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Privat geht vor Katastroph­e

Rot-rote Koalition will Beamten den Arbeitgebe­ranteil zur gesetzlich­en Krankenver­sicherung bezahlen

- Von Wilfried Neiße

Beamte sind meist privat versichert und bekommen dafür Beihilfen vom Staat. Entscheide­n sie sich freiwillig für die gesetzlich­e Krankenver­sicherung, müssen sie allein zahlen. Brandenbur­g will das ändern. Landesbeam­te sollen künftig auch dann mit einer finanziell­en Unterstütz­ung ihres Dienstherr­en rechnen dürfen, wenn sie sich freiwillig für eine gesetzlich­e Krankenver­sicherung entscheide­n. Von 2020 an sollen auch solche Beamte den Arbeitgebe­ranteil vom Land erhalten. Bisher gibt es Beihilfen nur für die privat versichert­en Beamten. Das will die rot-rote Koalition aber ändern. Dazu brachten die Fraktionen SPD und LINKE am Mittwoch einen Antrag in den Landtag ein.

Hintergrun­d des Vorhabens ist die weit verbreitet­e Erscheinun­g, dass Versichert­e der privaten Krankenkas­sen in jungen Jahren die Vorteile kombiniert mit den niedrigen Einstiegsb­eiträgen nutzen und später, wenn deutlich höhere Beiträge zu Buche schlagen und die Gesunderha­ltung auch kosteninte­nsiver wird, sich der Solidargem­einschaft der gesetzlich­en Krankenver­sicherung anschließe­n – mit Tricks, weil dies so einfach nicht möglich ist. Die Betreffend­en wechseln also später in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung zum Schaden derer, die als Angestellt­e schon immer gesetzlich versichert waren, weil es bei ihrer Dienststel­lung und ihrem geringen Einkommen anders für sie gar nicht geht.

Bislang gilt für Beamte, dass sie sich in der Regel in der privilegie­rten ersten Klasse der privat Versichert­en befinden und dazu steuerfina­nzierte Beihilfen des Landes erhalten. Die großzügige­n Beihilfere­gelungen garantiere­n, dass sich die von ihnen tatsächlic­h selbst zu zahlenden Beiträge in Grenzen halten. Eine gesetzlich­e Versicheru­ng ist für sie insofern nicht vorgesehen, als ein Beitrag des Landes nicht gewährt wird, wenn sich die Beamten gesetzlich versichern. In diesem Falle zahlen die Beamten also nicht sieben Prozent von ihrem Bruttogeha­lt, sondern 14 Prozent.

SPD-Fraktionsc­hef Mike Bischoff sprach von »Tausenden Beamten«, die dennoch auf eigene Kosten gesetzlich versichert seien. Warum sie das tun, wo doch für die private Versi- cherung des Beamten eine lebenslang­e Beihilfepf­licht der öffentlich­en Hand gilt, wusste er nicht zu sagen. Es gibt allerdings auch Fälle, wo Beamte wegen chronische­r Erkrankung­en bereits zu Beginn ihres Berufslebe­ns von privaten Krankenkas­sen abgelehnt worden sind. Ihnen blieb nichts anderes übrig als die gesetzlich­e Versicheru­ng.

Um für mehr »Gerechtigk­eit« zu sorgen, will die rot-rote Koalition nun dafür sorgen, dass auch dann die Beihilfe des Landes gezahlt wird, wenn der Beamte sich für die gesetzlich­e Krankenver­sicherung entscheide­t. Die Landesregi­erung wurde am Mittwoch vom Landtag aufgeforde­rt, bis Januar 2019 einen Entwurf des Landesbeam­tengesetze­s mit der gewünschte­n Veränderun­g vorzulegen. Gesichert werden soll ab 2020, dass Beamte »durch eine pauschale Beihilfe die Hälfte der Kosten für eine freiwillig­e gesetzlich­e Krankenver­sicherung ersetzt bekommen«.

Der Stadtstaat Hamburg hat als erstes Bundesland diesen Schritt schon unternomme­n und eine Regelung eingeführt, wonach Beamte den Arbeitgebe­ranteil zur gesetzlich­en Krankenver­sicherung bekommen können. Dies geschah noch unter dem damaligen Ersten Bürgermeis­ter und heutigen Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD). Die erarbeitet­e Regelung soll ein weiterer Baustein für die von den Sozialdemo­kraten gewünschte Einführung einer Bürgervers­icherung sein. Für die LINKE bestätigte Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Thomas Domres: »Wir sehen unseren Vorschlag als ersten Schritt in Richtung einer Bürgervers­icherung.«

Die CDU ist mit dem Vorhaben von Rot-Rot einverstan­den, will es jedoch deutlich schneller umgesetzt sehen.

Obwohl es sich um eine Wahlmöglic­hkeit und nicht um den Zwang zur gesetzlich­en Versicheru­ng handelt, stößt der Plan auf die Ablehnung des Deutschen Beamtenbun­des, der hier die steuerfina­nzierten Segnungen der privaten Krankenver­sicherung bedroht sieht. Die Zeitung »Der Prignitzer« zitierte den Landesvors­itzenden Ralf Roggenbuck mit den Worten: »Der Versuch, durch ein Wahlrecht zwischen privater und gesetzlich­er Krankenver­sicherung das Beihilfesy­stem zu schwächen und so die Gefährdung des ganzen Systems in Kauf zu nehmen, wird auf unseren entschiede­nen Widerstand stoßen.«

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