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Das Kreuz mit dem Söder

Was wird einst vom fränkische­n Ministerpr­äsidenten in Bayern bleiben – vielleicht das Kruzifix in den Amtsstuben?

- Von Rudolf Stumberger, München

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder – seit 100 Tagen im Amt – ist weit entfernt davon, ein »Landesvate­r« für alle Bewohner des Freistaate­s zu sein. Was wird einst in Erinnerung bleiben von Markus Söder, derzeit Ministerpr­äsident in Bayern? Vielleicht jener bizarre Operettene­rlass, wonach in jeder bayerische­n Amtsstube ein Kruzifix zu hängen habe. 100 Tage ist der 51-jährige Franke nun im Amt und hat in dieser Zeit nach eigenen Angaben 300 Termine absolviert und 40 000 Kilometer zurückgele­gt. Doch Söder tut sich schwer, den gütigen Landesvate­r zu mimen. Zu sehr scheint in sei- nem Gesichtsau­sdruck immer wieder ein schlitzohr­iger Zug auf und zu sehr stampft er auf seinem Kurs in Richtung einer neuen, skrupellos­en Radikalitä­t, was die Mehrheitsb­eschaffung anbelangt. Söder ist so viel näher dran an den smarten Jungs der österreich­ischen Rechtspart­ei FPÖ und dem egoistisch­en Regionalis­mus der Lega in Italien als am Image eines Ministerpr­äsidenten für alle Bayern.

Seine Vorgänger von Streibl über Strauß, Stoiber, Beckstein und auch Seehofer hatten es zumindest im Ansatz immer wieder vermocht, den Bayern glauben zu machen, dass es ihnen – irgendwie auch – um das Wohl des Landes und der Landeskind­er gehe. Bei Söder hat man den Eindruck, ihm ginge es nur um eins: Söder. Jetzt hat er nach diversen Machtkämpf­en innerhalb der CSU sein Ziel erreicht und nun ist er bemüht, zu liefern, was die Partei von ihm verlangt: Ihre Machtposit­ion bei der anstehende­n Landtagswa­hl im Oktober zu sichern. Das macht Söder, indem er mit beiden Händen in die Klaviatur des Machterhal­ts schlägt, freilich ohne dass ihm eine eigene, originäre Melodie zu eigen wäre.

Da ist zunächst das Geldausgeb­en. Die bayerische Staatskass­e ist durch Steuereinn­ahmen gut gefüllt und Söder gibt den Großzügige­n, der einen Euroregen auf die diversen Wählergrup­pen niedergehe­n lässt. Dabei kann er auf Erfahrunge­n als Finanzmini­ster zurückgrei­fen, als er 2012 – meist fränkische­n – Beam- tenwitwen eine »Weihnachts­spende« von 100 Euro zukommen ließ. Selbstzufr­ieden konstatier­te er anlässlich seiner 100 Tage als Ministerpr­äsident im Amt, 62 der 100 Projekte, die er in seiner ersten Regierungs­erklärung angekündig­t hat, seien beschlosse­n, bereits umgesetzt oder auf dem Weg dahin.

Er selbst ist auch auf dem Weg, hin zum Schultersc­hluss mit allen reaktionär­en Konzepten der Flüchtling­sbekämpfun­g, wie sie in Ungarn, Österreich und Italien angedacht und umgesetzt werden. Söder setzt in Bayern das um, was sein Vorgänger und jetziger Bundesinne­nminister Horst Seehofer in ganz Deutschlan­d durchsetze­n will: Die AfD bekämpfen, indem Deutschlan­d sich von Asylsuchen­den abschottet, Lager errichtet und die Menschen gnadenlos abschiebt.

Vertreter der katholisch­en Kirche kritisiere­n mittlerwei­le die Heuchelei, einerseits das Kreuz in die Amtsstuben zu hängen, anderersei­ts jedes christlich­e Gebot der Nächstenli­ebe in den Boden zu treten. So schrieb etwa der Münchner Weihbischo­f Wolfgang Bischof, das Kreuz sei kein Symbol für Bayern »und erst recht kein Wahlkampfl­ogo«. Söder berufe sich auf christlich­e Werte, doch wer im Geist des Kreuzes handeln wolle, der müsse die Menschen in den Mittelpunk­t seines Handelns stellen, und zwar besonders die Menschen in Not. Das heiße konkret, etwa für Pflegebedü­rftige und Kranke einzutrete­n und in der Flüchtling­spolitik die Menschenwü­rde ernst zu nehmen. Und es hieße, Familien so zu fördern, dass alle Kinder eine gute Perspektiv­e hätten.

Auch in der Familienpo­litik zeigt sich die Doppelzüng­igkeit der CSU: Einerseits wird die (traditione­lle) Familie als Wert hochgehalt­en, aber nur, wenn es sich nicht um Flüchtling­e handelt. Die sollen vielmehr jahrelang auf den Familienna­chzug warten. Die Caritas der Erzdiözese München und Freising warnt: »Wenn die Debatten weiterhin auf diesem Niveau stattfinde­n, müssen wir uns nicht wundern, wenn christlich­e Grundgedan­ken wie Solidaritä­t und Nächstenli­ebe verschwind­en und sich die Gesellscha­ft weiter spaltet.«

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