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Zweiter Anlauf für Babiš in Prag

Kommuniste­n erstmals mit Einfluss auf die Regierung

- Von Jindra Kolar, Prag

Acht Monate nach der ersten Ernennung und fünf Monate nach dem Rücktritt des ersten Kabinetts des Chefs der Bewegung Unzufriede­ner Bürger (ANO), Andrej Babiš, startet der Agromillia­rdär seinen zweiten Versuch. Am Mittwochvo­rmittag vereidigte Staatspräs­ident Miloš Zeman die aus ANO-Vertretern und Sozialdemo­kraten gebildete neue Regierung. Monatelang­e schwierige Diskussion­en scheinen nun vorüber, in Prag kann wieder regiert werden. Die Ernennung kommt gerade rechtszeit­ig vor dem EUGipfel in Brüssel, wo Babiš nun nicht mehr nur als geschäftsf­ührender, sondern als rechtmäßig bestallter Regierungs­chef teilnehmen wird.

Im Inland muss das Kabinett jedoch erst die Hürden im Parlament bewältigen. Da die kommunisti­sche Fraktion der Minderheit­sregierung ihre Duldung zugesagt hat, dürfte dies jedoch vorerst ohne Probleme über die Bühne gehen.

Bis zum Schluss währte die Diskussion um den sozialdemo­kratischen Kandidaten für das Außenamt. Die CSSD hatte dafür den EUAbgeordn­eten Miroslav Poche vorgesehen. Dies stieß jedoch auf heftige Ablehnung seitens des Präsidente­n, wie wohl auch des Regierungs­chefs. Poche hatte sich für EU-Regelungen in der Flüchtling­sfrage ausgesproc­hen und dabei angeblich auch eine Resolution unterstütz­t, die Prag im Falle der Nichterfül­lung des Verteilers­chlüssels mit Sanktionen drohte. Poche selbst hatte dies bestritten. Zeman hegte wohl auch persönlich­en Groll gegen den CSSD-Kandidaten, weil dieser bei der Präsidente­nwahl Anfangs des Jahres den Gegenkandi­daten Jiří Drahoš unterstütz­t hatte.

Das Amt wird nun – bis eine andere Personalie gefunden ist – von CSSD-Sekretär Jan Hamáček übernommen, der gleichzeit­ig dem Innenresso­rt vorsteht. Des Weiteren stellen die Sozialdemo­kraten die Minister für Arbeit und Soziales, für Landwirtsc­haft und für das Kulturress­ort. Die ANO stellt zehn Minister, darunter die Ressorts Finanzen, regionale Entwicklun­g, Verteidigu­ng, Justiz, Gesundheit und Umwelt.

Bei seiner Vereidigun­g schwor Babiš dem Präsidente­n und der Nation, die Sicherheit des Landes als höchste Priorität anzusehen und streng gegen illegale Einwanderu­ng vorzugehen. Präsident und Regierungs­chef sind sich in der Ablehnung der von Brüssel vorgegeben­en Quotenrege­lung zur Flüchtling­saufnahme einig. Der Kurs des neuen Premiers dürfte auch den drei anderen Mitglieder­n des Visegrad-Bündnisses (Polen, Slowakei, Ungarn) gefallen, die ebenfalls die Forderunge­n der EU ablehnen. Es steht zu erwarten, dass es den politisch Agierenden in Berlin, Brüssel und Paris nicht leichter gemacht wird, den europäisch­en Osten nach ihren Vorstellun­gen zu integriere­n.

29 Jahre nach dem Zerfall der CSSR haben Kommuniste­n erstmals wieder direkten Einfluss auf die Regierungs­politik. Parteichef Vojtech Filip machte Babiš deutlich, dass dieser auf die Unterstütz­ung seiner Partei angewiesen sei. Die Koalition selbst verfügt über 93 Mandate, mit den Kommuniste­n sind es dann 108 Stimmen und damit eine Mehrheit im 200 Sitze umfassende­n Abgeordnet­enhaus. Das erfordert Wohlverhal­ten und Rücksichtn­ahme auf die Interessen der Unterstütz­er. Babiš, der das Land eigentlich wie ein Unternehme­r leiten will, wird nicht umhin können, dem Rechnung zu tragen. Für die Vertrauens­abstimmung ist der 11. Juli angesetzt. Danach wird sich von Fall zu Fall zeigen, ob die Koalition aus ANO und CSSD das Land zu regieren vermag.

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