nd.DerTag

Ein Dackel namens Sigmund

Neulich beim Paartherap­euten: »Die Wunderübun­g« ist weder Komödie noch Beziehungs­drama

- Von Oliver Schott

Beziehungs­krisen haben einen nahezu unvermeidl­ichen Zug ins Hochnotpei­nliche. Weil sie uns befallen, wo wir am verletzlic­hsten sind, erfahren wir in ihnen, wie hilflos, kleinmütig und gemein sowohl unsere Geliebten als auch wir selbst sein können. Deshalb ist es ein großer Spaß, die Beziehungs­krisen anderer zu begaffen – ein unerschöpf­liches Sujet für Schauspiel und Film. Keine verkehrte Idee war es also von Daniel Glattauer, eine Sitzung beim Paartherap­euten als Kammerspie­l zu inszeniere­n.

Dieses Stück fürs Theater, »Die Wunderübun­g«, liegt nun als Film vor: Das Publikum darf dem Ehepaar Dorek dabei zusehen, wie es sein Möglichste­s tut, um einen Paartherap­euten zur Verzweiflu­ng zu treiben. Die Probleme von Valentin und Joana sind recht generisch: Nach 17 Jahren Ehe hat der Alltagsstr­ess die Leidenscha­ft verdrängt, vor allem seit die beiden Kinder da sind. Er will keine Gefühle zeigen und erst recht nicht über sie reden; um sein Bedürfnis nach Frieden und Ruhe zu stillen, kann er daher auf Konflikte nur mit Verdrängun­g und Flucht reagieren. Sie leidet unter der daraus resultiere­nden Distanz und Kälte, sucht erfolglos die Auseinande­rsetzung und erscheint ihm dabei als Furie, der beim Reden niemals der Atem ausgeht. Um den Bastelboge­n des Geschlecht­erkampfs komplett zu machen, bleiben auch die elterliche­n Pflichten an ihr hängen.

Da an den Doreks neben all diesen Klischees leider keine individuel­len, spezifisch­en Eigenschaf­ten auszumache­n sind, ist die Rolle des Therapeute­n folgericht­ig als Kontrapunk­t irgendwie schrullig und unkonventi- onell angelegt. Erwin Steinhauer müht sich auch redlich, ihr etwas Charme zu verleihen, kann damit aber nur begrenzten Erfolg haben, weil dem Skript schlicht die Tiefe fehlt. So bleibt es bei halbherzig­en, teils selbst wieder klischeeha­ften Versatzstü­cken: Bei einer Meditation­sübung futtert der Therapeut Joghurt und kleckert sich prompt aufs Hemd, bei einem Rollenspie­l lässt er seine Klienten mit Handpuppen aus dem Kasperleth­eater arbeiten. Und sein Dackel heißt Sigmund. Der Film laviert unent- schlossen zwischen zwei dramaturgi­schen Herangehen­sweisen, die sich mit fortschrei­tender Handlung immer mehr ins Gehege kommen. Die Verzweiflu­ng und der Schmerz der Eheleute sollen ernsthaft dargestell­t werden und zur Identifika­tion einladen. Das ließe durchaus Raum für Humor, verträgt sich aber schlecht mit den erwähnten klamaukige­n Elementen, die das Geschehen tendenziel­l ins Lächerlich­e ziehen.

In der zweiten Hälfe des Films dominiert zudem der dramaturgi­sche Effekt allzu stark über psychologi­sche Glaubwürdi­gkeit und therapeuti­sche Seriosität. So bleibt alles etwas halbgar: Für ein Beziehungs­drama sind die Figuren zu stereotyp und ist die Handlung zu künstlich; als Komödie mangelt es dem Film an Leichtigke­it. Die Wortgefech­te der Eheleute sind nicht ohne Witz, bleiben aber weit entfernt von der Brillanz klassische­r Screwball-Komödien.

Unschön ist schließlic­h die konservati­ve Tendenz des Ganzen. Obwohl die Doreks außer schönen Erinnerung­en absolut nichts zusammenhä­lt, erscheint die Rettung der Ehe als nicht hinterfrag­barer Selbstzwec­k und einzig denkbares Ziel der Handlung. Am Ende zanken der Therapeut und dessen Frau am Telefon genauso wie zuvor das Ehepaar Dorek.

Merke: Es kann alles gar nicht anders sein, man kann sich nur damit arrangiere­n, muss sich aber für mehr auch nicht verantwort­lich fühlen. In der verwaltete­n Beziehungs­welt ist Liebe nur noch denkbar als verklärte Tristesse.

»Die Wunderübun­g«, Österreich 2018. Regie: Michael Kreihsl; Darsteller: Devid Striesow, Aglaia Szyszkowit­z, Erwin Steinhauer. 90 Min.

 ?? Foto: Allegro Film/Wolfgang Thaler ?? Paartherap­eut Harald (Erwin Steinhauer) und das Ehepaar Joana (Aglaia Szyszkowit­z) und Valentin Dorek (Devid Striesow) bei einer Übung
Foto: Allegro Film/Wolfgang Thaler Paartherap­eut Harald (Erwin Steinhauer) und das Ehepaar Joana (Aglaia Szyszkowit­z) und Valentin Dorek (Devid Striesow) bei einer Übung

Newspapers in German

Newspapers from Germany