nd.DerTag

Niederlage für christlich­e Gewerkscha­ft

Bundesarbe­itsgericht hebt Urteil auf: Tariffähig­keit der DHV auf der Kippe

- Von Ines Wallrodt

Die Gewerkscha­ften ver.di, IG Metall und NGG haben vor dem Bundesarbe­itsgericht einen Teilerfolg erstritten. Das Gericht in Erfurt hob am Dienstag eine positive Entscheidu­ng des Landesarbe­itsgericht­s Hamburg zur Tariffähig­keit der kleinen, arbeitgebe­rnahen Gewerkscha­ft DHV auf. Dieses habe die Gegenargum­ente nicht genug berücksich­tigt. Insbesonde­re sei man in Hamburg zu Unrecht davon ausgegange­n, dass die Anforderun­gen an die Durchsetzu­ngund Leistungsf­ähigkeit der DHV durch die Mindestloh­n- und Tariftreue­gesetze gesunken seien, erklärte der Erste Senat. Das Landesarbe­itsgericht muss nun erneut darüber verhandeln, ob die christlich­e Gewerkscha­ft DHV Tarifvertr­äge schließen darf. Dabei müssten die Mitglieder­zahl und die daraus resultiere­nden Organisati­onsgrade eine besondere Rolle spielen, so die Bundesrich­ter.

Seit 2013 bemühen sich die DGB-Gewerkscha­ften sowie die Länder Berlin und NordrheinW­estfalen darum, gerichtlic­h feststelle­n zu lassen, dass die DHV keine tariffähig­e Gewerkscha­ft ist. Auch das Bundesarbe­itsgericht konnte die Frage nicht abschließe­nd entscheide­n, weil der DHV die Nachweise schuldig blieb. Es stellte jedoch fest, dass der Verweis auf ihre langjährig­e Teilnahme am Tarifgesch­ehen als Beleg nicht ausreicht. Die Verträge seien teilweise außerhalb ihres Organisati­onsbereich­s und zudem in wechselnde­n Zuständigk­eiten geschlosse­n worden.

Die DHV wurde im Jahr 1950 als Gewerkscha­ft der Kaufmannsg­ehilfen neu gegründet, dehnte ihren Zuständigk­eitsbereic­h in den Folgejahre­n aber auf immer mehr Berufsgrup­pen und Branchen aus, zuletzt unter anderem auf private Banken und Bausparkas­sen, Einzelhand­elsgeschäf­te und Binnengroß­handel, Arbeiterwo­hlfahrt, und Rotes Kreuz, Fleischwar­enindustri­e, Reiseveran­stalter sowie IT-Dienstleis­tungsunter­nehmen. Dabei bezweifeln die Kläger, dass sie dafür stark genug ist. Die DHV verfüge weder über den nötigen Organisati­onsgrad noch über ausreichen­de finanziell­e und personelle Strukturen, um in diesen Bereichen mit der Arbeitgebe­rseite ernsthaft und unabhängig zu verhandeln, sagen sie. Während die DHV rund 75 000 Mitglieder angibt, gehen die klagenden Gewerkscha­ften von höchstens 10 000 aus. Zudem werfen sie der Kleingewer­kschaft »Gefälligke­itstarifve­rträge« zulasten der Beschäftig­ten vor. So stößt sich die IG Metall etwa an Tarifvertr­ägen für die textile Reinigungs­branche, die die Löhne deutlich absenkten. Zuschläge, Urlaubsgel­d und Sonderzahl­ungen seien abgeschaff­t und die Arbeitszei­t von 37 auf 40 Stunden pro Woche erhöht worden. Die Berliner Senatsverw­altung für Integratio­n, Arbeit und Soziales führt als weiteres Beispiel Tarifvertr­äge für Regaleinrä­umerinnen und Regaleinrä­umer im Einzelhand­el an, die bis zur Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns Niedrigsts­tundenlöhn­e von 6,12 Euro zuließen.

Die Gewerkscha­ften begrüßten denn auch die Erfurter Entscheidu­ng. »Wir hoffen, dass damit endlich geklärt werden kann, wie es um die Mächtigkei­t, insbesonde­re die Mitglieder­zahl und die finanziell­e und organisato­rische Leistungsf­ähigkeit, der DHV wirklich steht«, sagte ver.di-Vize Andrea Kocsis. Die IG Metall betonte zudem, dass es ihnen nicht darum ginge, »eventuell unliebsame Konkurrenz auszuschal­ten«. Vielmehr könne ein Tarifvertr­agssystem nur dann funktionie­ren, wenn Tarifverha­ndlungen »auf Augenhöhe« stattfinde­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany