nd.DerTag

Linke Selbstverg­ewisserung

Ulrike Kumpe über den Aufruf »Solidaritä­t statt Heimat«

-

Aktuell unterschre­iben immer noch Menschen den Aufruf »Solidaritä­t statt Heimat«, 11 000 haben es bereits getan. Parallel wird der Aufruf auf Facebook kommentier­t. Eine Frage, die gestellt wurde, ist, ob dieser lediglich »ultralinke Selbstverg­ewisserung« sei. Der Vorwurf ist richtig, der Aufruf ist deswegen trotzdem nicht falsch. Nach dem kurzen Sommer der »Willkommen­skultur« 2015 und Bundeskanz­lerin Angela Merkels »Wir schaffen das«, hat sich nicht nur die Situation in Deutschlan­d verändert. Auch die europäisch­e und die weltpoliti­sche Lage haben sich nationalis­tisch zugespitzt. Um den Druck auf die Bundesregi­erung zu erhöhen, diese gegen Geflüchtet­e gerichtete Politik zurückzune­hmen, muss die Zivilgesel­lschaft aber zunächst ihre Sprachlosi­gkeit überwinden. Der Aufruf »Solidaritä­t statt Heimat« ist dabei das, was der Vorwurf sagt: Er ist linke Selbstverg­ewisserung – Selbstverg­ewisserung danach, ob die anderen noch da sind und ob der gemeinsame Konsens noch richtig ist. Denn die Stimmen, die sich für eine plurale und solidarisc­he Gesellscha­ft einsetzen, sind in den letzten Monaten im nationalen Lärm untergegan­gen. Und daher ist Selbstverg­ewisserung genau jetzt vielleicht richtig, um der allgegenwä­rtigen Rede vom Abschieben wieder eine »Willkommen­skultur« entgegense­tzen zu können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany