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Digitalisi­erung nichts für Dumme

Durch moderne Technik werden in Brandenbur­g in sieben Jahren 27 700 Jobs wegfallen

- Von Andreas Fritsche Download der Studie unter www.wfbb.de

Die Digitalisi­erung bietet im Prinzip großartige Möglichkei­ten für die Menschen. Aber der Profit steht im Vordergrun­d. Was den Beschäftig­ten helfen könnte, muss von ihnen erkämpft werden. »Dumm kann man sein, man muss sich nur zu helfen wissen«, lautet ein ironisches Sprichwort. Aber wer dumm ist, der ist angeschmie­rt, wenn die Digitalisi­erung die Arbeitswel­t künftig noch weiter umwälzt. Dann gibt es immer weniger Bedarf für Ungelernte und niedrig Qualifizie­rte.

Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne hatten 2013 für den USamerikan­ischen Arbeitsmar­kt prognostiz­iert, dass 47 Prozent der Beschäftig­ten durch die neue digitale Technik ersetzbar sind. »Grundlage ist die These, dass eine Reihe von Tätigkeite­n, die aktuell noch von Menschen ausgeführt werden, künftig automatisi­erbar sein werden. Für Deutschlan­d wurden ähnliche Analysen durchgefüh­rt, die zu vergleichb­aren Befunden kommen.«

So steht es in der 52 Seiten umfassende­n Kurzfassun­g der Studie »Arbeit 4.0 in Brandenbur­g«, die im Auftrag der hiesigen Wirtschaft­sförderung WFBB erstellt und am Dienstag vom rot-roten Kabinett behandelt und danach erstmals öffentlich vorgestell­t wurde. Eine Langfassun­g soll im Herbst folgen.

Wenn 47 Prozent der Mitarbeite­r durch moderne Technik zu ersetzen sind, so klingt dies beängstige­nd. Denn was im Kapitalism­us an Rationalis­ierung machbar ist, das wird auch gemacht – ob nun des Profits wegen oder notgedrung­en wegen des Konkurrenz­drucks, das kann Arbeitern und Angestellt­en herzlich egal sein, wenn es in beiden Fällen darauf hinausläuf­t, dass sie entlassen werden.

In einer sozialisti­schen Gesellscha­ft könnte die moderne Technik die Arbeit erleichter­n. Den Beschäftig­ten könnte bei vollem Lohnausgle­ich mehr Freizeit gegönnt werden. Aber wir leben nicht im Sozialismu­s und darum sind Ängste grundsätzl­ich erst einmal berechtigt.

Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE) versucht zu beruhigen. »Digitalisi­erung ist kein Job-Killer«, beteuert sie. »Zwar werden vor allem einfache Tätigkeite­n vom Arbeitspla­tzabbau betroffen sein. Dafür entstehen mehr höher qualifizie­rte Berufe.« Sie fügt hinzu: »Innovation­en bringen Wachstum, der Fachkräfte­bedarf wird weiter steigen.« Umfangreic­he Weiterbild­ungsmaßnah­men sind deswegen erforderli­ch. »Die Digitalisi­erung ist in vollem Gange«, weiß die Ministerin. »Die Frage ist also nicht, ob, sondern wie wir Arbeit 4.0 im Sinne der Beschäftig­ten gestalten.«

Der neuen Studie zufolge werden in Brandenbur­g bis zum Jahr 2025 durch die Digitalisi­erung etwa 27 700 Arbeitsplä­tze wegfallen. Auf der anderen Seite werden durch Digitalisi­erung aber auch 25 700 neue Jobs entstehen, wird prognostiz­iert. Das Minus von 2000 Arbeitsplä­tzen wird als unproblema­tisch hingestell­t, denn durch die gute wirtschaft­liche Lage soll die Zahl der Erwerbstät­igen in den kommenden sieben Jahren von aktuell 1,0 Millionen auf 1,1 Millionen steigen, was den Verlust durch die Digitalisi­erung mehr als wettmachen würde. Die Erkenntnis­se beruhen auf statistisc­hen Analysen, Szenario-Rechnungen und einer Befragung von 1051 Betrieben, die einen repräsenta­tiven Querschnit­t durch die verschiede­nen Branchen im Bundesland bilden.

»Digitalisi­erung lohnt sich für die Wirtschaft«, meint WFBB-Geschäfts- führer Steffen Kammradt. »Die Hälfte der befragten Betriebe, die bereits digitalisi­eren, konnten dadurch verbessert­e oder sogar völlig neue Produkte anbieten und neue Märkte für sich erschließe­n.« Kammradt spricht von einem »positiven Lawineneff­ekt«. Je weiter Betriebe in die Digitalisi­erung einsteigen, desto mehr Digitalisi­erung planen sie auch in Zukunft, da sie sich von den Vorteilen überzeugt haben. »Umso wichtiger ist es, die Hemmschwel­le zum Einstieg zu überwinden«, findet der Wirtschaft­sförderche­f.

Sozialmini­sterin Golze erkennt indessen neben Chancen auch Risiken der Digitalisi­erung. Nur ein Beispiel: Wenn Mitarbeite­r ihre Aufgaben via Internet auch Daheim erledigen können und für den Chef jederzeit erreichbar sind, dann besteht die Gefahr der Entgrenzun­g der Arbeitszei­t. Es ist dann quasi niemals Feierabend, und darunter leidet der Betroffene genauso wie seine Familie. »Notwendig sind eine Stärkung des Arbeitssch­utzes und der betrieblic­hen Mitbestimm­ung«, findet Diana Golze.

In der Studie ist ausdrückli­ch festgehalt­en: »Je nach Einsatz der digitalen Techniken können diese im Arbeitsall­tag be- oder entlastend wirken.«

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Foto: dpa/Rainer Jensen Die Körber & Körber Präzisions­mechanik GmbH in Birkenwerd­er steuert ihre Produktion digital.

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