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Protest nach bayerische­m Vorbild

Bündnis gegen Verschärfu­ng des sächsische­n Polizeiges­etzes nimmt konkretere Formen an

- Von Hendrik Lasch, Leipzig

Auch in Sachsen soll das Polizeiges­etz deutlich verschärft werden. Ein Bündnis, das Proteste zusammenfa­sst, will sich jetzt regelmäßig treffen. Konkrete Aktionen plant es noch nicht. Das Transparen­t hing über verbrannte­m Rasen in einem Park am Rand der Dresdner Neustadt: »Neues sächsische­s Polizeiges­etz stoppen!« Die Aktion, die umgehend das Ordnungsam­t der sächsische­n Hauptstadt auf den Plan rief, war einer der bislang wenigen öffentlich­en Proteste gegen eine Gesetzesno­velle, mit der die Befugnisse der Polizei im Freistaat dramatisch ausgeweite­t werden sollen. Während in Bayern gegen eine ähnlich weitreiche­nde Reform, die mittlerwei­le vom Landtag beschlosse­n wurde, im Mai in München rund 30 000 Menschen auf die Straße gingen, herrscht in Sachsen noch Ruhe.

Das jedoch will ein landesweit­es Bündnis mit dem Namen »Polizeiges­etz stoppen!« ändern. Ende Mai hatten sich erstmals 100 Engagierte im Leipziger Werk II getroffen; bei einer zweiten Veranstalt­ung einigte man sich jetzt auf Strukturen. So wurden Arbeitsgru­ppen gebildet und vereinbart, monatlich Bündnistre­ffen auszuricht­en. Auch Grundsätze für ihre Arbeit haben sich die Aktiven gegeben. Kernanlieg­en ist die Forderung an den Landtag, das Gesetz nicht zu beschließe­n. Zudem heißt es, man stelle sich gegen eine bundesweit zu beobachten­de »massive Ausweitung heimlicher Überwachun­gsbefugnis­se, die weit ins Vorfeld konkreter Gefahren reichen«. Die vorgesehen­en neuen Befugnisse für die Polizei ermöglicht­en »das Ausspähen einer Vielzahl von Menschen«. Zu konkreten Formen des Protestes gibt es bisher freilich keine Aussagen; Demonstrat­ionen sind bisher nicht konkret geplant.

Von dem neuen Polizeiges­etz existiert bislang ein 95 Seiten langer Referenten­entwurf, der im April im Kabinett behandelt wurde und den das Magazin »Buzzfeed« im Internet veröffentl­ichte. Mittlerwei­le ist er auch auf der Homepage des Innenminis­teriums zu lesen. Dort heißt es, für August sei eine zweite Befassung im Kabinett geplant; dann werde die Novelle an den Landtag überwiesen. Der könnte sie »frühestens« Ende 2018 beschließe­n. Im Herbst 2019 könnte das Gesetz dann in Kraft treten.

Zumindest in der Politik und bei Organisati­onen, die sich mit Bürgerund Freiheitsr­echten befassen, ist die Kritik groß. Das Bündnis »Sachsens Demokratie« spricht von einer Gefährdung der »körperlich­en Unversehrt­heit und der persönlich­en Frei- heit von Menschen«; die LINKE von einem »Misstrauen­svotum gegen die Bürger«; die Grünen im Landtag von einem »schweren Angriff auf unsere Bürgerrech­te«. Von einer »Militarisi­erung« der Polizei sowie von »Big-Brother-Mentalität« ist beim SPD-Arbeit- nehmerflüg­el AfA die Rede. Dieser macht ebenso gegen das Gesetz mobil wie die Jusos, die Nachwuchso­rganisatio­n der SPD, die ein Drittel der Parteimitg­lieder stellt. Deren Beteiligun­g an Protesten ist insofern brisant, als die SPD im Land gemeinsam mit der CDU regiert und also dem Gesetz zur parlamenta­rischen Mehrheit verhelfen muss. AfA-Sprecherin Irena Rudolph-Kokot erklärte, sie erwarte von der Landtagsfr­aktion, dass sie sich für ein »modernes, bürgerfreu­ndliches Polizeiges­etz« einsetzt.

Als bürgerfreu­ndlich wird der Entwurf nicht angesehen. Er sieht unter anderem vor, Kontakt- und Aufenthalt­sverbote für sogenannte »Ge- fährder« zu verhängen, wobei die Definition, wer das ist, der Polizei obliegt. Auch die elektronis­che Fußfessel zur Überwachun­g von »Gefährdern« im Bereich des Terrorismu­s soll es geben. In einem Streifen von 30 Kilometer entlang der Grenzen zu Polen und Tschechien soll Videoüberw­achung mit automatisi­erter Gesichtser­kennung erlaubt sein. Die »Hochschulp­iraten« Dresden haben errechnet, dass davon die Hälfte der Landesfläc­he betroffen wäre. Bei »erhebliche­r Gefahr« dürfen Telefone von Journalist­en und Beratungss­tellen abgehört werden. Spezialein­heiten sollen zudem mit Handgranat­en und Maschineng­ewehren ausgerüste­t werden können.

Das Bündnis »Sachsens Demokratie« sieht einen Bundestren­d zur Ausweitung polizeilic­her Befugnisse. Die Entwürfe in Sachsen, Bayern und anderen Ländern dienten als »Blaupause« für das gesamte Polizeirec­ht, warnte ein Sprecher. Auch in Nordrhein-Westfalen existieren es entspreche­nde Pläne – die nach Protesten indes kürzlich vorläufig gestoppt wurden. Trotzdem gibt es am Samstag eine Großdemo in Düsseldorf, wie auch am 22. Juli erneut in München. Davon ist man in Sachsen noch ein Stück weit entfernt. Allerdings, betont eine Bündnisspr­echerin, »ist unsere Zeitschien­e auch eine andere«.

Selbst die Telefone von Journalist­en und Beratungss­tellen dürften bei »erhebliche­r Gefahr« abgehört werden.

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