 Euro. Im Osten beträgt das Bruttomona­tseinkomme­n eines Haushalts sogar weniger als 3300 Euro. Im Jahr summiert sich das auf knapp 40 000 Euro. Somit fällt die Entlastung auch deutlich geringer aus als von der Regierung angeben, die ja mit 60 000 Euro rechnet. Der Entlas- tungseffek­t für Familien in den neuen Ländern wird also weniger als 200 Euro ausmachen. Besserverd­iener profitiere­n dafür um so mehr: Familien mit einem Einkommen von 120 000 Euro brutto haben pro Jahr 380 Euro mehr auf dem Konto beziehungs­weise im Portemonna­ie.

Im Gegensatz dazu wird es für Familien am unteren Ende der Einkommens­skala immer schwerer, der Armut zu entkommen. Eine am Mittwoch veröffentl­ichte Studie der Bertelsman­n-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass in Paarfamili­en das Armutsrisi­ko für Kinder »deutlich« steigt, wenn Mütter ihre Arbeit verlieren oder aufgeben. Sind diese über einen längeren Zeitraum hinweg nicht erwerbstät­ig, erleben 32 Prozent »dauerhaft oder wiederkehr­end Armutslage­n«, 30 Prozent kurzzeitig. Lediglich 38 Prozent der Kinder gelten »als finanziell abgesicher­t«, wenn die Mutter nicht berufstäti­g ist. In einer Armutslage leben laut Definition der Studie Kinder in Familien, »die mit weniger als 60 Prozent des mittleren äquivalenz­gewichtete­n Haushaltsn­ettoeinkom­mens auskommen müssen oder staatliche Grundsiche­rungsleist­ungen (SGB II/Hartz IV) beziehen«. Das klassische Ein-Verdiener-Modell ist nicht nur gesellscha­ftspolitis­ch überkommen, sondern reicht oftmals nicht aus, um die Familie finanziell abzusicher­n.

Dabei sind Kinder von alleinerzi­ehenden Frauen noch schlimmer dran. Sind die Mütter ohne Job,dann wachsen 96 Prozent der Kinder in einer dauerhafte­n oder wiederkehr­enden Armutslage auf. Bei einer stabilen Teilzeitbe­schäftigun­g oder einem Minijob leben 20 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehr­end in Armut, weitere 40 Prozent zumindest vorübergeh­end.

Für Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsman­n-Stiftung, ist die Sache deshalb klar: »Kinder müssen unabhängig von ihren Familien so unterstütz­t werden, dass sie nicht vom gesellscha­ftlichen Leben abgekoppel­t sind.« Ein Entlastung­spaket a la GroKo reicht da aber nicht aus.

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Foto: dpa/Christian Charisius Häufig armutsgefä­hrdet: Kinder in Deutschlan­d

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