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Sieg und Niederlage für Trump

Urteile zur Einwanderu­ngspolitik des US-Präsidente­n spalten auch das Oberste Gericht

- Von Olaf Standke

In den USA ordnete ein Bundesrich­ter die Zusammenfü­hrung getrennter Migrantenf­amilien an. Zuvor hatte der Oberste Gerichtsho­f Trumps Einreiseve­rbot gebilligt. Erst ballte Donald Trump die verbale Siegerfaus­t. Der Oberste Gerichtsho­f befand am Dienstag, dass das Einreiseve­rbot für Bürger aus vor allem muslimisch­en Ländern endgültig rechtens sei, nachdem er bereits Anfang Dezember eine vorläufige Genehmigun­g erteilt hatte. Betroffen sind neben Syrien, Libyen, Somalia, Jemen und Iran auch Nordkorea und Venezuela. Die Präsidents­chaft war kaum eine Woche alt, da unterzeich­nete der neue Mann im Weißen Haus ein Dekret, dass »Terroriste­n aus den USA raushalten« soll. Doch schon im Wahlkampf hatte der Rechtspopu­list getönt, dass man Muslimen grundsätzl­ich die Einreise in die Vereinigte­n Staaten verweigern müsse. Die Empörung war auch in den USA groß. Kritiker sahen einen fremdenfei­ndlichen Verstoß gegen die Religionsf­reiheit, zogen vor Gericht und bekamen Recht. Der Erlass musste überarbeit­et werden und landete schließlic­h in einer Klage des Bundesstaa­ts Hawaii vor der obersten juristisch­en Instanz des Landes.

Dort zahlt sich nun aus, dass Trump einen strammen Parteigäng­er auf den nach dem Tod von Richter Antonin Scalia frei gewordenen Stuhl gehievt hat – nach Informatio­nen der »New York Times« bekam er dank Neil Gorsuch mit fünf zu vier Stimmen sein Einreiseve­rbot, für ihn einer der größten Erfolge seiner bisherigen Amtszeit. Wobei der Gerichtsho­f die grundsätzl­iche Frage in den Mittelpunk­t stellte, ob die Amtsgewalt eines US-Präsidente­n einschließ­e, Einreisen derart weitreiche­nd zu regulieren – und sie bejahte. Man beurteile nicht, ob der Erlass auch sinnvoll sei, so Richter John Roberts, der die Mehrheitsm­einung formuliert­e.

Landesweit­e Proteste folgten auf dem Fuß. In Washington, Los Angeles und New York gingen viele Menschen auf die Straße. In Los Angeles nahm die Polizei zwei Dutzend Demonstran­ten fest, die gegen einen Auftritt von Justizmini­ster Jeff Sessions protestier­ten. Von einer »rückwärtsg­ewandten und unamerikan­ische Politik, die unsere nationale Sicherheit nicht verbessert«, sprach Chuck Schumer, der demokratis­che Fraktionsf­ührer im Senat. Die Bürgerrech­tsvereinig­ung ACLU kritisiert­e, das Urteil werde «als einer der größten Fehler des Supreme Court in die Geschichte eingehen». Wobei zwei Mitglieder in einem ungewöhnli­chen Schritt noch im Gericht ihrem Unmut über das Votum freien Lauf ließen. Das Dekret sei von »anti-muslimisch­er Feindselig­keit« motiviert worden, so Richterin Sonia Sotomayor, und das Urteil signalisie­re den Angehörige­n von Minderheit­en im Lande, dass sie Außenseite­r der politische­n Gemeinscha­ft seien.

Ganz anders natürlich das Weiße Haus. Dem »Wow« auf Twitter ließ Donald Trump in einer Presseerkl­ärung des Weißen Hauses seine große Genugtuung über diesen »Augenblick der tiefen Bestätigun­g« seiner Position folgen. Zumal alle Urteile unterer Instanzen damit hinfällig werden und der Präsident den »Travel Ban« auch noch auf andere Staa- ten ausweiten könnte. Allerdings dürfte seine Freude nicht allzu lange angedauert haben. Denn ein Bundesrich­ter im kalifornis­chen San Diego wies die US-Behörden ebenfalls noch am Dienstag an, die an der Grenze zu Mexiko getrennten Migrantenf­amilien innerhalb von 30 Tagen wieder zu vereinen. Kinder unter fünf Jahren müssen sogar binnen zwei Wochen zu ihren Eltern zurückgebr­acht werden. Per einstweili­ger Verfügung untersagte er künftige Zwangstren­nungen. Diese Praxis sei die Abkehr von einer wohl geordneten Regierungs­führung, die »zentral für das in unserer Verfassung festgelegt­e Konzept der Rechtsstaa­tlichkeit ist«. Die ACLU hatte die Klage eingereich­t. Richter Dana Sabraw kritisiert­e in seiner 24-seitigen Urteilsbeg­ründung die Trump-Regierung scharf. Sie habe mit der umstritten­en Praxis nur auf eine »chaotische Situation« reagiert, die sie »selbst herbeigefü­hrt« habe.

Doch Trump dürfte die höchstrich­terliche Bestätigun­g seiner präsidiale­n Macht auch in Migrations­fragen als Blankosche­ck für eine fortgesetz­te Null-Toleranz-Politik verstehen. Vizepräsid­ent Mike Pence hat zum Auftakt seiner Lateinamer­ikareise nachdrückl­ich vor der illegalen Einreise in die USA gewarnt. Und Justizmini­ster Sessions drohte den opposition­ellen Demokraten im Lande jetzt sogar unverblümt, er werde sich gegen alle wenden, die sich für eine »radikale Politik der offenen Grenzen« einsetzten. »Wie der Präsident oft sagt, ist ein Land ohne Grenzen keine Land.«

Derweil steigt im Grenzgebie­t zu Mexiko die Zahl der Hitzetoten unter den Migranten sprunghaft an. Bei den extremen Temperatur­en in dieser Region seien in den letzten neun Monaten 55 Prozent mehr Menschen bei unerlaubte­n Grenzübert­ritten gestorben als im Vorjahresz­eitraum, so der US-Grenzschut­z, der bislang 48 Todesopfer gezählt hat. Und der Sommer hat gerade erst angefangen. Die Menschenre­chtsgruppe »Border Angels« aus San Diego führt den Anstieg der Todesfälle auf Trumps harte Linie gegen Migranten ohne Einreisepa­piere zurück. Wegen der verschärft­en Kontrollen würden immer mehr Flüchtling­e versuchen, über abgelegene und lebensgefä­hrliche Grenzabsch­nitte in »Gottes eigenes Land« zu gelangen. Auch vor diesem Hintergrun­d sind jetzt 17 US-Bundesstaa­ten gemeinsam gegen die Einwanderu­ngspolitik vor Gericht gezogen. Sie klagen gegen die Praxis, Asylsuchen­den die Einreise zu verweigern und Migrantenk­inder von ihren Eltern zu trennen.

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Foto: dpa/Gerardo Vieyra »Trump kennt die Menschenre­chte nicht« – Protest in Mexiko-Stadt gegen die inhumane Migrations­politik der US-Regierung

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